Grundsicherung vor dem Sozialgericht Detmold erstritten

 

Kim-Lea Glaub, ihre Mutter und die Lebenshilfe klagten gemeinsam vor dem Sozialgericht Detmold und erstritten die Grundsicherung für die junge Frau mit Down-Syndrom, die gerade im im Berufsbildungsbereich der Herforder Lebenshilfe-Werkstätten lernt. 

Wie die Bundesvereinigung Lebenshilfe mitteilte, verurteilte das Sozialgericht Detmold die Stadt Herford dazu, der jungen Frau mit Behinderung die seit einem Jahr verweigerten Leistungen der Grundsicherung auszuzahlen (Urteil vom 14. August 2018, Aktenzeichen: S 2 SO 15/18). „Wir sind sehr froh über diese Entscheidung", sagt die Mutter. „Was uns aber weiter ärgert, ist, dass wir überhaupt klagen mussten. Die Haushaltskassen sind voll und die Steuergelder sprudeln. Warum versucht man dann trotzdem, an den Schwächsten der Gesellschaft zu sparen? Auch wissen wir noch nicht, ob die Stadt Berufung einlegen wird."

Die Auszahlung der Grundsicherung wurde verwehrt, obwohl Kim-Lea Glaub seit ihrem 18. Geburtstag wegen ihrer Erwerbsminderung eigentlich Anspruch darauf hätte, so die Lebenshilfe. Und wie ihr erginge es Tausenden, vor allem erwachsenen Menschen mit Behinderung. Hintergrund dafür sei die Neufassung eines Paragrafen im Sozialgesetzbuch*. Dagegen hatte Familie Glaub mit Unterstützung der Lebenshilfe vor dem Sozialgericht Detmold geklagt.

Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales verstehe die neue Vorschrift so, dass die dauerhafte und volle Erwerbsminderung von Beschäftigten in der Werkstatt für behinderte Menschen erst nach Ende des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne. Bis dahin sei eine Entwicklung denkbar, die den Wechsel auf den ersten Arbeitsmarkt ermögliche. Für die Lebenshilfe ist diese Rechtsauslegung völlig weltfremd. Erfahrungsgemäß schaffen es nur wenige Werkstattbeschäftigte auf den ersten Arbeitsmarkt. „Nach dem Detmolder Urteil muss die Bundesregierung endlich handeln", so Bundesvorsitzende Ulla Schmidt, MdB und Bundesministerin a.D. Der Landesvorsitzende der Lebenshilfe NRW, Uwe Schummer, MdB, fügt hinzu: „Das Urteil ist ein guter Schritt, die Arbeit behinderter Menschen in den Werkstätten stärker anzuerkennen. Es freut mich für die Familie Glaub, dass sie Recht bekommen hat, zumindest in erster Instanz. Nun bleibt es abzuwarten, wie die örtlichen Sozialbehörden mit dem Urteil umgehen werden." Auch die Lebenshilfe Herford hatte mit ihrem Sozialen Dienst die Klägerin in ihrem Anliegen unterstützt.

Das Sozialgericht Detmold bestätigte die Auffassung der Lebenshilfe. Da Kim-Lea Glaub die Voraussetzungen für den Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung erfüllt hat, „ist bei der Klägerin ohne weitere Prüfung von einer vollen Erwerbsminderung auszugehen". Zitiert wird in einer Presserklärung weiter aus dem Urteil: „In dieser Phase geht es vielmehr darum, wie und wo der Proband einen seinen Funktionseinschränkungen und seinen Interessen gerecht werdenden Platz in der Werkstatt für behinderte Menschen finden kann oder ob er vielleicht sogar so sehr eingeschränkt ist, dass auch dieses nicht möglich ist."

"Unsägliche Problematik" lösen

Ulla Schmidt: „Es gibt mehrere Urteile, die eine klare Sprache sprechen. Wie lange sollen die Menschen mit Behinderung noch auf ihr Geld warten?" Die Lebenshilfe fordert das Bundessozialministerium auf, alsbald seine Rechtsauffassung an die eindeutige Rechtsauffassung der Gerichte anzupassen. Außerdem soll der Deutsche Bundestag das Gesetz so ändern, dass künftig voll und vorübergehend erwerbsgeminderte Menschen gleichermaßen Anspruch auf Grundsicherung erhalten. Hiermit würde diese unsägliche Problematik dauerhaft auch für Menschen mit vorübergehenden psychischen Erkrankungen gelöst werden.

Andere Sozialgerichte haben bereits in gleicher Weise entschieden wie die Detmolder Richter, darunter schon in zweiter Instanz das Landessozialgericht Hessen. 

*Paragraf 45 Satz 3 Nr. 3 im Sozialgesetzbuch XII


Quelle: Pressemeldung der Bundesvereinigung Lebenshilfe vom 28. August 2018