Das sehnsuchtsvolle Verlangen der Menschen nach Freiheit: Freiheit, die ich meine

von Dr. Jos Schnurer
25.08.2015

Collage, zusammengestellt von Dr. Jos Schnurer
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Der Mensch als frei und gleich an Würde und Rechten geborenes, mit Vernunft ausgestattetes, zwischen Gut und Böse unterscheidungsfähiges, zur Bildung von Allgemeinurteilen befähigtes und auf die Gemeinschaft mit den Mitmenschen angewiesenes Lebewesen, wie dies in der abendländischen, anthropologischen (aristotelischen) und in der globalen Ethik der Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948 proklamiert wird, ist verwiesen auf die Individualität und Selbstbestimmung seines Daseins [1]. Kaum ein Wert, der die Humanität der menschlichen Existenz ausmacht, wird  jedoch in der Geschichte der Menschheit so in Frage gestellt wie der Freiheitsbegriff und die freiheitliche Wirklichkeit. Es sind Fragen, die das persönliche und kollektive, das lokal- und globalgesellschaftliche und das physisch-psychologische Menschsein betreffen, wie z. B.: Worin besteht das Erlebnis der Freiheit?
Ist der Wille zur Freiheit naturgegeben oder menschengemacht?
Welche Einflüsse haben individuelle, kulturelle, politische und ideologische
Wertvorstellungen?
Bedeutet Freiheit nur Abwesenheit von äußerem Druck oder auch die Anwesenheit von irgend etwas?
Welche sozialen und ökonomischen Ursachen hat das Streben nach Freiheit?
Kann Freiheit auch zur Bürde werden? Bereits mit diesen Fragen wird die Janusköpfigkeit des Freiheitsbegriffs deutlich. Denn Freiheitsstreben wird den Menschen weder in die Gene gelegt, noch entsteht es ausschließlich durch soziale und kulturelle Umweltprozesse: „Gesellschaftliche Bedingungen beeinflussen ideologische Erscheinungen vermittels des Charakters. Charakter andererseits ist nicht das Ergebnis passiver Anpassung auf Grund von Elementen, die entweder der menschlichen Natur eingeboren sind, oder als Resultat historischer Entwicklung ihr inhärent werden“ [2]. Ein Freiheitsbewusstsein muss also erworben werden, und zwar in allen Bildungs- und Erziehungsprozessen, die Menschen Zeit ihres Lebens durchlaufen, in der Familie, im Kindergarten, der Schule, im Beruf und in der Freizeit, also lebenslang! Im folgenden wird deshalb einige (durchaus subjektiv) ausgewählte Literatur zum Freiheitsbegriff und zur –wirklichkeit vorgestellt, mit dem Ziel, den jeweiligen Emanzipations- und Aufklärungsdiskurs mit befördern zu helfen.

Freiheit über alles!?

Keine menschliche Gemeinschaft kann ohne Freiheit existieren, will sie nicht aufgeben oder darauf verzichten, was Menschsein ausmacht! Deshalb ist das kulturelle Bewusstsein und die kulturelle Identität unverzichtbar für das Verlangen nach Freiheit. „Ohne Kultur können wir uns keine menschliche Gesellschaft vorstellen“, ohne eine (Zivil-)Gesellschaft gibt es auch keine Kultur. Der anthropos, der Mensch als zôon politikon, wie das in der anthropologischen Philosophie definiert ist, nimmt in der scala naturae eine Mittel- und Mittlerstellung zwischen theos und zôon ein, kraft seines Verstandes, seiner Fähigkeit, zwischen Gut und Böse unterscheiden und Allgemeinurteile bilden zu können (Aristoteles). In den sozial- und kulturwissenschaftlichen, praxistheoretischen Forschungen und Perspektiven wird das Soziale „nicht mehr von den Strukturen, dem bloß Diskursiven oder den Individuen ( ), sondern von diesen beiden Pole(n) vermittelnden sozialen Praktiken her (gedacht)“ [3]. Die Feststellung: „Wie die Gesellschaft, so die Politik“ [4], verweist auf die Ambivalenz, die sich in der soziologischen Auseinandersetzung mit dem Kulturbegriff ergibt: „Von Anfang an steht der Kulturbegriff in der Soziologie zum Begriff der Gesellschaft in einem Ergänzungs-, zum Teil auch in einem Konkurrenzverhältnis“. Die Soziologen Frank Adloff von der Universität Erlangen-Nürnberg, sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Stephan M. Büttner, Stephan Moebius von der Universität Graz und Rainer Schützeichel von der Universität Bielefeld geben einen Reader heraus, in dem sie Texte aus dem internationalen kultursoziologischen und interdisziplinären Diskurs vorlegen, mit denen die grundlegenden, kulturtheoretischen Prozesse des cultural turn in der Soziologie deutlicht gemacht werden können. Mit den ausgewählten Passagen werden die verschiedenen interdisziplinären Positionen als eine Art Bestandsaufnahme zu den soziologischen Auseinandersetzungen um den Freiheitsbegriff eingeordnet. Sie bieten damit sowohl für Lehre und Forschung, als auch für den Theorie- und Praxisdiskurs Anhaltspunkte für die notwendige, individuelle und gesellschaftliche Beschäftigung mit dem unverzichtbaren und immanenten Wert FREIHEIT an.

