Energie-Entlastungspakete: Für wen sind sie wirklich entlastend?
Die beiden von der Bundesregierung angekündigten Entlastungspakete kompensieren bei typischen Erwerbstätigen-Haushalten zu einem beträchtlichen Teil die Mehrausgaben durch höhere Energiekosten. Gleichwohl bleibt bei etlichen Haushalten eine spürbare Lücke. Das IMK hat die Auswirkungen für verschiedene Haushaltskonstellationen durchgerechnet.
Die Entlastungen sind insofern sozial ausgewogen, als dass insbesondere bei Haushalten mit geringen und mittleren Einkommen und speziell bei Familien ein besonders hoher Anteil der Mehrausgaben für Energie ausgeglichen wird. So summieren sich die Entlastungen bei einer Familie mit zwei erwerbstätigen Erwachsenen, zwei Kindern und einem unterdurchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 2000-2600 Euro auf rund 90 Prozent der zusätzlichen Belastungen. Bei einer vergleichbaren Familie mit einem mittleren Einkommen von 3600 bis 5000 Euro netto sind es 77 Prozent. Spürbar niedriger fällt die Entlastung bei Familien aus, in denen nur ein Elternteil erwerbstätig ist: Sie liegt bei einer vierköpfigen Familie mit 2600-3600 Euro Nettoeinkommen bei 59 Prozent. Bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern und einem mittleren Einkommen für diesen Haushaltstyp von 2000-2600 Euro sind es 70 Prozent. Bei alleinlebenden Erwerbstägigen mit niedrigen Nettoeinkommen von bis zu 900 Euro werden die Mehrbelastungen durch teurere Energie zu rund 76 Prozent ausgeglichen, bei jenen mit hohen Einkommen von mehr als 5000 Euro zu 44 Prozent. Eine Lücke gibt es bei Rentnerinnen und Rentnern, bei denen nur ein geringer Teil der energiepreisbedingten Mehrausgaben nun staatlich ausgeglichen wird. Das zeigen neue Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.*
Entlastungspakete gegen steigende Inflation und steigende Energiepreise
Die Inflation in Deutschland ist zuletzt auf ein 40-Jahreshoch gestiegen. Dabei sind vor allem Energiepreise ein massiver Treiber, die im März um fast 40 Prozent im Jahresvergleich zulegten. Zudem ist keine schnelle Entspannung zu erwarten: Das IMK rechnet in seiner jüngsten Prognose für 2022 im Jahresschnitt mit einer Inflationsrate von 6,2 Prozent. Daher droht vielen Privathaushalten ein schmerzhafter Kaufkraftverlust.
Die Bundesregierung hat als Reaktion darauf innerhalb weniger Wochen zwei Entlastungspakete mit einem Gesamtvolumen von etwa 30 Milliarden Euro vorgelegt. Die Pakete beinhalten eine Erhöhung der Steuerfreibeträge, die Auszahlung einer Energiepreispauschale für Erwerbstätige sowie eines Familienzuschusses für Eltern mit Kindern ebenso wie eine vorübergehende Absenkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe.
Das IMK hat nun für eine Reihe von typischen Privathaushalten die zusätzliche Belastung durch die hohen Energiepreise sowie die Entlastungen aus den Entlastungspaketen berechnet. Dabei wurde die Belastung errechnet, indem die haushaltsspezifischen Ausgaben für verschiedene Kategorien, also die für unterschiedliche Haushaltstypen repräsentativen Warenkörbe, aus der amtlichen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2018 fortgeschrieben wurden und für 2022 die Belastung durch jene Preissteigerung, die oberhalb der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent lag, für die verschiedenen Haushaltstypen errechnet wurde. Zugrunde gelegt ist dabei die IMK-Prognose für die Energiepreiskomponente der Verbraucherpreise, wie sie am 23.3.2022 veröffentlicht wurde.
Den Belastungen gegenüber gestellt wurden die Entlastungen aus den beiden Paketen der Bundesregierung. Diese bestehen aus Änderungen am Einkommensteuerrecht (wie der Erhöhung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags), den Entlastungen bei Energiepreisen (durch Abschaffung der EEG-Umlage sowie die vorübergehende Senkung von Energiesteuern auf Kraftstoffe), der vorübergehenden Verbilligung von ÖPNV-Tickets sowie Direktzahlungen wie Energiepreispauschale und Familienzuschuss.
