Ist das Bildungs- und Teilhabepaket gescheitert?
Paritätischer und Kinderschutzbund üben Kritik und fordern Rechtsanspruch auf Angebote der Jugendarbeit im Kinder- und Jugendhilfegesetz
„Harte Worte finden der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband für das Bildungs- und Teilhabepaket. Fünf Jahre nach seiner Einführung sei das Bildungs- und Teilhabepakte als gescheitert anzusehen, kritisieren sie. In Höhe und Form seien Leistungen unzureichend und nicht geeignet, Bildung und Teilhabe für benachteiligte Kinder und Jugendliche zu ermöglichen. Die Verbände fordern eine Totalreform im Sinne der Kinder und meinen eine völlige Neuorganisation der Förderleistungen. „Das Bildungs- und Teilhabepaket ist bürokratischer Murks und geht an der Lebensrealität Heranwachsender ebenso vorbei wie an den Strukturen vor Ort“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Mit der Verortung in der Arbeitsgrundsicherung beziehungsweise Sozialhilfe habe der Gesetzgeber einen grundsätzlich falschen Weg eingeschlagen. „Junge Menschen sind keine kleinen Arbeitslosen. Jugendhilfe gehört ins Jugendamt und nicht ins Jobcenter“, so Schneider. Notwendig sei ein einklagbarer Rechtsanspruch auf Angebote der Jugendarbeit im Kinder- und Jugendhilfegesetz. Für Kinder im Hartz IV-Bezug und in anderen Haushalten mit niedrigen Einkommen sei zudem die Kostenfreiheit der Maßnahmen zu garantieren. Praktiker aus beiden Verbänden weisen darauf hin, dass das Bildungs- und Teilhabepaket bei einem großen Teil der Anspruchsberechtigten nicht ankomme. Mike Menke, Pädagogischer Koordinator am Kinder-Kiez-Zentrum in Berlin, kritisiert insbesondere den massiven bürokratischen Aufwand, der hohe Hürden für die Inanspruchnahme statt Teilhabe für alle schaffe. Karl Sasserath vom Arbeitslosenzentrum Mönchengladbach unterstreicht, dass die standardisierten Leistungen den vielfältigen Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien nicht gerecht werden und berichtet sogar von Diskriminierungserfahrungen der Betroffenen. Die Kinderarmut in Deutschland sei anhaltend hoch, rund 2,7 Millionen Kinder seien derzeit auf staatliche Leistungen angewiesen. „Sie wachsen in Armut auf, mit erheblichen Auswirkungen auf ihre Lebenschancen. Daran hat auch das Bildungs- und Teilhabepaket nichts geändert“, kritisiert Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, „im Gegenteil: Das Bildungs- und Teilhabepaket stigmatisiert Kinder, weil es sie immer wieder dazu zwingt, sich in Schule und Freizeit als arm zu outen." Zweiter Zwischenbericht thematisiert bürokratische Hürden (Redaktion sozial) Im Juli 2015 legte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Zweiten Zwischenbericht zur Evaluation über das Bildungs- und Teilhabepaket vor. Beauftragt wurde damit das Soziologische Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) und Partner. Im Zentrum des Evalutationsinteresses stehen die Fragen, welche Zusammenhänge und Faktoren die Inanspruchnahme der Leistungen für Bildung und Teilhabe beeinflussen und ob und wie die Leistungen bei den Leistungsberechtigten ankommen. Ein umfassendes Gesamtbild zur Inanspruchnahme und Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) könne man erst mit dem Endbericht in 2016 machen, heißt es. Nach Ergebnissen des Zwischenberichtes stieg 2013 gegenüber dem Vorjahr sowohl die Kenntnis als auch die Inanspruchnahme der Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets. Insgesamt zeige der Bericht, ist auf den Internetseiten des Bundesministeriums nachzulesen, dass die kommunale Umsetzungspraxis sehr heterogen und vielfältig ist. Es ist auch von bürokratischen Hürden die Rede. Es heißt dort: „Gemeinsames Ziel von Bund, Länder und Kommunen sollte es sein, diese - wo möglich - zu senken. Kein berechtigtes Kind, Jugendlicher oder junger Erwachsener soll wegen bürokratischer Hürden davon abgehalten werden, einen Antrag auf Bildungs- und Teilhabeleistungen zu stellen." Mehr Informationen zum Zweiten Zwischenbericht zur Evaluation über das Bildungs- und Teilhabepaket Mehr Informationen zum Bildungs- und TeilhabepaketQuelle: Gemeinsame Pressemeldung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes und Deutschen Kinderschutzbundes vom 7. April 2016/Internetseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Stand: 20. April 2016