Das Menschenrecht auf Freiheit

Nur in einer demokratischen Gesellschaft kann angeeignete Freiheit gedeihen! Der zôon politikon, der Mensch als politisches Lebewesen, muss lernend die Kompetenz erwerben, in Freiheit leben zu wollen und zu können. Dazu ist politische Bildung notwendig. Mit dem Konzept „Demokratie lernen“ soll dies möglich werden. "Demokratiepädagogik“ gilt deshalb als Integrations- und Sammelbegriff für alle Bemühungen, Demokratie-Lernen zu fördern. Die dem ehemaligen britischen Regierungschef Winston Churchill zugeschriebene Charakterisierung - „Die Demokratie ist die schlechteste aller Staatsformen, ausgenommen alle anderen“ – will ja zum Ausdruck bringen, dass es keine andere Gemeinschaftseinrichtung gibt, mit der ein freiheitliches, demokratisches Leben aller Menschen in einer Gesellschaft besser möglich sei, als in einer Demokratie. So lässt sich mit gutem Recht sagen: Demokratie ist die anspruchsvollste und herausforderndste Regierungsform, weil sie von jedem Staatsbürger verlangt, dass er seinen Verstand benutzen und seinen Freiheitswillen tagtäglich und bei jeder individuellen und gesellschaftlichen Gelegenheit zeigen und für ein demokratisches Leben eintreten muss. Demokratie lernen ist deshalb eine Herausforderung für jeden Menschen. Es muss in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, im Beruf und in der Freizeit ein- und ausgeübt werden. “Demokratie-Pädagogik“ ist daher ein Anspruch, den es gilt umzusetzen, in Theorie und Praxis, lokal und global. Es ist eine Lern- und Lebenskultur. Wege dahin werden im zweiten Jahrbuch „Demokratie-Pädagogik“ aufgezeigt. Es ist ein Wegweiser für Lehrerinnen, Lehrer und in Erziehungs- und pädagogischen Prozessen engagierte Menschen! [5]

Mit Würde geboren

„Die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte (bildet) die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt“. Diese in der Präambel der allgemein gültigen globalen Ethik, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zuvorderst postulierte Definition des Menschseins muss Verpflichtung für alle Menschen sein. Weil aber grundlegende, gesetzte, erworbene und „gefühlte“ Werte und Normen, die ein gerechtes und friedliches Zusammenleben aller Menschen auf der Erde fordern und regeln wollen, immer auch der Misere ausgesetzt sind, durch Ignoranz, Macht, Ideologien und Fundamentalismen missachtet zu werden, kommt es darauf an, sich für die Grundsätze einzusetzen, die Freiheit garantieren. Der Philosoph Peter Bieri sieht im Begriff der unantastbaren und nicht relativierbaren Würde des Menschen die existentiell notwendige Urfrage, die er mit dem Dreischritt - Wie werde ich von anderen Menschen behandelt? Wie behandle ich andere Menschen? Wie stehe ich zu mir selbst? – analysiert. Menschliche Würde ist gegeben, sie muss aber tagtäglich im Leben der Menschen neu erworben, erkämpft, bewahrt und verteidigt werden. Diese Herausforderungen lassen sich in Gebote meißeln, in Gesetze gießen oder in Verfassungen schreiben. Damit können sie sich zu Richtschnüren oder Fesseln entwickeln. Es könnte aber auch gelingen, die Würde des Menschen als ein Wagnis zu verstehen, als eine Herausforderung, die im tagtäglichen Denken und Tun sich ausbreitet, konfrontiert und als Hindernis oder gar als Falle auftut. Der Autor nähert sich der Problematik dadurch, dass er feststellt: „Unser Leben als denkende, erlebende und handelnde Wesen ist zerbrechlich und stets gefährdet – von außen wie von innen. Die Lebensform der Würde ist der Versuch, diese Gefährdung in Schach zu halten“. Bei seinen Reflexionen über die Vielfalt der menschlichen Würde benutzt Peter Bierli eine Fülle von literarischen Quellen. Die eingebauten Zitate sollen dabei Begründungen für die jeweiligen Aspekte und Thesen liefern. Der Autor hält sich mit eigenen Interpretationen zurück und will den Leser in seine „Gedankengänge … verwickeln und ihn zum Komplizen … machen, im leidenschaftlichen Versuch, Klarheit zu gewinnen. [6].

Aufrecht gehen!

