Kinderspiel in digitalen Lebenswelten - Interdisziplinäre Fachtagung diskutierte
Wie ändert sich das Kinderspiel in digitalen Lebenswelten? Diese Frage stand im Fokus der 13. Interdisziplinären Fachtagung, zu der mehr als 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) gekommen waren. Expertinnen und Expertn aus Forschung und Praxis diskutierten fachübergreifend das Thema „Kinderspiel in digitalen Lebenswelten". Seit dreizehn Jahren initiiert die BLM nun schon gemeinsam mit dem JFF – Institut für Medienpädagogik den interdisziplinären Diskurs über das Heranwachsen in mediatisierten Lebenswelten.
In der digitalen Lebenswelt eröffnen sich neue Gestaltungsmöglichkeiten und Bildungspotenziale für das Kinderspiel. Es sind aber auch viele Herausforderungen damit verbunden, zum Beispiel mit Blick auf sogenannte Smart Toys und Datenschutz. BLM-Präsident Siegfried Schneider betonte die generelle Bedeutung des Spielens für Kinder: „Spielen ist auch eine wichtige Dimension sozialen Handelns." Neben den vielfältigen Potenzialen digitaler Spielmedien müsse aber auch der Datenschutz angemessen berücksichtigt werden. Ministerialdirigent Stefan John, Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration (StMAS), verwies auf die Selbstverständlichkeit, mit der Kinder digitale Medien heute nutzen und unterstrich die Bedeutung der frühen Förderung von Medienkompetenz. Sein Ministerium hatte die Tagung gefördert .Prof. Dr. Frank Fischer, Vorsitzender des JFF, hob die Notwendigkeit hervor, die Digitalisierung aktiv durch gute medienpädagogische Konzepte zu gestalten. Das bloße Bereitstellen von Technik reiche nicht aus, so Fischer.
Konzepte in der Kita unterstützen
Mobile Medien sind fester Bestandteil des Familienalltags, jedoch seien sich Eltern ihrer Vorbildrolle oft nicht bewusst, berichtete Kathrin Demmler, Direktorin des JFF. Zusammen mit Gisela Schubert gab sie exklusive Einblicke in erste Ergebnisse der neuen JFF-Studie „Mobile Medien in der Familie II". Medienerziehung in Kindertageseinrichtungen sei unabhängig vom Träger. Entscheidend sei die Haltung der Leitung. Unterstützt werden müsse aber die Entwicklung von kind- und zukunftsorientierten Konzepten in der Kita, lautete eine der Schlussfolgerungen aus der Studie.
Analog und digital - wo sind Unterschiede?
Und wie unterscheidet sich das Spielen im analogen und digitalen Raum? „Bestenfalls wird das digitale Spiel genutzt, um den analogen Raum zu reflektieren oder zu verändern", erklärte die Kulturwissenschaftlerin Prof. Dr. Judith Ackermann, die den Wandel des Kinderspiels aus der kulturwissenschaftlichen Perspektive betrachtete. Welchen Einfluss die Raumqualität des Wohnumfeldes auf die Möglichkeiten des freien Spiels von Kindern hat, erläuterte Prof. Dr. Peter Höfflin von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg. Je schlechter die Aktionsraumqualität im Wohnumfeld sei, desto weniger Möglichkeit zum freien Spiel hätten Kinder in diesem Wohnumfeld, so Höfflin. Dabei identifizierte er aus Sicht der empirischen Sozialforschung vier Qualitätskriterien von Aktionsräumen für Kinder: Gefahrlosigkeit, Zugänglichkeit, Gestaltbarkeit und Interaktionschancen.
