Für die Zukunft Brücken bauen - Neue Wege zum Ausstieg aus der Prostitution

24.11.2015 | Soziale Arbeit | Nachrichten

Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter sind mit Stigmatisierung und Ausgrenzung konfrontiert, die ihnen den Ausstieg aus der Prostitution erschweren. Viele sind zudem gesundheitlich, psychisch und wirtschaftlich stark belastet. Dies zeigen die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung des Bundesmodellprojekts zur Unterstützung des Ausstiegs aus der Prostitution, das heute (01.10.2015) mit einer großen Fachtagung "Für die Zukunft Brücken bauen" in Berlin abschließt. Damit der Ausstieg aus der Prostitution gelingen kann braucht es eine individuelle Förderung und Unterstützung der Prostituierten einerseits und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Fachberatungsstellen, Bildungsträgern sowie Jobcentern andererseits. "Die Arbeit an den drei Modellstandorten zeigt eindrucksvoll: Individuelle Förderung und gezielte Unterstützung sind Erfolgsfaktoren für eine gelingende Umorientierung und für den Ausstieg aus der Prostitution", sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Elke Ferner. "Wir wissen jetzt: Bei der beruflichen und persönlichen Neuorientierung ist mindestens jede 10. Sexarbeiterin bzw. jeder 10. Sexarbeiter auf spezifische Beratung angewiesen. Diese muss Brücken bauen zu den Angeboten der Arbeitsförderung, des Gesundheitswesens und der Jobcenter." Im Projektverlauf haben 362 Prostituierte Angebote der drei Modellprojekte in Anspruch genommen. Fast alle brauchten intensive Beratung auf dem Weg in den Ausstieg, bei über einem Drittel betrug die Beratungsdauer mehr als ein Jahr. Zum Ende der Modellphase waren 105 Personen in Weiterbildung, 36 in Ausbildung oder Studium, und 68 Personen hatten eine Erwerbsarbeit außerhalb der Sexarbeit aufgenommen. Für ein Gelingen des Ausstiegs war jede zweite Klientin auf Leistungen der Jobcenter angewiesen. Ein Leistungsbezug nach SGB II oder SGB III stellt somit für viele eine wichtige Voraussetzung für einen Ausstieg dar. Die Zugänge zur Beratung zu verbessern, ist auch ein wichtiges Ziel des Prostituiertenschutzgesetzes, das gegenwärtig innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird. "Wir wollen, dass Frauen und Männer in der Prostitution ihre Rechte kennen, denn nur so können wir sie in der Wahrnehmung ihrer Rechte stärken. Wir wollen, dass Informationen über vorhandene Hilfs- und Unterstützungsangebote alle Prostituierten erreichen und eine verlässliche gesundheitliche Beratung gesetzlich verankern. Dies kann nur funktionieren, wenn passgenaue und niedrigschwellige Angebote vorhanden sind. Länder und Kommunen sind nun gefordert, die gewonnenen Erkenntnisse vor Ort in die Praxis umzusetzen und ein entsprechendes Beratungsangebot sicherzustellen", betonte Elke Ferner. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das fünf Jahre dauernde Bundesmodellprojekt finanziell unterstützt. Zur Erprobung der Ziele des Modellprojektes waren drei selbständige Teilprojekte von der ländlichen Region bis zur Metropole an den Standorten Nürnberg (Projekt OPERA), Freiburg/Kehl (Projekt P.I.N.K) und Berlin (Projekt DIWA) ausgewählt worden. Im Verlauf des Modellprojektes konnten systematische und verlässliche Kooperationsformen zwischen den Projektträgern und relevanten Partnern vor Ort wie Aus- und Weiterbildungsträgern, Arbeitgebern, ARGEn und sonstigen Behörden aufgebaut werden. Die wissenschaftliche Begleitung des gesamten Forschungsprojektes erfolgte durch SPI Forschungs gGmbH Berlin und Sozialwissenschaftliche Frauenforschungsinstitut Freiburg Soffi F. "Unsere wichtigsten Erkenntnisse betreffen die Lebensrealität von Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern", so Prof. Dr. Barbara Kavemann von SoFFI F, "denn Stigmatisierung und Ausgrenzung sind ursächlich dafür, dass Prostitution als eine eigene Welt, getrennt von der normalen bzw. bürgerlichen Welt, wahrgenommen wird. Ein Wechsel von der einen in die andere Welt gestaltet sich schwierig und ist häufig mit neuen Belastungen verknüpft. Daher werden zielgruppenspezifische Angebote zur Beratung und Unterstützung benötigt, die Prostituierte erreichen können und ihnen gegenüber wertschätzend und akzeptierend arbeiten." Im Rahmen der heute (01.10.2015) beginnenden zweitägigen Fachtagung werden Erkenntnisse zu Lebens- und Arbeitsbedingungen von Prostituierten und zu den Unterstützungsfaktoren beim Ausstieg in für Deutschland neuer und einmaliger Qualität vorgestellt, und es werden wichtige Konsequenzen für die Praxis und politische Entscheidungen diskutiert. Für den Aufbau und die fachpolitische Weiterentwicklung von Angeboten durch Länder, Kommunen und Regionen liegen konkrete Handlungsempfehlungen vor. Die Kurzfassung der Studie finden Sie unter: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/Publikationen/publikationsliste,did=219864.html

Quelle: Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 01.10.2015