Der anthrôpos, der Mensch, ist, so lernen wir bereits seit der griechischen Antike, ist eine „durch seine Zweibeinigkeit charakterisierte Gattung der Lebewesen“. Durch seine Vernunft- und Sprachbegabung habe er Anteil am unvergänglichen und göttlichen Geist. Durch seine aufrechte Körperhaltung stehe er auf der obersten Stufe der scala naturae und nehme dadurch eine Mittelstellung zwischen Gott und Tier ein. Er sei fähig, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, Allgemeinurteile zu fällen und sittlich zu handeln. Die philosophisch, anthropologisch, ethisch, moralisch, biologisch, psychologisch und neurologisch über die Jahrtausende menschlichen Nachdenkens hinweg immer wieder kongruent und konfrontativ diskutierte und analysierte Frage, mündet schließlich in der Alternative, ob der Mensch des Menschen Freund sein könne oder Wolf sein müsse. Nicht zuletzt mit der Beantwortung dieser Kontroverse hängt zusammen, welche ethischen und moralischen Einstellungen sich als Lebens- und Verhaltensnormen in einer Gesellschaft entwickeln und gelebt werden sollen. Der aufrechte Gang, als physiologisches Phänomen, wird in der Evolutionstheorie als entscheidende Entwicklungsstufe des anthrôpos hin zum homo sapiens angesehen. Gleichzeitig mit der biologischen Bestimmung wird die physiologische Bedeutung dieser evolutionären Entwicklung hervorgehoben, was sich z. B. in zahlreichen Sprichwörtern und Deutungen zeigt („Wer sichere Schritte tun will, muss sie langsam tun“, Goethe), in Liedern Aufforderungscharakter hat („Wann wir schreiten Seit´ an Seit´“, programmatisches Lied der sozialdemokratischen Arbeiterjugend) und in der Literatur und Kunst in vielfältiger Weise bearbeitet wird; oder zum Ausdruck kommt in Ehrungen, etwa wenn die Humanistische Union den Bürgerrechtspreis „Aufrechter Gang“ auslobt, oder sich Vereine und Bürgerinitiativen den Namen „Aufrechter Gang“ geben. Der an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster Praktische Philosophie lehrende Kurt Bayertz stellt fest, dass im Denken der Menschen zwar die Bedeutung des aufrechten Gangs in vielfachen Formen präsent ist; dass aber eine „Geschichte des aufrechten Gangs“ aus anthropologischer und philosophischer Sicht bisher nicht vorliegt. Er zeigt auf, welche verschiedenen Interpretationen über die Bedeutung des menschlichen aufrechten Gangs über die Jahrhunderte hinweg vorgenommen wurden, hält Ausschau danach, wie diese Deutungen in den jeweiligen historischen und kulturellen Zusammenhängen thematisiert werden. Damit legt er eine spannende, interdisziplinäre, alltagsfähige und intellektuell anspruchsvolle Betrachtung über die Tatsache vor, dass der Mensch mit seinem aufrechten Gang mehr ist als ein anderes Tier auf zwei Beinen. Dabei begibt er sich zum Glück nicht auf die gefährlichen, ideologischen und fundamentalistischen Gleise eines „allmächtigen“ Menschseins, sondern bleibt auf der Straße des „Natürlichen“. Er zeigt Perspektiven auf, die die Fähigkeit des aufrecht Gehens des Menschen nicht nur als physische, körperliche Fähigkeit notieren, sondern Grundlage ist für eine evolutions- und geistesgeschichtliche, freiheitliche Entwicklung des anthrôpos [7].

Kultur des Friedens

Der damalige Generalsekretär der UNESCO, Federico Mayor, hat in der Zeitschrift UNESCO-Kurier („Menschenrechte. Der Kampf geht weiter“, 10/1998) den 50. Jahrestag der Proklamierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum Anlass genommen daran zu erinnern, dass es in einem halben Jahrhundert nicht gelungen ist, wesentliche Grundsätze einer „globalen Ethik“ in der Welt umzusetzen. Es gälte – und das gilt bis heute – einen „Übergang von einer Kultur des Krieges zu einer Kultur des Friedens“ zu finden. In der Verfassung der Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsorganisation der Vereinten Nationen (UNESCO) vom 16. 11. 1945 wird den Menschen die Herausforderung auferlegt, weil „Kriege im Geist der Menschen entstehen, auch die Bollwerke des Friedens im Geist der Menschen errichtet werden müssen“. Der wissenschaftliche Diskurs um Menschenrechts- und Friedensbildung hat im letzten Jahrzehnt national und international eine neue Aufmerksamkeit erfahren, was sich nicht zuletzt in den zahlreichen Publikationen zur Menschenrechts- und Friedenserziehung zeigt und im Internet-Rezensionsdienst Socialnet Beachtung finden [8]. In zahlreichen wissenschaftlichen Zusammenschlüssen und Initiativen wird der Gedanke, dass Frieden in der Welt nur mit der Bildung und Aufklärung der Menschen zur Friedensfähigkeit erreicht werden kann, konzeptionell, didaktisch und methodisch bearbeitet [9]. An der Universität in Hamburg wurde 2008 eine akademische Initiative gestartet, um interdisziplinär den Bildungs- und Ausbildungsgedanken für eine „Kultur des Friedens“ in den Studienbetrieb zu implementieren: „Interdisziplinäres Lehrangebot Friedensbildung / Peacebuilding“. Die Begründungen dafür sind vielfältig und lokal- und global-gesellschaftlich relevant: Gesellschaftliche Vielfalt friedfertig gestalten; mit Konflikten friedvoll und konstruktiv umgehen; Biografielernen als Bildung zur kulturellen und interkulturellen Identität fördern. Die Initiative wird getragen von Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern aus verschiedenen akademischen Disziplinen und Wissenschaftskulturen der Universität, und vom Carl Friedrich von Weizsäcker-Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung (ZNF). Die Lehrangebote richten sich überwiegend an Studierende der Bachelor-Studiengänge und bestehen aus Seminaren, Ringvorlesungen, Veranstaltungen der Sommeruniversität und Exkursionen. Die Initiatorinnen und Initiatoren begründen ihr Lehrangebot insbesondere damit, dass am Hochschulstandort Hamburg „seit Jahrzehnten (zu) Fragen der Friedensbildung, der friedensorientierten Politikberatung und der wissenschaftlichen Friedensforschung“ gearbeitet wird; etwa mit dem vom Hamburger Senat bereits 1971 an der Universität eingerichteten „Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ und anderen zivilgesellschaftlichen Einrichtungen. Friedensbildung als schulische und außerschulische, fächerbezogene wie vor allem -übergreifende Bildungs- und Erziehungsaufgabe hat im gesellschaftlichen Bewusstsein längst noch nicht den Stellenwert und die Aufmerksamkeit erreicht, die notwendig sind für individuelles und globales Lernen. Mit dem Hamburger interdisziplinären Modell wird ein Beispiel vorgestellt, das in der Lehreraus- und -fortbildung Anwendung findet. Die an einigen Stellen der Berichterstattung allzu plakativ, oberflächlich und unverbindlich dargestellten Konzepte und Erfahrungen schmälern insgesamt nicht den Informationswert des Sammelbandes. Das Buch sollte in der Lehrerbildung Beachtung finden [10].