Diskutiert wurde anschließend, ob diese Kriterien auch auf digitale Spielräume angewendet werden können. Digitale Spielwelten seien leicht zugänglich, man könne die Gefahren – anders als auf einem realen Spielplatz – allerdings nicht leicht erkennen. Dies verunsichere Eltern wie auch Fachkräfte, warnte Verena Weigand, Bereichsleiterin Medienkompetenz und Jugendschutz der BLM. Sie sieht hier vor allem die Anbieter in der Pflicht, offenzulegen, was mit den Daten der Kinder passiert. Auch die Interaktionschancen mit smarten Spielzeugen würden mitunter unrealistisch beworben, merkte Dr. Niels Brüggen, Leiter der Abteilung Forschung des JFF, an: „Wenn es um die Interaktion mit anderen Kindern geht, gibt es in Deutschland wenige digitale Erprobungs- und Spielräume, da es wegen der dafür notwendigen Moderation schwierig ist, eine Finanzierung zu sichern."
Gutes digitales Spielzeug
Was zeichnet ein gutes digitales Spielzeug aus? Laut Dr. Claudia Lampert vom Hans-Bredow-Institut ist die Qualität des Spielens das entscheidende Kriterium. Ziel sei es, dass die Kinder das Spielzeug fantasievoll in ihr Spiel einbeziehen können. Außerdem müsse die Schwelle der Gestaltung niedrig sein, ergänzte Prof. Dr. Yasmin Kafai. Sie erforscht und entwickelt an der University of Pennsylvania digitale Welten und Werkzeuge für Kinder und Jugendliche. Kafai hat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Programmierumgebung Scratch mitentwickelt. Durch die eigenständige Entwicklung von (digitalen) Spielen könnten Kinder viel lernen, betonte die Wissenschaftlerin. Unter anderem werden dadurch zum Beispiel ihre Problemlösungskompetenzen gefördert.
Medienpädagogik gehört in die Ausbildung der Frühpädagogen
Einig waren sich die Referentinnen und Referenten, dass Medienpädagogik auch in der Ausbildung von Fachkräften der Frühpädagogik integriert werden sollte. Die stellvertretende Direktorin des Staatsinstituts für Frühpädagogik Eva Reichert-Garschhammer stellte abschließend gemeinsam mit Dr. Dagmar Berwanger (StMAS) die aktuellen Planungen im Freistaat Bayern vor. Ab 2018 sollen in einem breit angelegten Modellversuch in Kindertagesstätten geeignete medienpädagogische Konzepte erarbeitet sowie digital gestützte Beobachtungs- und Organisationsinstrumente erprobt werden. Die beiden Referentinnen beendeten die Veranstaltung mit dem Verweis auf den Leitsatz der Pädagogik: „Nicht die Technik bestimmt die Pädagogik, sondern die Pädagogik die Technik!"
Hintergrundinformationen zur Studie „Mobile Medien in der Familie II"
Im Rahmen der aktuellen Studie Mobile Medien in Familien (MoFam) wurden 2017 pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen in Gruppeninterviews sowie Einrichtungsleitungen in Einzelinterviews befragt. Ziel der Befragung ist es, Wissen zur Bedeutung der Medien für Kinder im Alter von drei bis acht Jahren zu erhalten:
* Welche Rolle spielen mobile Medien und Internet in den Einrichtungen?
* Welche Einstellungen haben die Fachkräfte zu diesem Thema?
* Inwiefern ist Medienerziehung im pädagogischen Konzept verankert?
* Welchen Unterstützungsbedarf haben die Fachkräfte?
Der zweite Baustein besteht aus einem Familien-Medien-Monitoring. Zwanzig Familien mit Kindern im Alter von einem bis vier Jahren werden über vier Jahre begleitet. Ziel des Familien-Medien-Monitorings ist es, Erkenntnisse darüber zu erhalten, wie die Medienaneignung in den ersten Jahren verläuft sowie Anhaltspunkte dazu, welche Bedeutung dabei unterschiedliche Familiensettings haben können.
Weitere Informationen und Fotos zur Veranstaltung finden Sie hier und Näheres zur MoFam-Studie unter http://www.jff.de/jff/aktivitaeten/forschung/projekt/proj_titel/mofam-mobile-medien-in-der-familie-ii/
Quelle: Presseinformation des JFF – Instituts für Medienpädagogik in Forschung und Praxis vom 4. Dezember 2017