Haushaltsgesetz 2017: Etat für Arbeit und Soziales im Bundestag beraten
Fast 140 Milliarden Euro umfasst der geplante Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales und nimmt damit wie in den vergangenen Jahren den größte Posten des Bundeshaushaltes ein. Gegenüber dem Jahr 2016 plant das Ministerium 8,72 Milliarden Euro mehr ein. Es gehe darum, Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern und Flüchtlinge zu integrieren. Behinderte sollen überall selbstbestimmt teilhaben. Das stellte Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles in der ersten Lesungsdebatte des Deutschen Bundestags zum Bundeshaushalt 2017 heraus und legte Zahlen vor.
Das Soziale sei eine wesentliche Kernaufgabe, betonte sie. So profitieren Langzeitarbeitslose nicht von der guten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Ihre Zahl stagniere seit Jahren bei rund einer Million. Von Langzeitarbeitslosigkeit sind besonders Geringqualifizierte, ältere Menschen, Alleinerziehende und Behinderte betroffen. Der Bund verstärke daher seine Anstrengungen, um diese Menschen in Arbeit zu bringen. verspricht Nahles.
Auch die Integration von anerkannten Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt brauche Zeit. Daher veranschlage der Bund bis 2020 Mehrausgaben für die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Insgesamt ist eine Steigerung der Leistungen der Grundsicherung auf 37,25 Milliarden Euro vorgesehen. Davon entfallen 22,2 Milliarden Euro auf das Arbeitslosengeld II (Hartz IV) und 5,85 Milliarden Euro auf die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung. Je 4,59 Milliarden Euro sind für Eingliederungsleistungen in Arbeit und Verwaltungsausgaben in der Grundsicherung eingerechnet. 1,9 Milliarden Euro für die aktive Eingliederung von Flüchtlingen in Arbeit.
Mit dem Programm zum „Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit" sollen Langzeitarbeitslose ohne Berufsabschluss unterstützt werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wie 2016 stehen 160 Millionen Euro für das Bundesprogramm zur Verfügung. Der Ansatz für das Programm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt" konnte verdoppelt werden, so Nahles. Damit stehen weitere 150 Millionen Euro für die öffentliche Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen mit Kindern Verfügung.
Nahles Haushalt schenkt auch den Möglichkeiten zum Erlernen der deutschen Sprache für geflüchtete Menschen besondere Aufmerksamkeit. Es sei enorm wichtig, damit sie schnell einer Arbeit nachgehen können. Deshalb werden für berufsbezogene Sprachkurse knapp 410 Millionen Euro bereitgestellt. Für die im Integrationsgesetz vorgesehenen 100.000 Arbeitsgelegenheiten für Asylbewerber würden weitere 300 Millionen Euro für vorgesehen. Auch wenn zunächst Mehrkosten entstehen, werden sich diese auszahlen, so Nahles. Nur wenn die zugewanderten Menschen selbst arbeiten, zahlen sie in die Sozialkassen ein und entlasten somit unser Sozialsystem.
Das Programm Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) gelte seit August und werde umgesetzt, so Nahles. Das neue Arbeitsmarktprogramm ermögliche Flüchtlingen, schon während des Asylverfahrens in Kontakt mit der deutschen Arbeitswelt zu kommen. Dafür sollen jährlich 100.000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten für Flüchtlinge entstehen. Die Zeit, bis über ihre Anerkennung entschieden ist, wird somit sinnvoll genutzt.
Nahles kündigte ebenso an, in wenigen Wochen ein Gesamtkonzept Alterssicherung vorzulegen. Es gehe darum, die gesetzliche Rente als tragende Säule des Rentensystems zu stabilisieren. Sie arbeite außerdem zusammen mit dem Finanzminister an der Rentenangleichung in Ost- und Westdeutschland. Ziel seien gleiche Renten in Ost und West in 2020. Die Leistungen des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung sind der größte Ausgabenblock im Etat des Arbeits- und Sozialministeriums. Sie steigen um rund 4,46 Milliarden auf rund 91,17 Milliarden Euro.
Für die Beteiligung an den Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind 7,17 Milliarden Euro eingeplant (2016: 6,5 Milliarden Euro). Seit 2014 übernimmt der Bund für die Kommunen die Leistungen für die Grundsicherung im Alter und die Erwerbsminderung vollständig. Beim geplanten Gesamtkonzept Alterssicherung dürften die Erwerbsgeminderten nicht vergessen werden. Sie seien am meisten von Altersarmut betroffen, mahnte die Ministerin.
Im Bundeshaushalt 2017 sind erstmals rund 158 Millionen Euro für Leistungen nach dem Bundesteilhabegesetz vorgesehen. Bis 2020 steigen die Ausgaben auf 693 Millionen Euro an. Der Bund trägt rund 85 Prozent der mit diesem Gesetz verbundenen Ausgaben. Mit dem Bundesteilhabegesetz werde ein neues Kapitel in der Behindertenpolitik aufgeschlagen, kommentiert Nahles. Menschen mit Behinderungen sollen ein selbstbestimmtes Leben in der Mitte der Gesellschaft führen können. Dafür würden sie zukünftig mehr Unterstützung erhalten.