Geschichte als Aufklärung

Die Deutung von Welt als Existenz- und Lebensraum der Menschen lässt sich zum einen als ein deskriptiver Akt des historischen Gewordenseins der Menschheit verstehen, zum anderen als Reflexion von Entwicklungen, die sich (auch) darauf beziehen, wie die Gemeinschaften, Nationen, Staaten und Kulturen sich gebildet und dies in ihren jeweiligen, spezifischen Kommunikationsformen ausgedrückt haben. Die Nachschau, „wie wir wurden, was wir sind“ (Bernt Engelmann), bedarf der Betrachtung, wie sich die metaphysischen Wurzeln und Weltbilder, die uns eigen sind, entwickelt haben, beginnend mit der griechisch-römischen Geschichte, bis hin in unsere Zeit [11]. Politische Ideen haben, seit Menschen philosophieren und darüber nachdenken, wie sie ein (friedliches, gerechtes, machtvolles, nationales…) Zusammenleben begründen und organisieren können, immer schon zu Konsekrationen, Konsternationen, Konflikten und Konsequenzen geführt. In der kleinen, handlichen Reihe „Wissen“ des C. H. Beck-Verlags liegt mittlerweile zahlreiche Literatur vor, die in konzentrierter Form gesichertes und verständliches Wissen über die wichtigsten Gebiete aus den Geistes- und Naturwissenschaften anbietet. Der an der Universität Augsburg politische Theorie lehrende Sozialwissenschaftler Marcus Llanque vermittelt mit seiner „Geschichte der politischen Ideen“ einen Überblick über die Jahrtausende alte, weiterhin lebendige Auseinandersetzung über Theorienbildung und praktische Auswirkungen zu Fragen, die mit dem friedlichen und konfliktträchtigen Zusammenleben der Menschen auf der Erde zu tun haben; etwa: „Was ist Macht?“ – „Was bedeutet Gerechtigkeit in der Politik?“ – „Wer soll wen regieren?“. Dabei fokussiert er seine historischen und philosophischen Reflexionen sowohl auf zeitgeschichtliche Zeitenwenden, als auch auf politische Denker, die durch ihr Wirken Einfluss und Innovation von politischen Grundströmungen ausübten und weiterhin ausüben. Die „Geschichte der politischen Ideen“ ist natürlich noch nicht zu Ende geschrieben; denn Politik ist kein abgeschlossenes Fatum, sondern ein Prozess, der von politisch denkenden, aufgeklärten Menschen bestimmt wird. „Gerade aus der Einsicht fortwährender Konkurrenz von Theorien erwächst der größte Gewinn der Ideengeschichte für das politische Denken heute“ [12].

Die (Un-)Ordnung der Welt – eine Theorie internationaler Ordnung

Ob, wie und von wem die Welt geordnet ist, darüber gibt es seit Jahrtausenden Aussagen, Visionen, Ge- und Verbotsdiktate. Während die einen zu wissen glauben, wer oder was die Welt zusammenhält [13], sind sich andere (nicht) sicher, wer eigentlich die Welt regiert [14], und dritte schauen darauf, wie Macht ausgeübt wird [15]. Es sind Fragen, die an die Urgründe menschlichen, individuellen und kollektiven Daseins gehen, und deren Antworten sich niemals als ein-„deutig“ darstellen. Mit dem Begriff der (neuen) Weltordnung kommt zum Ausdruck, dass sich in der Menschheitsgeschichte endlich ein Bewusstsein von einer universellen Verantwortungsethik einstellen sollte. Dass dies im Konjunktiv formuliert wird, heißt ja nichts anderes, als dass diese Forderung längst noch nicht Wirklichkeit in der Welt ist, und die Visionen und Programme, Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen, weiterhin auf die Realisierung warten. Damit sind wir bei der großen Herausforderung an die Menschheit, sich gemeinsam eine allgemeingültige, nicht relativierbare Ordnung zu geben. Der Politikwissenschaftler und Lehrstuhlinhaber für Internationale Beziehungen und Vergleichende Regierungslehre an der TU in Braunschweig, Ulrich Menzel, legt ein umfangreiches und anspruchsvolles Buch vor, mit dem er nicht mehr und nicht weniger als „die Welt erklären“ will. „Es soll darin gezeigt werden, was die Welt im Innersten zusammenhält, wer für Ordnung sorgt in der Anarchie der Staatenwelt, in der es keine übergeordnete Instanz, keinen Weltstaat gibt, der mit einem internationalen Gewaltmonopol ausgestattet ist“. Er formuliert bereits zu Beginn: „Die Ordnung in der Anarchie der Staatenwelt resultiert aus der Hierarchie der Staatenwelt“.  Er begründet damit den Untertitel seines Buches; und er verweist auf seine jahrzehntelangen Forschungen und (Fall-)Studien zu Fragen nach einer (neuen) Weltordnung. Nicht ohne Grund, sondern eher selbstverständlich kreisen Menzels Forschungsarbeiten um die Frage, wie Mächte, Imperien und Reiche internationale Ordnungen bestimmen und sich Zentrismen bilden konnten und können. Weil diese überwiegend nicht auf Zufälligkeiten oder natürlichen Entwicklungen beruhen, sondern von Menschen „gemacht“ sind, bedarf es bei der gesellschaftspolitischen und -historischen Analyse des hermeneutischen Blicks. Der Autor benutzt dabei die von ihm im Laufe der mehr als 30jährigen Lehr- und Forschungsarbeit entwickelte und angewandte historisch-komparative Methode, u. a. bei der Infragestellung und Aufkündigung der im politischen Diskurs üblichen Gliederung in „Erste", „Zweite“, „Dritte“ und „Vierte“ Welt, mit der Feststellung, dass die großen (Entwicklungs-)Theorien gescheitert seien. Mit seiner „Meistererzählung“ vermittelt Ulrich Menzel nicht nur tiefe Einblicke in sein seit Jahrzehnten und weiter andauerndes intellektuelles und professionelles Schaffen, sondern er bietet den Leserinnen und Lesern seines umfangreichen Buches auch die Chance an, darüber nachzudenken, wie wir geworden sind, was und wie wir sind, als Individuen, Deutsche, Europäer und Planetarier, lokal und global, Hier und Heute mit dem ontologischen, anthropologischen und chronologischen Bewusstsein. Es ist ein Zeit- [16] und Geschichtsdokument, das als Theoriekonzept und praktische Handlungserkenntnis dienen kann [17]

