DIP: Scheitert Reform, kann Altenpflege komplett abgehängt werden
Angesichts der zeitlichen Verzögerungen bei der Verabschiedung des Pflegeberufsgesetzes hat Professor Frank Weidner, Direktor des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (DIP), jetzt eindringlich vor einem Scheitern der Reform gewarnt: „Das Gesetz ist überfällig! Wenn es jetzt nicht kommt, werden ausgerechnet die Altenpflege und die Pflegebedürftigen die großen Verlierer sein!“ Auf dem Gesetzgebungsweg sei der Entwurf ausgerechnet durch Uneinigkeit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ins Stocken geraten. dabei seien Gesundheitsminister, Hermann Gröhe, und der Pflegebeauftragten der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (beide CDU) engagierte Befürworter der Reform seien. Weidner wies darauf hin, dass es heute schon ein starkes Verdienst-, Bildungs- und Anerkennungsgefälle zwischen der Krankenpflege und der Altenpflege in Deutschland gibt. Im Schnitt verdient ein Altenpfleger im Monat bis zu 500 Euro weniger als ein Krankenpfleger. In der Krankenpflege haben inzwischen bis zu zwei Drittel der Schüler Abitur, in der Altenpflege ist das hingegen nur noch gut jeder Zehnte, mit abnehmender Tendenz. In Europa ist nur die Krankenpflege als Fachberuf anerkannt, die Altenpflegeausbildung zählt bei den europäischen Nachbarländern nichts. „Jeder muss wissen, dass bei einem Scheitern der Reform die Gefahr wächst, dass die Altenpflege komplett abgehängt wird. Das wird erheblichen Folgen für die Beschäftigten, für die Gewinnung von beruflichem Nachwuchs und auch für die Pflegebedürftigen haben!“, mahnt Weidner. Mit dem Pflegeberufsgesetz will die Bundesregierung an den bekannten Defiziten ansetzen. Die Ausbildung solle endlich, wie es weltweiter Standard ist, berufsfeldbreit aufgestellt und zukunftsfähig modernisiert werden. Das erhöhe für Pflegefachkräfte die Flexibilität am Arbeitsmarkt erheblich, gleiche die Vergütungsniveaus auf Dauer an und mache den Beruf dadurch attraktiver. „Es ist mir absolut unverständlich, dass im Bundestag ausgerechnet die CSU-Landesgruppe und Teile der CDU ganz offensichtlich bereit sind, die eigene Reform gegen die Wand zu fahren. Wie kann man denn auf ein Weiter-so setzen, obwohl die derzeitigen Pflegeausbildungen den galoppierenden Fachkraftmangel nicht verhindern konnten?“, schimpft Weidner. Weider verweist darauf, dass Die von den Skeptikern der Pflegebildungsreform vorgebrachten Argumente hält Weidner nicht für unwichtig, aber in den kommenden Jahren für bewältigbar. Dabei geht es im Kern um Finanzfragen und organisatorische Herausforderungen etwa bei der Umsetzung der zukünftigen praktischen Pflegeausbildung. Kein Verständnis hat Weidner indes für das Gezeter der Reformgegner, man würde mit der Pflegereform Hauptschüler von der zukünftigen Fachausbildung ausschließen. „Ein Hauptschüler, der die „mittlere Reife“ schafft, kann auch zukünftig Pflegefachkraft werden!“, sagt der Pflegewissenschaftler, „aber wir müssen auch an die Qualität der Versorgung in der Pflege denken und die wird immer anspruchsvoller und komplizierter. Diese Pflege kann halt doch nicht jeder“, ergänzt Weidner. Ferner weist er darauf hin, dass die meisten Bundesländer in den Startlöchern stehen, mit der Pflegebildungsreform auch neue, passende Pflegeassistenzberufe zu schaffen, in denen auch geringer Qualifizierte Zugänge zum Pflegearbeitsmarkt haben werden. Der Gesetzgeber sehe jetzt schon lange Übergangsfristen beim Pflegeberufsgesetz vor und es gebe überall eine große Bereitschaft, Durchlässigkeit und Übergänge zwischen den Bildungsgängen zu schaffen. „Bei einem Scheitern des Gesetzentwurfes ist allerdings davon auszugehen, dass es in den nächsten Jahren keine weitere durchgreifende Pflegebildungsreform geben wird. Das muss jeder wissen, der dem Pflegeberufsgesetz jetzt seine Stimme verweigern will“, betont Weidner. Nach seiner Auffassung bleibt der grundsätzliche Reformbedarf bestehen und vergrößert sich täglich.Quelle: Pressemitteilung des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung (DIP) vom 13. September 2016