Junge zugewanderte Menschen vor riesigen Herausforderungen
Die Auswirkungen der Corona Pandemie auf junge Menschen mit Migrationsbiografie war Thema der Jahrestagung der evangelischen Jugendmigrationsdienste (JMD) Ende September in Weimar. Jugendmigrationsdienste sind wichtige Anlauf- und Beratungsstellen für junge Migrant*innen. Sie sind unverzichtbarer Bestandteil des Integrationssystems. In der existenzsichernden und psychosozialen Beratung haben die Mitarbeitenden in den JMD miterlebt, wie viele Biografien während der Pandemie deutliche Brüche erfahren haben. Gemeinsam wollten sie Wege finden, junge Migrant*innen gut bei der Bewältigung der Krise zu unterstützen.
Annett Roswora, Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge des Landes Thüringen, betonte in ihrem Grußwort zur JMD Jahrestagung die Bedeutung der Zuwanderung von Familien und jungen Menschen besonders für die östlichen Bundesländer. Es werde deshalb viel dafür getan, jungen eingewanderten Menschen den Erwerb grundständiger Bildung zu ermöglichen – auch über das 16. Lebensjahr hinaus. Wie wichtig dabei die Rolle der JMD sei, zeige das entsprechende Hintergrundpapier aus der Arbeit der evangelischen Jugendmigrationsdienste zu den Pandemiefolgen.
Hiermit hatte sich die Bundesarbeitsgemeinschaft für evangelische Jugendsozialarbeit im Zuge der Bundestagswahl zu Wort gemeldet und Auswirkungen in den Bereichen Wohnen, Sprachförderung, berufliche Integration und psychosoziale Belastungen beschrieben.
Den besonderen Handlungsbedarf im Bereich schulische Bildung machten als Experten Stefan Hofherr vom Deutschen Jugendinstitut und Prof. Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung deutlich: Hofherr stellte heraus, dass die Strukturen des Schulsystems junge Migrant*innen diskriminieren und zeigte auf, dass es bis heute keine wissenschaftlich abgesicherten Modelle für die Integration von Quereinsteiger*innen gibt, die über keine oder nur geringe Deutschsprachkenntnisse verfügten.
Große Lernlücken prognostizierte Helbig besonders für Kinder und Jugendliche aus Familien mit geringen ökonomischen, zeitlichen und kulturellen Ressourcen und Familien, in denen zu Hause kein Deutsch gesprochen werde. So seien Stadtteile mit hohem ALGII Bezug und Migrationsanteil überdurchschnittlich von Quarantänemaßnahmen betroffen gewesen und damit gerade Schüler*innen, die besonders viel Unterstützung benötigten. Unzureichende IT-Kompetenzen, aber ebenso geringe Breitbandabdeckung in ländlichen Regionen kämen verstärkend hinzu.
Endgültige Antworten zu geben sei aber, so Helbig weiter, aktuell schwer. Belastbare Studienergebnisse zu entstandenen Lernlücken würden erst im Herbst 2022 vorliegen. Die bildungspolitischen Entscheidungen für angepasste Schulkonzeptemüssen aber jetzt getroffen werden. Denn eines sei klar: zu erwarten, dass versäumte Lerninhalte in der normalen Schulzeit nachgeholt werden könnten, sei unrealistisch!
Auch aus diesem Grund forderten die JMD-Fachkräfte am Ende der Tagung für die Zielgruppe der jungen Migrant*innen ein Schulrecht bis zum 27. Lebensjahr sowie Schulkonzepte und Lerninhalte, die auf die Bedarfslagen dieser jungen Menschen angepasst sind.
Quelle: Pressemitteilung der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V. vom 13.10.2021