Generalistische Pflegeausbildung verschärft Fachkräftemangel und gefährdet Altenpflegeberuf

27.08.2013 | Altenhilfe | Nachrichten

Bündnis für Altenpflege im Dialog mit den Bundestagsabgeordneten der Fraktionen

Ein Teil des Bundestages hatte sich in der auslaufenden Legislaturperiode für die Zusammenlegung der Pflegeausbildungen Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege ausgesprochen. Das seit März bestehende „Bündnis für Altenpflege“ befürchtet bei der Umsetzung das Ende des Altenpflegeberufes und erhebliche Folgen für die Zukunft der professionellen Pflege von älteren Menschen. Um diese Gefahr abzuwenden und die nötigen Argumente in die zukünftige Bundespolitik zu transportieren, hat das Bündnis dieses Anliegen aktuell mit den zuständigen Bundestagsabgeordneten der SPD, der Grünen sowie der CDU/CSU erörtert. Die Abgeordneten zeigten sich überrascht über die Breite und Größe des Bündnisses. Für sie war es ein schlagkräftiges Argument, dass sich weit über die Hälfte der Pflegeeinrichtungen in Deutschland sowie der Berufsverband der Altenpflege und die Altenpflegeschulen zusammengeschlossen haben. Neben der Arbeiterwohlfahrt, dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Teilen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und dem VDAB sind weitere Verbände beteiligt  oder unterstützen, wie der Verband der Kommunalen Pflegeeinrichtungen, das Bündnis. Den Sprecher des Bündnisses stellt der Verband der Leitungskräfte von Alten- und Behinderteneinrichtungen (DVLAB). Bei dem Treffen informierte das „Bündnis für Altenpflege“ über die Auswirkungen sowie die internationalen Erfahrungen mit der Generalistik und die Argumente zur Beibehaltung der bisherigen Altenpflegeausbildung. Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, wies darauf hin, dass sie bei ihren vielfältigen Kontakten und Gesprächen mit Pflegekräften festgestellt habe, dass die Informationen um die generalistische Ausbildung bei den Pflegekräften vor Ort oft fehlen und deren Folgen in der Praxis kaum diskutiert würden. Scharfenberg weiter: „Ich bin froh, dass sich die Praxis auch über dieses Bündnis artikuliert. Wir haben in der grünen Bundestagsfraktion und auch in der AG Gesundheit sehr lange über dieses Thema gesprochen und gemerkt, dass die Auswirkungen beim Zusammenlegen der bisherigen drei Pflegeberufe zu einem kaum abzuschätzen sind. Nach vielen Diskussionen haben wir einen Fraktionsbeschluss gegen die Vorschläge zur generalistischen Ausbildung in der vorliegenden Form getroffen. Mit einer integrativen Ausbildung könnten wir dagegen leben.“ „Die Abschaffung des spezialisierten Berufs Altenpflege würde weder den Pflegeberuf attraktiver machen noch die Versorgung der pflegebedürftigen Menschen verbessern und auch nicht den schon jetzt vorherrschenden Fachkräftemangel beseitigen“, sagte bpa-Geschäftsführer Bernd Tews. Die Pflegewissenschaftlerin Prof. Dr. Martina Hasseler berichtete über die internationalen Erfahrungen mit der generalistischen Pflegeausbildung. „Es ist festzustellen, dass sich bei einer generalistischen Pflegeausbildung der Fachkraftmangel in der Altenpflege eher verstärkt.“ Auch Willi Zylajew, pflegepolitischer Sprecher der CDU-CSU-Fraktion, sieht durchaus Vorteile in der Beibehaltung der bisherigen Berufsabschlüsse. „Wichtig ist, klar zu stellen, dass wir gerade in der Altenpflege mehr ausbilden könnten. Nur  für ca. 70 % der Ausbildungswilligen, die eigentlich in die Altenpflege gehen wollen, wird seitens der Länder auch ein Schulplatz gestellt.“ Auch Dr. Anja Ludwig von der Arbeiter-Wohlfahrt (AWO) plädiert für den Erhalt der bisherigen Ausbildung und warnt: „Mit der generalistischen Ausbildung fallen wir hinter das bisher Erreichte zurück. Das jüngste Berufsbild der Pflege, entstanden, um den Bedarfen der speziellen Pflege von älteren Menschen gerecht zu werden und die nötigen besonderen Kompetenzen in der Theorie und der Praxis zu vermitteln, darf nicht zugunsten einer allgemeineren Ausbildung weichen.“ Auch Dr. Birgit Hoppe, Arbeitskreis Ausbildungsstätten für Altenpflege (AAA), ist überzeugt: „Mit der generalistischen Ausbildung wird diese erheblich teurer und aufwendiger werden.“ Das generalistische Modell sei nicht ohne qualitative und inhaltliche Verluste möglich. „Wenn man die Belange in der Altenpflege, die ja ganz andere sind als in der Krankenpflege, im neuen Berufsbild erhalten will, wird man in der Kranken- und Kinderkrankenpflege Abstriche machen müssen und umgekehrt.“ Petra Crone, MdB, SPD, setzt dagegen auf die Attraktivitätssteigerung der Pflegeausbildung durch die Zusammenlegung der Berufe, auch sie setzt sich für die Beseitigung bestehender Ausbildungsbarrieren in der Altenpflege ein und weist darauf hin, dass einige Länder sich aus der Verantwortung ziehen und die Auszubildenden noch Schulgeld bezahlen müssen. Thomas Knieling vom VDAB unterstützt die Argumentation. „Die Einrichtungen müssen eine Motivation haben, Ausbildungsplätze zu stellen.“ Jörg Rehmann vom Deutschen Berufsverband für Altenpflege (DBVA) und Altenpfleger: „Wir fürchten, dass es bei der generalistischen Pflegeausbildung zu einem Verlust der Kompetenzen für alle kommt. Deshalb halten wir die qualifizierte Weiterentwicklung der bisherigen Ausbildung für vernünftig und für die finanzierbarere Variante.“ Erwin Rüddel, MdB, CDU/CSU, hat für sich noch keine abschließende Entscheidung für oder gegen die generalistische Ausbildung getroffen. Er erhofft sich vom Einsatz technischer Assistenzsysteme eine Entlastung des Pflegepersonals und damit eine längere Verweildauer im Pflegeberuf.  Abschließend stellt bpa-Geschäftsführer Bernd Tews klar: „Die Antwort auf die Herausforderung des demografischen Wandels ist die Sicherstellung der Versorgung durch fachkompetente Altenpflege! Dieser wichtige und sinnvolle Beruf darf nicht abgeschafft, sondern muss weiterentwickelt werden. Wir glauben nicht, dass weniger mehr ist und wir auf die spezielle Ausbildung in der Altenpflege, um die wir international inzwischen beneidet werden, verzichten können.“  Das Bündnis für Altenpflege (www.bündnis-für-altenpflege.de) repräsentiert schon heute über die Hälfte aller Pflegeeinrichtungen. Beteiligt sind:
  • Arbeitskreis Ausbildungsstätten Altenpflege
  • Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt 
  • Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. 
  • Deutsche Akademie für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e.V. 
  • Deutscher Berufsverband für Altenpflege e.V. 
  • Deutsche Expertengruppe Demenz 
  • Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie -psychotherapie e.V. 
  • Deutscher Verband der Leitungskräfte von Alten- und Behinderteneinrichtungen e.V. 
  • Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V.

Quelle: Gemeinsame Presseerklärung vom 02.08.2013