Berechnungen nur für Haushalte mit erwerbstätigen Erwachsenen
Bei den untersuchten Haushaltstypen konzentrierten sich die IMK-Forscherinnen und Forscher auf Haushalte mit erwerbstätigen Erwachsenen. Dabei wurden sowohl alleinlebende Personen als auch Alleinerziehende und Paare mit zwei Kindern berücksichtigt, jeweils mit verschiedenen Einkommen. Zum Vergleich wurde auch ein Rentnerhaushalt betrachtet. Haushalte, die Grundsicherungsleistungen oder Arbeitslosengeld beziehen, wurden in der Analyse ausgeklammert.
Der größte Teil der Entlastungen ergibt sich laut den IMK-Berechnungen aus Änderungen des Einkommensteuerrechts sowie aus Energiepreispauschale und Familienzuschuss. „Haushalte mit geringen Einkommen profitieren dabei vor allem von den Pauschalzahlungen aus dem zweiten Paket, Haushalte mit hohen Einkommen vor allem von den Erhöhungen von Freibeträgen und Pauschalen im Steuerrecht“, erklärt Prof. Dr. Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK. „Im Ergebnis werden so die Erwerbstätigen mit niedrigen und hohen Einkommen in absoluten Euro-Beträgen in ähnlichem Umfang entlastet.“ Da allerdings der gleiche Euro-Betrag bei Haushalten mit hohen Einkommen einen geringeren Teil der Einkommen und der üblichen Ausgaben nach dem haushaltsspezifischen Warenkorb ausmache, deckten deshalb die Entlastungen für die Geringverdiener einen größeren Anteil der Zusatzbelastungen ab.
Rentner:innen profitieren weniger
Haushalte von Rentnerinnen und Rentnern werden dagegen von den Paketen nur in geringem Maße entlastet. Zwar profitiert diese Bevölkerungsgruppe auch von der Abschaffung der EEG-Umlage und den vorübergehend gesenkten Kraftstoffpreisen. Da diese Entlastungen in Euro gerechnet für typische Haushalte aber wesentlich geringer sind als die Entlastungen durch Pauschalzahlungen und Einkommensteueränderungen, fallen die Entlastungen relativ zu den Mehrausgaben durch die hohe Inflation relativ gering aus. Die Tatsache, dass die Energiepreispauschale nur an Erwerbstätige ausgezahlt wird, erklärt auch, warum Paare mit nur einer / einem Erwerbstätigen bei gleichem gemeinsamem Einkommen weniger stark entlastet werden als Zweiverdienerpaare.
„Hier sollte die Regierung noch einmal überlegen, ob nicht etwa bei Rentnerinnen und Rentnern noch einmal nachgelegt werden muss“, so Sebastian Dullien. „Zwar dürften die Renten im laufenden Jahr kräftig steigen, dies gleicht aber nicht die gestiegenen Preise aus.“ Auch müsse man mit beachten, dass die Renten im vergangenen Jahr nicht gestiegen seien.
„Außerdem sollte ein stärkerer Fokus auf Maßnahmen zum Energiesparen gelegt werden. Auch wäre es sinnvoll, die Subventionierung der Kraftstoffe über eine entsprechende Abgabe bei wieder niedrigeren Ölpreisen zu finanzieren. Das würde nicht nur verteilungspolitischen Bedenken gerecht, sondern würde auch verhindern, dass Energiepreisschocks in Zukunft in gleichem Maße auf die Inflation durchschlagen“, so der Wissenschaftler. Dabei führen die Forscher in der Studie die von der Internationalen Energieagentur vorgeschlagenen Maßnahmen, wie ein regelmäßiger autofreier Sonntag, eine Stärkung des Homeoffice und eine Reduzierung des Tempolimits auf Autobahnen auf. Dies würde „für die Haushalte und gesamtgesellschaftlich eine Ersparnis bringen und über den verringerten Verbrauch dämpfend auf die Kraftstoffpreise und den Klimawandel wirken“.
Quelle: Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 11.04.2022