Im Streit um Chefarztkündigung einer katholischen Klinik wegen zweiter Heirat ist nun Gerichtshof der EU gefragt

Darf die Kirche nach Unionsrecht bei einem an Arbeitnehmer in leitender Stellung gerichteten Verlangen nach loyalem und aufrichtigem Verhalten unterscheiden dürfen zwischen Arbeitnehmern, die der Kirche angehören, und solchen, die einer anderen oder keiner Kirche angehören?  Nun wendet sich der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts an den Gerichtshof der Europäischen Union um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2, ABl. EG Nr. L 303 S. 16) zu ersuchen. Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen einer Trägerin mehrerer Krankenhäuser, die institutionell mit der römisch-katholischen Kirche verbunden ist, wie das Bundesarbeitsgericht mitteilte. Der katholische Kläger war danach bei ihr seit dem Jahr 2000 als Chefarzt beschäftigt. Den Dienstvertrag schlossen die Parteien unter Zugrundelegung der vom Erzbischof von Köln erlassenen Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse vom 23. September 1993 (GrO 1993). Nach deren Artikel 5 Absatz 2 handelte es sich beim Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe um einen schwerwiegenden Loyalitätsverstoß, der eine Kündigung rechtfertigen konnte. Die Weiterbeschäftigung war grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Loyalitätsverstoß von einem leitenden Mitarbeiter begangen wurde (Art. 5 Abs. 3 GrO 1993). Zu diesen zählen nach kirchlichem Recht auch Chefärzte. Der Kläger heiratete nach der Scheidung von seiner ersten Ehefrau im Jahr 2008 ein zweites Mal standesamtlich. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. März 2009 ordentlich zum 30. September 2009. Hiergegen hatte sich der Kläger mit der vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt. Er hat gemeint, seine erneute Eheschließung vermöge die Kündigung nicht zu rechtfertigen. Bei evangelischen Chefärzten bleibe eine Wiederheirat nach der GrO 1993 ohne arbeitsrechtliche Folgen. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Das die Revision der Beklagten zurückweisende Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2011 - 2 AZR 543/10 - hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 22. Oktober 2014 - 2 BvR 661/12 - aufgehoben und die Sache an das Bundesarbeitsgericht zurückverwiesen.  Das Revisionsverfahren wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über das Vorabentscheidungsersuchen ausgesetzt. Der genaue Wortlaut der Fragen kann unter www.bundesarbeitsgericht.de unter dem Menüpunkt „Sitzungsergebnisse“ eingesehen werden. Infos auch unter Urteil des 2. Senats vom 8.9.2011 - 2 AZR 543/10 - Pressemitteilung Nr. 39/16

Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes vom 28. Juli 2016