Demokratiebildung kommt zu kurz - und das in diesen Zeiten
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung offenbart einen deutlichen Mangel an Maßnahmen zur Demokratiebildung an deutschen Schulen. Grundlage für diese alarmierende Erkenntnis: Eine Online-Befragung von mehr als 1200 Lehrerinnen und Lehrern.
In Zeiten, in denen Populisten in Europa bei Wahlen erfolgreich sind, ist das Thema Demokratie wichtiger denn je. Allerdings nimmt das Thema in Schulen nur einen mittleren Stellenwert ein. In einer neuen Online-Befragung des Berliner Instituts für Gesellschaftsforschung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung geben knapp vier Prozent der Lehrkräfte an, dass Demokratiebildung einen hohen Stellenwert in ihrem Schulalltag hat. Für die meisten Lehrkräfte (95 Prozent) ist schulische Demokratiebildung nur von mittlerer Bedeutung.
Aber: Fast Dreiviertel der Lehrkräfte geben an, selbst einen demokratischen Umgang mit ihren Schülerinnen und Schülern zu pflegen und eine Orientierung an Werten wie Respekt, Fairness und Gleichbehandlung zu vermitteln. Dennoch sind die Beteiligungsmöglichkeiten für Schüler noch ausbaufähig. Unterrichtsformate, die Demokratiebildung stützen, werden nur von 1,3 Prozent der Lehrkräfte umfassend eingesetzt. Zum Beispiel die Teilnahme an Schülerparlamenten, Projektwochen
mit Fragen zu Demokratie-Entwicklung oder etwa an einem Demokratietag ist in Schulen eine absolute Ausnahme. Weniger als zehn Prozent der Lehrkräfte geben an, dass ihre Schüler mit solchen Formaten der Demokratiebildung in den letzten zwölf Monaten Erfahrungen gemacht haben. Dazu kommt, dass sich nur rund die Hälfte der Befragten von ihren Schülern in diesem Zeitraum ein systematisches Feedback geben ließ, in dem auch Kritik am Unterricht geübt werden durfte.
Demokratiebildung – kein Thema in der Qualifizierung von Lehrkräften
In der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften sind Inhalte der Demokratiebildung unterrepräsentiert. Nur 16 Prozent der Befragten haben sich im Studium damit intensiv auseinandergesetzt, im Referendariat sinkt der Wert auf 13 Prozent und in der Weiterbildung ist das Thema für 18 Prozent von hoher Relevanz. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, sagt: „Lehrkräfte haben viele Möglichkeiten, jungen Menschen in Schulen Demokratie zu vermitteln. Wir müssen sie dabei unterstützen, sich für diese Aufgabe in Aus- und Weiterbildung die notwendigen Kompetenzen anzueignen. Hier sind die Länder gefragt, um entsprechende Qualifizierungsangebote im Studium, Referendariat und der Lehrerweiterbildung auszubauen. Aber auch zivilgesellschaftliche Akteure können durch Projekte und Programme einen Beitrag leisten. Die Bertelsmann Stiftung hat zum Beispiel mit Experten aus Wissenschaft und Praxis den digitalen Kurs ‘Citizenship Education – Demokratiebildung in Schulen‘ entwickelt und stellt ihn Studierenden kostenlos zur Verfügung.“
Wie Demokratie in Schulen gelebt und vermittelt werden kann, sollte in der Qualifizierung von Lehrkräften einen höheren Stellenwert bekommen. So können sie die erforderlichen Kompetenzen erwerben, um Schülerinnen und Schüler zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, einer reflektierten Urteilsbildung sowie einer verantwortlichen Mitgestaltung des Gemeinwesens zu befähigen. Gute Voraussetzungen sehen die Projektverantwortlichen darin, dass sich die heutige Lehrergeneration in der ganz überwiegenden Mehrheit einer demokratischen Schul- und Unterrichtskultur verpflichtet fühlt.
Für die Studie „Demokratiebildung in Schulen“ wurde im November und Dezember 2017 bundesweit eine Online-Befragung unter Lehrkräften durchgeführt und insgesamt 1.216 Fragebögen ausgewertet.
Quelle: Pressemitteilung der Bertelsmann Stiftung vom 15.11.2018