Dafür sollen die Eingliederungshilfe reformiert, Freibeträge für Erwerbseinkommen und Vermögen erhöht werden. Menschen mit Behinderungen sollen leichter auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Arbeitgeber können nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes durch ein "Budget für Arbeit" unterstützt werden, wenn sie Menschen mit wesentlicher Behinderung einstellen.
Die Debatte
Während die Bundesministerin aus den Reihen der Regierungskoalition weitgehend Zustimmung erhielt, nutzten Verteterinnen und Vertreter der Opposition die Debatte dazu, Andrea Nahles Inkonsequenz und fehlende Nachhaltigkeit im Angehen der gesetzten Schwerpunkt-Probleme und Herausforderungen, vorzuwerfen. Es reicht nicht, was Sie da gemacht haben, urteilte Ekin Deligöz, Mitglied Haushaltsausschuss Bündnis 90/Die Grünen. „Schauen wir uns einmal an, wie es bei den Jobcentern aussieht. Die Ausgaben bleiben immer noch strukturell gedeckelt. Die Anpassung für die Flüchtlinge macht das nicht wett. Vielmehr verschlingen die Verwaltungskosten immer mehr Mittel aus den Eingliederungsmaßnahmen. Für das Jahr 2015 reden wir da über 600 Millionen Euro. Gleichzeitig müssen die Jobcenter eine GMA von 100 Millionen Euro zusätzlich erbringen. Das kann doch nicht richtig sein, wenn es darum geht, Langzeitarbeitslosigkeit in diesem Land offensiv zu bekämpfen." Sie forderte Investionen in Eingliederungsmaßnahmen und Schaffung von Modellen für die Menschen wie den Passiv-Aktiv-Transfer. Das würde nicht nur bedeuten, dass die Hilfe bei den Menschen ankommt, sondern das würde auch Bewegung auf diesen Markt bringen. Das wäre konsequent", so Deligöz. Scharf kritisierte die Sprecherin für Behindertenpolitik im Bündnis 90/Die Grünen, Corinna Rüffer, das geplante Bundesteilhabegesetz. An die Adresse der Bundesministerin sagte sie, Sie haben kein Teilhabegesetz, sondern ein Spargesetz gemacht. Menschen mit Behinderung befürchten im ganzen Land, dass in Zukunft weniger Anspruch auf Leistungen haben werden aufgrund von fünf Kritierien für den Hilfebedarf. Der Sturm gegen dieses Gesetz sei berechtigt und werde ihrer Ansicht noch zunehmen. Den Gesetzentwurf gelte es an ganz vielen Stellen zu verbessern, das gebe es jedoch nicht umsonst, sagte Rüffer mit Blick auf die Haushaltsberatungen. Einig waren sich Bündnis 90/die Grünen und die SPD in der Einschätzung, dass bei dem geplanten Alterssicherungskonzept signifikante Unterschiede in der Einkommenssituation älterer Menschen in Ost und West zu berücksichtigen sind. Auf die Forderung von Frau Nahles eingehend, heißt deshalb "gleiche Renten in Ost und West" auch, besondere Bedingungen der Ostrentner zu berücksichtigen, mahnte Gesine Lötsch, Haushaltsausschuss Die Linke an. Nach Angaben von Ewald Schurer, Mitglied des SPD-Haushaltsausschusses, speisen sich Alterseinkommen in ganz Deutschland zu 64 Prozent aus gesetzlicher Rente und 21 Prozent aus anderen Quellen, in ostdeutschen Ländern beziehen Rentnerinnen und Rentner dagegen rund 90 Prozent ihrer Alterseinkünfte ausschließlich über gesetzliche Leistungen. In den Debatten, so war zu spüren, bahnt sich ein heißer (Wahlkampf-) Herbst um Themen wie Armut, Altersarmut und soziale Gerechtigkeit an. Entscheidungen haben sich einmal mehr daran zu messen, wie Sozialpolitik ankommt. Sie dürfe nicht an der realen Situation der Menschen vorbeiführen, so Klaus Ernst, stellvertretender Fraktionsvorstizender Die Linke, damit „sich nicht von uns abwenden". Sie darf zugleich, nicht die aktuellen sozailen Herausforderungen gegeneinander ausspielen, so SPD-Schnurer. Das sei mit dem vorgelegten Entwurf gelungen.Nach der ersten Lesung des Haushaltsgesetzes und Schlussdebatte wurde der Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes 2017 und der Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 zur weiteren Beratung an den Haushaltsausschuss überwiesen. Die Rede der Bundesministerin für Arbeit und Soziales vor dem Bundestag unter www.bmas.de/DE/Presse/Reden/Andrea-Nahles/2016/rede-2016-09-08.html
Quelle: RSS-Newsfeed des BMAS am 8. September 2016/ Bundesregierung informiert am 12. September 2016/weitere Quellen/Ines Nowack