"Hatespeech darf nicht folgenlos bleiben" - Kooperation erleichtert Meldung strafbarer Hasspostings
Mehr Strafanzeigen, mehr Strafverfolgung: Das ist das Ziel einer Kooperationsvereinbarung, die heute Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza, der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport Boris Pistorius und der Direktor der Niedersächsischen Landesmedienanstalt Christian Krebs in Hannover unterschrieben haben.
Durch die Kooperationsvereinbarung soll es insbesondere niedersächsischen Medienunternehmen erleichtert werden, strafbare Hasspostings zu melden. Zu diesem Zweck hat die Staatsanwaltschaft Göttingen - Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet - eine Internetplattform eingerichtet, über die Hasskriminalität auf den Internetpräsenzen niedersächsischer Medienunternehmen zur Anzeige gebracht werden kann. Das gilt etwa für Kommentarspalten auf Nachrichtenseiten, aber auch für die Präsenzen in Sozialen Medien.
Justizministerin Havliza: „Hasspostings werden oft gelöscht. Wer aber strafbar hetzt und pestet, der soll auch die Konsequenzen spüren. Der soll merken, dass ein schnell getippter Satz im Netz vor Gericht ein Monatsgehalt und mehr kosten kann. Deshalb schaffen wir die Möglichkeit, mit geringem Aufwand Strafanzeigen bei der Staatsanwaltschaft Göttingen zu erstatten. Mit der neuen Kooperationsvereinbarung haben wir eine gute Grundlage, die gezielte Strafverfolgung leichter zu ermöglichen. Die Botschaft muss sein: Hatespeech bleibt nicht folgenlos."
Geht eine Anzeige über die Internetplattform ein, prüft die Staatsanwaltschaft Göttingen das Vorliegen eines strafrechtlichen Anfangsverdachts. Anschließend sendet sie den Vorgang ggf. an das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen.
Innenminister Pistorius: „Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung, entschlossen und mit allen Mitteln des Rechtsstaates gegen Hatespeech im Internet und gerade in den sozialen Netzwerken vorzugehen. Deshalb bauen wir die im Landeskriminalamt Niedersachsen eingerichtete Zentralstelle zur polizeilichen Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet jetzt deutlich weiter aus und stärken den polizeilichen Staatsschutz. Die Polizei wird die Medien- und Verlagshäuser und die Justiz tatkräftig mit den notwendigen polizeilichen Ermittlungen unterstützen. Wir setzen mit dieser Kooperation ein weiteres wichtiges und notwendiges Zeichen gegen Hasskriminalität. Hass, Hetze und Extremismus jeglicher Coleur haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und keine Berechtigung."
Die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) nimmt nach der Kooperationsvereinbarung im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit insbesondere für kleinere Medienunternehmen eine Filterfunktion wahr. Sie prüft den Sachverhalt auf eine mögliche strafrechtliche Relevanz und bringt diesen ggf. zur Anzeige. Die NLM prüft ferner im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Internetpräsenzen niedersächsischer Medienunternehmen auf strafrechtlich relevante Inhalte der Hasskriminalität und bringt diese ggf. zur Anzeige.
Christian Krebs, Direktor der NLM: „Urheber von Hasskommentaren agieren oftmals anonym im Internet - mit verheerenden Folgen. Viele Menschen haben Angst, beleidigt und bedroht zu werden, wenn sie ihre Meinung im Internet frei äußern und verzichten vielleicht sogar darauf, etwas zu posten. Deswegen zeigen wir klare Kante gegen Hass im Netz. Medienunternehmen können sich in Verdachtsfällen an die NLM wenden. Wir prüfen Inhalte auf ihre strafrechtliche Relevanz und erstatten ggf. Anzeige. Es soll deutlich werden, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist.
Im Übrigen enthält die Kooperationsvereinbarung weitere Abreden: Das LKA bzw. die zuständigen Polizeidienststellen unterstützen - soweit erforderlich - die NLM bei der Ermittlung der Urheber einschlägiger Postings im Rahmen von Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Ferner weitet die Staatsanwaltschaft Göttingen ihr Fortbildungsprogramm zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Hinblick auf die Kooperationspartner, deren nachgeordnete Behörden und Medienhäuser aus.
Weitere Medien- und Verlagshäuser haben künftig die Möglichkeit, der Kooperationsvereinbarung beizutreten. Bereits in den vergangenen Tagen wurden niedersächsische Verlags- und Medienhäuser angeschrieben, um ihnen die Zugriffsrechte für die Internetplattform der StA Göttingen einzuräumen. Die Plattform steht künftig auch Beratungsstellen und NGOs zur Verfügung.
Die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet (ZHIN) bei der Staatsanwaltschaft Göttingen hat vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen. Seitdem wurden dort insgesamt 220 Ermittlungsverfahren geführt. Ein Großteil davon betraf Verfahren, in denen explizit Amts- und Mandatsträger Opfer von Hasskriminalität im Internet waren. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Verfahren, die rassistische und/oder antisemitische Äußerungen zum Gegenstand haben.
Generalstaatsanwalt Detlev Rust von der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig: „Der Erfolg bei der Verfolgung von Hass und Hetze hängt wesentlich davon ab, dass die Strafverfolgungsbehörden schnell und umfassend Kenntnis von den Tatvorwürfen erhalten. Mit der heute geschlossenen Kooperation wird ein einfacher und aufwandsarmer Weg geschaffen, auf dem Medienunternehmen Hasskommentare den Strafverfolgungsbehörden melden können. Die Zusammenarbeit von Medien und Justiz wird damit zum Schutz der Opfer professionalisiert und beschleunigt. Durch diese Verknüpfung kann die schon bisher sehr gute Arbeit der Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet noch effektiver und damit erfolgreicher gestaltet werden."
Das LKA Niedersachsen hat bereits in der Vergangenheit eine „Zentralstelle zur Bekämpfung von Hass im Internet" (ZBHI) in der Abteilung „Polizeilicher Staatsschutz" eingerichtet. Sie dient der Unterstützung der örtlichen Polizeidienststellen und zugleich der Optimierung der Wahrnehmung der eigenen Aufgaben des LKA Niedersachsen als Zentralstelle. In Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt gewährleistet die ZBHI die Koordinierung und Zuweisung der das Bundesland Niedersachsen betreffenden Fälle. In herausgehobenen Einzelfällen wird die Bearbeitung der Ermittlungsverfahren von der ZBHI übernommen.
LKA-Präsident Friedo de Vries: „Die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung hat eine wichtige Signalwirkung für die intensivere Zusammenarbeit zwischen den zunehmend von Hasskriminalität betroffenen Medienhäusern und den Strafverfolgungsbehörden. Es geht um schnelles Handeln bei der oft schwierigen Abgrenzung von Meinungsfreiheit zu strafbaren Äußerungen. Gleichzeitig wird durch die Unterzeichnung dieser Vereinbarung erneut verdeutlicht, dass die niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden konsequent gegen die insbesondere im Internet und den sozialen Medien ausufernde Hasskriminalität vorgehen und hierfür auch neue Wege beschreiten."
Quelle: Pressemitteilung des Nds. Justizministeriums vom 02.07.2021