„Ohne Selbstbestimmung – individuell wie kollektiv – ist gutes Leben nicht organisierbar“

Euzôia, ein gutes Leben, streben Menschen in ihrem Intellekt und in ihrer Vita an, seit sie denkend existieren. Nach der aristotelischen Philosophie beschränkt sich ein gutes Leben nicht auf das Notwendige, sondern umschließt das eine, alles umfassende Gut und Ziel menschlichen Daseins. Weil der Mensch nach Mehr(Wert) strebt, als nach dem für seine physische und intellektuelle Existenz Erforderliche, hat Zivilisationen zu allen Zeiten veranlasst, Werte zu entwickeln, die sich als kulturelle und zivilisatorische Errungenschaften in die Menschheitsgeschichte eingeschrieben und Initiativen hervorgebracht haben, sie als „Erbe der Menschheit“ zu bewahren, wie auch als Kulturkritik fragwürdig zu machen. Immer ist dafür ein Perspektivenwechsel notwendig [18]. In den Zeiten der „Weltrisikogesellschaft“ (Ulrich Beck) ist ein „kosmopolitischer Blick“ erforderlich, und wir benötigen eine neue Sichtweise und Haltung, wie es der (wachsenden) Menschheit möglich wird, neue Formen von Zivilisation zu entwickeln [19]. Das in der von Wolfgang Rother in der Reihe „Schwabe Interdisziplinär“ vorgelegte Kompendium „Zivilisationsdynamik“ lässt sich als Bestandsaufnahme von Hermann Lübbes philosophischem Wirken und als Einmischung in aktuelle wissenschaftliche, kulturelle und politische Wirklichkeiten lesen. Die Sammlung einer Auswahl von in Jahrzehnten im akademischen und öffentlichen Diskurs entstandenen, vorgetragenen und publizierten Arbeiten des bekannten und anerkannten Philosophen Hermann Lübbe stellen, eher lexikalisch denn lebensgeschichtlich deutend, kulturkritische Beiträge dar, die unterschiedliche, interdisziplinäre Fragestellungen und Daseinsbestimmungen des Menschseins in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft diskutieren und deuten: Selbstbestimmung, individuelle und gesellschaftliche Existenz-Vergewisserung und politisches Denken und Handeln sind Voraussetzungen dafür, ein „gutes Leben“ zu ermöglichen [20].

„Unter der Hülle formal intakter Institutionen brodelt es gewaltig“

Über Krisen wird allenthalben und allerorten informiert, attackiert und fabuliert. Krisenszenarien werden beredet, beschrieben und gemalt. Bewältigungsstrategien werden erdacht, angepriesen und belacht. Ganze Büchereien sind gefüllt mit seriöser wie populistischer und kassandrischer Literatur. Die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen reichen von fachspezifischen bis interdisziplinären Forschungen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Göttinger Instituts für Demokratieforschung geben seit vier Jahren jeweils ein Jahrbuch heraus, in dem sie einen Querschnitt ihrer Forschungsarbeiten vorlegen. Die Berichte der insgesamt 54 Autorinnen und Autoren werden in die folgenden Kapitel gegliedert: Politische Kultur in der Krise – Bürgerproteste in Deutschland – Demokratie in der Debatte – Niedersachsen wählt – Politische Parteien – Medien. Kultur. Debatte – Ein Blick zurück – Die Republik vor der Wahl. Zu den einzelnen Themenbereichen werden jeweils kurzgehaltene, meist zwei- bis dreiseitige Texte vorgestellt. Sie lesen sich wie eine Bestandsaufnahme der gesellschaftlichen Befindlichkeiten und Imponderabilien, etwa, wenn Franz Walter feststellt: „Wie die Gesellschaft, so die Politik“; Johanna Klatt über die vermeintlich „Alternativlosen“ resümiert; sich Daniela Kallinich über die Tendenzen von gesellschaftlichen „Rechtsrucken“ auslässt; Danny Michelsen über „Populismus als Krisensymptom“ forscht; Jens Gmeiner über das Wirken von Evangelikalen in den USA berichtet; Samuel Salzborn die jüngste Entwicklung in Ungarn analysiert; David Bebnowski über die „Ideologie der Antiideologen“ schreibt; Christoph Schmitz nach den Ursachen über das Ausbleiben von Anti-Überwachungsprotesten fragt; Jöran Klatt die Argumentationsmuster in Bildungsprotesten anschaut; wenn Stine Marg die Frage stellt: „Wünschen sich Bürger mehr Beteiligung?“; Matthias Micus über den Wandel des Berufs des Politikers nachdenkt; Robert Pausch im Kapitel „Niedersachsen wählt“ den Wahlabend der niedersächsischen CDU beobachtet; wenn im Kapitel „Politische Parteien“ Oliver D´Antonio den Wandel der politischen Rolle der FDP analysiert; Adrian Haack die politischen Parteien auf EU-Ebene betrachtet; Maria Sulimma aus Anlass des Frauen(kampf)tages zur Sexismus-Debatte Stellung bezieht; wenn mit dem „Blick zurück“ Franz Walter einen Vergleich von August Bebel und Willy Brandt wagt; oder wenn im Kapitel „Die Republik vor der Wahl“ Saskia Richter über den „Wutbürger“ redet; Julika Förster mit dem Schlagwort „Grüne Glücksphilosophie“ den Wahlkampf der Grünen betrachtet; Julia Kiegeland über die Relevanz des Internets zur Bundestagswahl 2013 forscht; oder wenn Sören Messinger über den Einfluss des Wahlrechts auf den Ausgang der Bundestagswahl informiert. Die ausgewählten, hier nur stichwortartig angedeuteten Forschungsarbeiten und Zwischenberichte aus dem reichen Feld der virtuellen und publizierten Institutsveröffentlichungen zeigen die Bandbreite der im Göttinger Institut für Demokratieforschung (www.demokratie-goettingen.de) geleisteten Aktivitäten [21].

