Gewalt gegen Rettungskräfte: Forscher plädieren für mehr Prävention
Kriminologen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben 2017 Rettungskräfte in NRW zu ihren Gewalterfahrungen befragt. Der Abschlussbericht zu der Studie wurde jetzt vorgestellt. Der Studie zufolge wurden 92 Prozent der Rettungskräfte wie Notärzte, Notfallsanitäter und Rettungsassistenten im zurückliegenden Jahr im Dienst angepöbelt, 26 Prozent wurden Opfer körperlicher Übergriffe. Die Forscher plädieren dafür, die Rettungskräfte in Aus- und Fortbildung besser auf kritische Konfliktsituationen vorzubereiten. Prof. Dr. Thomas Feltes und Marvin Weigert vom Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft der RUB hatten 4.500 Rettungskräfte aus NRW befragt.
„Wir unterscheiden in der Befragung zwischen verbaler Gewalt, nonverbaler Gewalt – also Gesten wie einen Vogel oder den Mittelfinger zeigen – und körperlicher Gewalt", erläutert Marvin Weigert, der für die Auswertung der Befragung zuständig war. Es zeigte sich, dass Einsatzkräfte im Rettungsdienst wie Notärzte, Notfallsanitäter und Rettungsassistenten ein größeres Risiko haben, Opfer solcher Übergriffe zu werden als Einsatzkräfte im Brandeinsatz.
26 Prozent der Kräfte im Rettungseinsatz gaben an, in den zwölf Monaten vor der Befragung Opfer körperlicher Gewalt geworden zu sein. 92 Prozent wurden Opfer verbaler Gewalt, und 75 Prozent berichteten von einem nonverbalen Übergriff. Von den Einsatzkräften im Brandeinsatz berichteten nur zwei Prozent von körperlichen Übergriffen, 36 Prozent von verbalen und 29 Prozent von nonverbalen Übergriffen. Ein Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Einsatzkräften konnte nicht festgestellt werden.
Gewalttätige Ereignisse eher seltenes Ereignis
Insgesamt beteiligten sich nur 18 Prozent der Befragten an der Studie. „Wir hätten uns eine höhere Beteiligung gewünscht, vor allem auch, weil das Thema in den Medien so intensiv diskutiert wird", sagt Thomas Feltes. „Über die Gründe für die niedrige Rücklaufquote können wir nur spekulieren. Möglicherweise betrifft das Problem doch weniger Rettungskräfte als gedacht."
Bei der Interpretation der Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Rettungskräfte pro Jahr mehrere Hundert Einsätze absolvieren. Damit sind gewalttätige Übergriffe nach wie vor ein eher seltenes Ereignis.
Zentrale Ergebnisse der Studie
Nachts und in Großstädten sind Rettungseinsätze am gefährlichsten. Über 60 Prozent aller Fälle ereigneten sich nachts. In Städten über 500.000 Einwohnern kam es doppelt so häufig zu Übergriffen auf Rettungskräfte wie in Städten zwischen 100.000 und 500.000 Einwohnern. Besonders betroffen waren zudem Innenstädte. Die Täter sind in der Hälfte der berichteten Fälle zwischen 20 und 40 Jahre alt und in der Regel männlich (rund 90 Prozent). Sie entstammen überwiegend dem unmittelbaren Umfeld der Hilfesuchenden. In 55 Prozent der Fälle körperlicher Gewalt war der Täter erkennbar alkoholisiert.
Etwa 80 Prozent der von verbaler und nonverbaler Gewalt betroffenen Einsatzkräfte meldeten den letzten Übergriff auf ihre Person nicht. Die meisten begründeten das damit, dass die Situationen für sie Bagatellcharakter hatten und sich an der Situation nichts ändern würde, wenn sie den Vorfall meldeten. Einsatzkräfte, die Opfer körperlicher Gewalt geworden waren, meldeten den Übergriff in 70 Prozent der Fälle. Die Hälfte aller betroffenen Einsatzkräfte gab an, dass der Meldeweg nicht eindeutig beschrieben sei.
Aus- und Fortbildung gewünscht
Obwohl die Einsatzkräfte insgesamt zufrieden mit ihrer Ausbildung waren, wünschten sie sich, intensiver auf eskalierende Einsatzsituationen vorbereitet zu werden und gewaltpräventive Maßnahmen zu erlernen. Sie wünschten sich insbesondere Fortbildungen zu Deeskalationstechniken und körperschonenden Abwehrtechniken. „Die Gewaltprävention muss angemessen in Aus- und Fortbildung aufgenommen werden, um wirksam werden zu können", so Thomas Feltes. „Außerdem müssen die Einsatzkräfte sensibilisiert werden, Übergriffe jeglicher Art zu melden. Nur auf dieser Datenbasis können sinnvolle Präventionsmaßnahmen angeboten und ihr Erfolg evaluiert werden."
Die Studie wurde unterstützt vom Ministerium des Innern sowie vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, der Unfallkasse NRW und der Komba-Gewerkschaft NRW.
Quelle: Presseinformation der Universität Bochum vom 26. Januar 2018