Leiharbeit ist ein Problem für die Pflege
Laut Bundesagentur für Arbeit hat sich die Zahl der Leiharbeiter*innen in der Pflege in den letzten fünf Jahren fast verdoppelt, auch in der Altenpflege ist ein Zuwachs von ca. 50 % zu verzeichnen. Der Grund ist einleuchtend: Die einst verrufenen Leiharbeitsfirmen zahlen oft mehr und bieten bessere Arbeitsbedingungen.
Der Begriff Leiharbeit - oder Arbeitnehmerüberlassung, wie es offiziell heißt - steht seit Jahren geradezu sinnbildlich für eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, Verunsicherung und prekäre Lebensverhältnisse. Doch am Beispiel Pflege zeigt sich, dass die Realität gelgentlich eine andere Sprache spricht. Denn dort, wo Mangel herrscht, steigen die Preise - in diesem Fall zum Leidwesen der Arbeitgeber in der Gesundheits- und Altenhilfe. Diese Entwicklung nimmt auch die Politik zum Anlass, sich über die aus ihrer Sicht "falschen" Auswirkungen ihrer eigenen Gesetzgebung - Stichwort: Arbeitsmarkt-Flexibilisierung - zu beschweren. Gesundheitsminister Spahn denkt sogar über ein Verbot von Leiharbeit in unterbesetzten Facharbeitsbereichen nach (siehe z.B. hier), um den organisatorischen Herausforderungen, mit denen sich speziell Krankenhäuser konfrontiert sehen, Herr zu werden. Was also noch vor wenigen Jahren (auch von Spahn) als notwendiges Instrument zur Sicherung von Arbeitsplätzen gelobt wurde, gerät angesichts des Fachkräftemangels, der sich übrigens ebenfalls bereits vor einigen Jahren abzeichnete, in den Fokus der Politik.
Stammbelegschaften leiden unter ständigen Wechseln
Der Sinneswandel bei den handelnden Politiker*innen mag erstaunen, doch scheint die drastische Zunahme der Leiharbeitsverträge tatsächlich immer schwieriger beherrschbar. Aus Sicht des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) sind gleich in mehreren Bereichen ernstzunehmende Probleme festzustellen - einige davon sind offensichtlich. So ist geradezu logisch, dass die Stammbelegschaft unter der zunehmenden Flexiblisierung leidet. Häufige Wechsel im Team und der Umstand, sich ständig auf neue Persönlichkeiten und Arbeitsweisen einlassen zu müssen, sind hierbei nur die offensichtlichen Herausforderungen. Laut DBfK ist darüber hinaus auch eine Ungleichverteilung bei bestimmten Tätigkeiten festzustellen. So sind beispielsweise hausinterne Sonderaufgaben, die neben der alltäglichen Arbeit anfallen, nur von Arbeitskräften zu leisten, die sich vor Ort auskennen. Auch verfügten die Leiharbeitnehmer*innen tendenziell über eine längerfristige Planungssicherheit: Wenn jemand schnell einspringen muss, wird zuerst die Stammbelegschaft angefordert.
Negative Auswirkungen auf das Patient*innenwohl?
Viele haben die Erfahrung schon gemacht: Bei ständig wechselndem Pflegepersonal kann bei den Patient*innen schlicht nicht das gleiche Maß an Vertrauen wachsen, wie dies gerade bei vulnerablen Patient*innengruppen erforderlich wäre - selbst wenn alle, jede*r für sich, gute Arbeit leisten. Doch letzteres stellen Entleiher, z.B. Krankenhäuser, in Frage. Aus ihrer Sicht seien die Pflegekräfte häufig nicht auf dem gleichen Qualifikationsniveau wie die Stammbelegschaft. Ein weiterer bedenklicher Aspekt liegt in der Versorgungsqualität. So weist der DBfK darauf hin, dass im Umgang mit Spezialgeräten Routine erforderlich sei. Wenn unerfahrene Kräfte im Notfall also mit Medizintechnik in Kontakt kommen, die ihnen nicht vertraut ist, kann dies sogar zur Gefahr werden.
Gute Arbeitsbedingungen sind der Schlüssel
Schreitet die beschriebene Entwicklung voran, drohen nicht nur weitere Spaltungstendenzen innerhalb der Arbeitnehmerschaft, sondern auch chaotische Zustände auf den Stationen. Ob die von der Politik angedachten Verbote rechtssicher durchgesetzt werden können, erscheint nicht nur aus Sicht des DBfK fraglich. Daher müssen Arbeitgeber weiter an ihrer eigenen Attraktivität arbeiten. In Zeiten des Mangels werden die guten Leute dort landen, wo unter motivierenden Bedingungen fachlich gute Arbeit möglich ist. Wer das nicht versteht und nicht bereit ist hier zu investieren, droht bereits mittelfristig existenzielle Schwierigkeiten zu bekommen.
Sebastian Hempel