Freiheit, Gleichheit, Toleranz

Fremdenfeindlichkeit, Rassismen und Fundamentalismen nehmen in europäischen Gesellschaften zu, trotz oder wegen der sich immer interdependenter und entgrenzender entwickelnden Welt? Die bundespräsidiale Aussage, dass auch der Islam zu Deutschland (und Europa) gehöre, ist ja bisher über eine schön (oder für Ethnozentristen bedrohlich) klingende Metapher nicht hinaus gekommen. Die Forderung, dass sich der christlich-jüdische Dialog zu einem Trialog mit dem Islam entwickeln müsse, lässt sich zwar in einigen fortschrittlichen Zirkeln diskutieren, aber eine gleichberechtigte, multikulturelle Gesellschaft muss man in Europa noch mit dem Vergrößerungsglas suchen. Dabei zeigen wissenschaftliche Vergleichsanalysen zwischen islamischen, islamistischen und fundamentalistischen Entwicklungen mit denen westlicher Demokratien, dass „auch der Westen ( ) seinen heutigen Zustand von Wohlstand, Modernität und globaler Macht nicht allein Aufklärung, Wissenschaft und Demokratie zu verdanken (hat), sondern ebenso Glaubenskriegen, Revolutionen und kolonialer Ausbeutung“ [22]. Die sich deutlich in unterschiedlichen Ausprägungen darstellenden Krisen der (westlichen, liberalen) Demokratie, die schwierige Suche nach einer europäischen Identität [23], die Fragen nach den richtigen Repräsentationsformen [24], die konkreten Auseinandersetzungen mit Differenzerfahrungen [25], über Herrschaftsverhältnisse [26] und globale Machtentwicklungen [27], verweisen auf lokal- und globalgesellschaftliche Krisen. Der an Universität Erfurt lehrende Politikwissenschaftler Kai Hafez analysiert, wie die Werte - Freiheit, Gleichheit und Toleranz - in demokratisch verfassten Gesellschaften in Deutschland und Europa diskutiert und praktiziert werden. Er verweist auf „Grundwidersprüche zwischen liberalen und demokratischen Reformideen“, indem er in den wissenschaftlichen Theoriebildungen zu den Ansprüchen und Wirklichkeiten islamischer Lebensbezüge im christlich-jüdischen Kulturraum danach sucht, wie sich die Forschungsannahmen und -ergebnisse zum Islam schwerpunktmäßig im westeuropäischen Raum darstellen. Dass er dabei zuvorderst den Blick auf die deutschen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse konzentriert, begründet der Autor jedoch nicht damit, dass etwa Deutschland mit dem Islam ein besonderes Problem habe; vielmehr geht er davon aus, dass "Deutschlands Politik und sein Gesellschaftssystem ( ) vielfach Synthesen insbesondere aus britischen und französischen Modellen gebildet (haben)“. Er formuliert dabei drei Thesen: Die Anerkennung von religiösen Minderheiten ist Teil einer weitergehenden politischen und sozialen Emanzipation westlicher Politik und Gesellschaft. Islamfeindlichkeit und fehlende kulturelle Anerkennung sind nicht Anzeichen des Versagens der „liberalen Demokratie“; ihre Ursachen sind in den Unzulänglichkeiten der Werteordnungen in den europäischen Gesellschaften zu suchen, die Multikulturalität und religiöse Diversität nicht hinreichend akzeptieren. Diese Defizite können nicht allein durch Macht- und Wirtschaftsreformen oder erzieherische Appelle beseitigt werden; vielmehr bedarf es gesellschaftlicher, dialogischer Aktivitäten, um politisches, sozioökonomisches und kulturelles Versagen zu überwinden [28].

