Die Pflege braucht die eigene Stimme
Der berufspolitische Pflegefachtag an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München (KSFH) verdeutlichte einmal mehr, wie wichtig die Einrichtung einer (bayerischen) Pflegekammer ist. Noch immer wird der Berufsgruppe nicht die politische Partizipation zugestanden, die ihr zusteht bzw. die sie braucht, um sich als Profession behaupten zu können. Und das, obwohl die Bedarfe an Pflegefachpersonal in den nächsten Jahrzehnten akut ansteigen und die Expertise der Pflege in unserer Gesellschaft zwingend gebraucht wird.
Am Mittwoch, 13. Mai 2015, fand an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München der „Berufspolitische Pflegefachtag“ zur Pflegekammer und Pflegeprofession statt. Die Campuskirche als Veranstaltungsort füllte sich bis auf den letzten freien Platz: An dem Fachtag, der federführend von der Studierendenvertretung der KSFH-Abteilung München organisiert wurde, nahmen über 350 Personen teil, darunter auch Schüler von Pflegeschulen und Vertreter anderer Hochschulen. Studierende und Redner widmeten sich dem zentralen und dringlichen Thema der Pflegekammer und den sich daraus ableitenden Fragestellungen. Wie wichtig ist eine Pflegekammer? Welcher Mehrwert, welcher Nutzen entsteht für die Pflege, sobald eine konstante Interessensvertretung in der Politik institutionalisiert werden kann? Prof. Dr. Constanze Giese wies in ihren Begrüßungsworten daraufhin, wie dramatisch es für den Berufsstand sei, dass sich eine Pflegekammer in Bayern bis dato nicht durchsetzen konnte und das obwohl das Bundesland noch vor wenigen Jahren kurz vor deren Einrichtung stand. „Der Pflege steht im wahrsten Sinne das Wasser bis zum Hals – immer mehr Pflegefachkräfte orientieren sich um, da sie mit dem Pflegenotstand und den derzeitigen Arbeitsbedingungen nicht zurechtkommen. Sie beklagen mehrheitlich, dass ein Pflegen nach wissenschaftlichem Standard nicht möglich ist, da die Rahmenbedingungen dafür fehlen. Umso wichtiger, dass wir an dem Thema Pflegekammer dranbleiben – das gilt vor allem auch für die neue Generation, die sich für einen Berufsweg in der Pflege entscheidet.“ Die Dekanin äußerte sich sehr positiv zu der regen Teilnahme und bedankte sich bei den Studierenden der KSFH für ihr hohes Engagement „an wegweisender Stelle.“ Alexandra Kurka-Wöbking vom DBfK Südost (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe), die zum Thema „Pflegekammer aktuell – Chancen oder Bürokratie“ sprach, wies zunächst darauf hin, wie akut sich die Zahlen der Pflegebedürftigen verändern. Bis 2050 sei davon auszugehen, dass sich die Zahl derer, die Pflegemaßnahmen beanspruchen, verdoppelte. „Bereits jetzt ist die fachgerechte Versorgung massiv gefährdet. Steigen die Zahlen wie prognostiziert, erwarten wir einen noch dramatischeren Mangel an Pflegefachpersonal.“ Bisher, so konstatierte sie, erfolge die Anerkennung des Berufsstandes Pflege nicht über dessen Expertise, sondern über die Beziehungsarbeit, die die Pflege leistet: „Die Gesellschaft ist allerdings nicht nur auf unser Herz, sondern vor allem auf unser großes Wissen angewiesen“, betonte Frau Kurka-Wöbking, „wir sind eine Berufsgruppe, die über ganzheitliches, sehr spezialisiertes Wissen verfügt, das wir künftig noch viel stärker brauchen als bisher.“ Leider, so die Rednerin, würde es Pflege bisher nicht zugetraut, ihre Berufspflichten und die -ausübung selbst zu regulieren und auf politischer Ebene gleichwertig – neben anderen Kammern – mitzuentscheiden. Birgit Wershofen (MScN) vom Institut für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin der LMU München verdeutlichte den Zusammenhang zwischen Pflegeforschung und Pflegekammer: „Eine Pflegekammer ermöglicht der Pflegewissenschaft bzw. – forschung mehr Selbstständigkeit, da sie die notwendigen Standards vorgibt. So kann eine Pflegekammer z. B. dafür sorgen, dass der Prüfungsvorsitz künftig bei Pflege-Experten und nicht bei Vertretern benachbarter Wissenschaften liegt; eine Pflegekammer kann auch die Vergabe von Lizenzen und Zertifikaten sehr viel besser regulieren – und insgesamt konkrete Vorgaben zu Fort- und Weiterbildungen machen“, sagte sie. „Dadurch sichern wir langfristig die (akademische) Qualität unserer Arbeit.“ Ann-Kathrin Brennfleck, Pflegemanagement-Studentin an der KSFH und Gesundheits- und Krankenpflegerin, zeigte in ihrem Vortrag „Warum Ihre Stimme wichtig ist“ die berufspolitischen Partizipationsmöglichkeiten in der Pflege auf. Sie verwies auf Gewerkschaften, Berufsverbände, auf die Mitarbeit im Betriebsrat oder in der MA-Vertretung, auf Onlinepetitionen, etc. „Ihre Stimme ist so wichtig, weil bisher in Bayern nur ca. 10 Prozent der beruflich Pflegenden politisch organisiert sind“, erklärte die Studentin, „eine Interessensvertretung kann allerdings immer nur so stark sein wie ihre Mitgliederstruktur.“ In Bayern seien es ungefähr 130.000 Personen, die in der Pflege arbeiten. Hier warf die Studentin, mit Nachdruck, die Frage auf, was erreicht werden könnte, wenn die Interessen künftig stärker gebündelt werden.Quelle: Pressemitteilung der Katholischen Stiftungsfachhochschule München (KSFH) vom 20.05.2015