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Dann gehören wir ab jetzt halt zur Kirche

Die arbeitsrechtliche Sonderbehandlung kirchlich getragener Dienstleister ist für viele Menschen nicht nachvollziehbar. Das Verständnis hierfür sinkt zusehends, auch wegen Geschichten wie jener aus dem mittelhessischen Wetter.

Böse Zungen behaupten, die arbeitsrechtliche Stellung kirchlich getragener Einrichtungen sei ein mittelalterliches Relikt, das sich trotz fortschreitender Säkularisierung und deutlich gesunkener Mitgliederzahlen der christlichen Kirchen gehalten hat. Schließlich sind nur noch etwas mehr als die Hälfte aller in Deutschland lebenden Menschen bekennende Christen im Sinne der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK).

Im mittelhessischen Wetter, einer kleinen Gemeinde nördlich von Marburg, ist die Altenhilfe Wetter GmbH beheimatet, ein mittelgroßes privatwirtschaftlich betriebenes Sozialunternehmen. Seit Ende letzten Jahres trägt sich im beschaulichen Wetter ein kaum nachvollziehbares "Schauspiel" zu, das für reichlich Kopfschütteln sorgt. Hintergrund ist ein Streit über die ideelle Heimat der Altenhilfe Wetter. Seitdem sich die ca. 100 Beschäftigten nämlich im vergangenen Jahr zusammengeschlossen und gewerkschaftlich organisiert haben, ist in Wetter nichts mehr wie es war: Denn aufgrund des gewerkschaftlich unterstützten Zusammenschlusses entschloss sich die Geschäftsführung kurzerhand, Mitglied der Diakonie werden zu wollen, um somit in den "Genuss" der kirchlichen Sonderrechte zu kommen.

Dies alles wäre keine Meldung wert, würde es nicht einen massiven Einschnitt in die Rechte der Beschäftigten bedeuten: Für Arbeinehmer*innen, die bei einem kirchlichen Träger angestellt sind, gelten bei weitem nicht die gleichen Mitbestimmungsrechte wie für Angestellte eines konfessionell ungebundenen Arbeitgeber. Die Gewerkschaft ver.di moniert dies ausdrücklich und kündigt rechtliche Schritte an: "Wir sehen den Beitritt zur Diakonie als Betriebsübergang, und dieser ist mitbestimmungspflichtig", erklärt ver.di-Sekretär Julian Drusenbaum. Die Belegschaft sei nicht involviert worden, weshalb es rechtlich fragwürdig sei, ob ein rechtskräftiger Beitritt erfolgt sei. Für die Gewerkschaft ist offensichtlich: Mit dem angestrebten Wechsel zur Diakonie verfolgt die Geschäftsführung keine christlich-diakonischen Absichten. Aus Sicht von ver.di gehet es einzig und allein um die Verhinderung von Mitbestimmung. Schließlich sei Ziel der Gewerkschaft die Vereinbarung eines Tarifvertrags nach Maßgaben des TvöD gewesen, eine erste Verhandlungsrunde mit der Arbeitgeberseite war für Februar angesetzt.

Angesichts der in den vergangenen Monaten lauten Forderungen nach höherer Anerkennung für die in der Pflege tätigen Menschen erscheint das an rein finanziellen Argumenten ausgerichtete Vorgehen der Arbeitgeber - und im Übrigen auch der aufnehmenden Diakonie - als ein Schlag ins Gesicht der Pflegenden. Wer sich einerseits für bessere Rahmenbedingungen für die Pflege einsetzt, auf der anderen Seite seinen eigenen Beschäftigten nicht einmal einen Tarifvertrag zugesteht, macht sich schlicht unglaubwürdig.


Quelle: Pressemitteilung von ver.di Gesundheit und Soziales vom 01.02.2019