Gegen den Tunnelblick

Ist der Mensch in der Lage, sich vor Katastrophen zu schützen? Auf diese Frage haben Analysten, Futuristen und Fatalisten immer wieder unterschiedliche Antworten gegeben. Sie reichen von der Auffassung, dass der Mensch, weil er sich die Erde untertan machen kann und all das, was um ihn ist, was er gebraucht und Haben will, auch besitzen kann [29], bis hin zu Menschheits- und Weltuntergangsszenarien, die auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhen. Damit soll ausgedrückt werden, dass wir uns hier weder mit esoterischen, chaotischen oder fundamentalistischen Weissagen beschäftigen, sondern mit seriösen Überlegungen, die auf anthropologischen, psychologischen, soziologischen, politischen und philosophischen Denkvorgängen beruhen. Es sind Zukunftsvisionen auf wissenschaftlicher, fachlicher Grundlage, die jedoch trotzdem die Risiken und Vorbehalte von Falsch- und Fehleinschätzungen beinhalten [30]. Die Berliner Journalisten, der politische Chefkorrespondent der Nachrichtenagentur Reuters, Andreas Rinke, und der Wissenschaftskorrespondent Christian Schwägerl gehen der Frage nach, ob und unter welchen Bedingungen und Entwicklungen es denkbare Kriege in der nahen Zukunft der Menschheit geben könne. Es werden, so die Autoren, nicht mehr territoriale Kriege sein, um nationale Grenzen zu verschieben, auch nicht ein „Kampf der Kulturen“, sondern um Konflikte, die sich um Klimawandel, Verteilungsgerechtigkeit, Wasser, Migration… drehen [31]. Die Autoren stellen dabei drei Fragen, die sich am Hier, Jetzt und Heute orientieren: „Gibt es mögliche Ursachen für Konflikte, an die heute noch keiner denkt? – Zeichnen sich globale Verschiebungen ab, die so langsam verlaufen, dass sie nicht wahrgenommen werden, die aber gerade deshalb gefährlich sind? – Drohen aus heiterem Himmel sogar Kriege, weil die Regierungen und ihre Apparate sich auf das Falsche konzentrieren oder mit den Krisen der Gegenwart schlicht überfordert sind?“. Weiterhin ist die Frage virulent , wie wir, als aufgeklärte und vernunftbegabte Lebewesen, mit den individuellen und gesellschaftlichen, lokalen und globalen Risiken umgehen [32]. Damit aus den Prognosen weder Märchen-, noch Science-Fiction-Erzählungen oder gar Kassandrarufe werden, bedarf es der realistischen und gleichzeitig optimistischen Einstellungen, dass eine andere, bessere und friedlichere Welt möglich ist, wenn es gelingt, negative Entwicklungen und Politiken frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern [33].

Die Soziologie der globalen Dynamiken

 Die (Eine?) Welt wächst zusammen! Wächst sie zusammen? Die globalen Trends, wie sie von den internationalen Weltkommissionen als Mahnung, Madrigal und Magie in den Weltdiskurs gebracht werden, zeichnen in gleicher Weise die Paradigmen zwischen Konflikt und Kooperation auf. Immer steht dabei die Herausforderung im Mittelpunkt, die lokalen und globalen Entwicklungen human durch einen Perspektivenwechsel zu bewältigen und zu realisieren. Im Mittelpunkt steht dabei die Forderung, durch einen zivilisatorischen und ethischen Bewusstseinswandel ein gutes, gelingendes Leben für alle Menschen auf der Erde zu ermöglichen. Es geht um die Verwirklichung einer neuen, kosmopolitischen Weltordnung, die etwa auf den Paradigmen beruhen könnte, wie sie 1995 die Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ als Auftrag formuliert hat: „Die Menschheit steht vor der Herausforderung umzudenken, sich umzuorientieren und gesellschaftlich umzuorganisieren, kurz: neue Lebensformen zu finden“ [34]. Wie aber kann eine humane Weltgesellschaft entstehen? Der wissenschaftliche Diskurs darüber füllt mittlerweile Bibliotheken. Es ist deshalb hilfreich und nützlich, das Nachdenken darüber und die vorliegenden Konzepte unter soziologischen und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten zu sichten und gewissermaßen eine Bestandsaufnahme darüber vorzunehmen. Veronika Wittmann vom Institut für neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Johannes Kepler Universität in Linz/Österreich unternimmt diesen Versuch. Mit den Begriffsanalysen zu den soziologischen Termini „Gesellschaft“, „Internationale Gesellschaft“, „Globale Gesellschaft“, „Transnationale Gesellschaft“ im Vergleich mit dem Terminus der „Weltgesellschaft“ werden Begriffsbestimmungen und -verwirrungen deutlich, die den wissenschaftlichen Diskurs bestimmen. Die in der Soziologie bisher vernachlässigte Hereinnahme „der weltweiten Referenzebene des Sozialen auch um die Erkenntnis des Zusammenspiels von Global und Lokal“, gilt es zu erkennen und angesichts von Globalisierungs- und Transnationalisierungsprozessen im sozialwissenschaftlichen Diskurs zu etablieren [35].

Fazit

Aus den in vielfältigen individuellen und gesellschaftspolitischen Zusammenhängen, den fachspezifischen wie interdisziplinären Themenbereichen und den moralischen und ethischen Bezügen zur anfangs gestellten Frage, wie die aus der Zeit der europäischen Befreiungskriege entstandene Metapher - „Freiheit, die ich meine“ – das sehnsuchtsvolle Verlangen der Menschen nach Freiheit im aktuellen, wissenschaftlichen Friedens- und Freiheitsdiskurs sich wiederfindet, ergeben sich eine Reihe von Anhaltspunkten und Herausforderungen für ein Bewusstsein, dass jeder Mensch, wo er auch immer lebt, wie er auch immer denkt und handelt, permanent und immanent die Verpflichtung und die Verantwortung mit sich trägt, an der Verwirklichung einer humanen, gerechten und friedlichen Einen Welt mitzuwirken. Dieser Herausforderung gilt es sich in allen Lebenssituationen und –bereichen zu stellen! Autor
Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
E-Mail [1] Otfried Höffe, Aristoteles-Lexikon, Stuttgart 2005, 640 S.; sowie: Deutsche UNESCO-Kommission, Menschenrechte. Internationale Dokumente, Bonn 1981, S. 48ff

[2] Erich Fromm, Die Furcht vor der Freiheit, Frankfurt/M., 1966/1970, 293 S.

