Hartz-IV-Deckungslücke bei Strom wächst erheblich

Empfängerinnen und Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld bekommen zu wenig Geld für Strom. Dass die Lücke zwischen Bedarf und Pauschale noch größer ist, als bisherige Berechnungen vermuten lassen, betont nun das Projekt „NRW bekämpft Energiearmut" der Verbraucherzentrale NRW. Die Verbraucherschützer fordern eine stärkere Orientierung der Sätze am tatsächlichen Bedarf der betroffenen Gruppen.

„Schon bei durchschnittlichem Energieverbrauch und Durchschnittspreisen reicht die aktuelle Pauschale nur selten", erklärt Projektleiterin Stephanie Kosbab. Dies sei im Prinzip bekannt. „Menschen mit wenig Geld brauchen aber nicht automatisch wenig Strom – im Gegenteil: Gerade von ihnen verbrauchen manche schon deshalb relativ viel, weil sie zum Beispiel alte, ineffiziente Geräte nicht ersetzen können." Das zeigen umfangreiche Auswertungen der Projektarbeit. Das Projekt hat seit Ende 2012 mehr als 5.200 Haushalte beraten. Nach den dabei gemachten Erfahrungen liegen die bereinigten Mittelwerte der Verbräuche deutlich über denen des allgemeinen deutschlandweiten Stromspiegels. „Setzt man realistische Stromverbräuche an statt den allgemeinen Durchschnitt, wächst die monatliche Deckungslücke erheblich. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind und Durchlauferhitzer beträgt sie dann zum Beispiel nicht mehr rund 22 Euro – was auch schon viel ist –, sondern mehr als 50 Euro", berichtet Kosbab. Eingepreist sei in beiden Zahlen bereits die Erfahrung, dass die meisten beratenen Haushalte Strom aus der teuren Grundversorgung bezögen. Ein eigenständiger Wechsel in günstigere Tarife übersteige in manchen Fällen die Planungskompetenzen der Betroffenen und sei etwa mit nachteiligen Schufa-Einträgen auch nicht immer ohne weiteres möglich. „Die eigenen Einflussmöglichkeiten vieler Betroffener sind sowohl beim Preis als auch beim Stromverbrauch eng begrenzt.

Bei den Pauschalen nachjustieren

Die Verbraucherzentrale NRW plädiert dafür, künftig bedarfsgerechtere Pauschalen anhand mittelpreisiger Grundversorgungstarife und der Durchschnittsverbräuche gemäß Stromspiegel zu kalkulieren. „Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung", so Kosbab. Damit könne man langfristigen Verschuldungen bei Energieversorgern mit Sperren und Zusatzkosten vorbeugen.

Hintergrund

Derzeit sind von 416 Euro, die ein alleinstehender Leistungsempfänger erhält, 35,05 Euro für Stromkosten vorgesehen. Bei elektrischer Warmwasserbereitung werden 9,57 Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Je nach zugrunde gelegten Stromkosten und -verbräuchen liegt die monatliche Unterdeckung bei einem Einpersonenhaushalt zwischen 8 Euro und 32 Euro. Bei Alleinerziehenden mit einem Kind sind es bis zu 52 Euro. Details zu den hier zitierten Berechnungen gibt es in einem Hintergrundpapier unter www.verbraucherzentrale.nrw/hartz-4-strom. Zum Projekt: Das Projekt „NRW bekämpft Energiearmut" berät Menschen mit Zahlungsprobleme bei der Energierechnung und drohenden oder vollzogenen Energiesperren. Finanziert wird es durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen und die örtlichen Energieversorgungsunternehmen in Aachen, Alsdorf, Bielefeld, Bochum, Dortmund, Duisburg, Gelsenkirchen/Bottrop, Köln, Krefeld, Mönchengladbach, Velbert, Witten und Wuppertal. Kooperationspartner sind die Caritas mit ihrem Stromsparcheck und die Energieberatung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).


Quelle: Presseinformation der Verbraucherzentrale NRW vom 13. Juni 2018