[3] Stephan Moebius, Hg., Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies, 2012, zur Rezension

[4] Franz Walter, in: Alexander Hensel / Roland Hiemann / Daniela Kallinich / Robert Lorenz / Katharina Rahlf, Hrsg., Politische Kultur in der Krise, 2014, zur Rezension

[5] Hans Berkessel / Wolfgang Beutel / Hannelore Faulstich-Wieland / Hermann Veith, Hrsg., Jahrbuch Demokratiepädagogik 2013, zur Rezension

[6] Peter Bieri, Eine Art zu leben. Über die Vielfalt menschlicher Würde, 2013, zur Rezension

[7] Kurt Bayertz, Der aufrechte Gang. Eine Geschichte des anthropologischen Denkens, 2013, zur Rezension

[8] siehe dazu z. B.: „Zum 60. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948“, 11.12.2008, zur socialnet Materialie; sowie: „Mauern sind keine Brücken“, 17.9.2013, zur socialnet Materialie

[9] Till Kössler / Alexander J. Schwitanski, Hg., Frieden lernen. Friedenspädagogik und Erziehung im 20. Jahrhundert, 2014, zur Rezension

[10] Ulrike Borchardt / Angelika Dörfler-Dierken / Hartwig Spitzer, Hrsg., Friedensbildung. Das Hamburger interdisziplinäre Modell, 2014, zur Rezension; sowie: Peter Schlotter / Simone Wisotzki, Hrsg., Friedens- und Konfliktforschung, 2011, zur Rezension

[11] Arno Bammé, Homo occidentalis. Von der Anschauung zur Bemächtigung der Welt ; Zäsuren abendländischer Epistemologie, 2011, zur Rezension

[12] Marcus Llanque, Geschichte der politischen Ideen. Von der Antike bis zur Gegenwart, 2012, zur Rezension

[13] Richard Edtbauer / Alexa Köhler-Offierski, Hrsg., Welt- Geld – Gott, 2012, zur Rezension

[14] Ian Morris, Wer regiert die Welt? Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden, 2011, zur Rezension

[15] Ingo Elbe / Sven Ellmers / Jan Eufinger, Hrsg., Anonyme Herrschaft. Zur Struktur moderner Machtverhältnisse, 2012, zur Rezension

[16] Jörg von Norden, Geschichte ist Zeit. Historisches Denken zwischen Kairos und Chronos – theoretisch, pragmatisch, empirisch, 2014, zur Rezension

[17] Ulrich Menzel, Die Ordnung der Welt. Imperium oder Hegemonie in der Hierarchie der Staatenwelt, 2015, zur Rezension

[18] Ulrich Beck, Die Neuvermessung der Ungleichheit unter den Menschen. Soziologische Aufklärung im 21. Jahrhundert, 2008, zur Rezension

[19] Jeremy Rifkin, Die empathische Zivilisation. Wege zu einem globalen Bewusstsein, 2010, zur Rezension; vgl. auch: Martha Craven Nussbaum, Politische Emotionen. Warum Liebe für Gerechtigkeit wichtig ist, 2014, zur Rezension

[20] Hermann Lübbe, Zivilisationsdynamik. Ernüchterter Fortschritt politisch und kulturell, 2014, zur Rezension

[21] Alexander Hensel / Roland Hiemann / Daniela Kallinich / Robert Lorenz / Katharina Rahlf, Hrsg., Politische Kultur in der Krise, 2014, zur Rezension

[22] Kai Hafez, Heiliger Krieg und Demokratie. Radikalität und politischer Wandel im islamisch-westlichen Vergleich, 2009, zur Rezension; sowie: Guido Knopp / Stefan Brauburger / Peter Arens, Der Heilige Krieg. Mohammed, die Kreuzritter und der 11. September, 2011, zur Rezension

[23] Benjamin Drechsel, Hrsg., Bilder von Europa. Innen- und Außenansichten von der Antike bis zur Gegenwart, 2010, zur Rezension

[24] Lars P. Feld / Peter M. Huber / Otmar Jung / Christian Welzel / Fabian Wittreck, Jahrbuch für direkte Demokratie 2010, zur Rezension

[25] Sylke Bartmann / Oliver Immel, Hrsg., Das Vertraute und das Fremde. Differenzerfahrung und Fremdverstehen im Interkulturalitätsdiskurs, 2010, zur Rezension

[26] Ingo Elbe / Sven Ellmers / Jan Eufinger, Hrsg., Anonyme Herrschaft. Zur Struktur moderner Machtverhältnisse, 2012, zur Rezension

[27] Joseph Nye, Macht im 21. Jahrhundert. Politische Strategien für ein neues Zeitalter, 2011, zur Rezension

[28] Kai Hafez, Freiheit, Gleichheit und Intoleranz. Der Islam in der liberalen Gesellschaft Deutschlands und Europas, 2013, zur Rezension

[29] Harald Weinrich, Über das Haben. 33 Ansichten, 2012, zur Rezension

[30] Ernst A. Grandits, Hrsg., 2112 - die Welt in 100 Jahren, 2012, zur Rezension

[31] siehe dazu: Maria Mies, Krieg ohne Grenzen. Die neue Kolonisierung der Welt, 2004, zur Rezension

[32] vgl.: Herfried Münkler / Matthias Bohlender / Sabine Meurer, Hrsg., Sicherheit und Risiko. Über den Umgang mit Gefahr im 21. Jahrhundert. Transcript, 2009, zur Rezension

[33] Andreas Rinke / Christian Schwägerl, 11 drohende Kriege. Künftige Konflikte um Technologien, Rohstoffe, Territorien und Nahrung, zur Rezension

[34] Deutsche UNESCO-Kommission, Unsere kreative Vielfalt. Bericht der Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ (Kurzfassung), 2., erweit. Ausgabe, Bonn 1997, S. 18

[35] Veronika Wittmann, Weltgesellschaft. Rekonstruktion eines wissenschaftlichen Diskurses, 2014, zur Rezension