Mehr Lebensqualität für Sterbende und ihre Angehörigen
Johannes-Hospiz veröffentlicht erste Studie zum Social Return on Investment für die Hospizarbeit
Das Johannes-Hospiz in Münster stabilisiert die Lebensqualität sowohl der Sterbenden als auch ihrer Angehörigen. Die auf die Wünsche und Bedürfnisse der Sterbenden ausgerichtete Begleitung im Hospiz kommt die Gesellschaft nicht teurer, sondern günstiger als eine intensive schmerzlindernde Betreuung zu Hause oder im Pflegeheim. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Johannes-Hospiz in Münster in Auftrag gegeben hat. Am heutigen Montag wurden die Ergebnisse der Studie vorgestellt. „Wir wollten die Wirkungen des Johannes-Hospiz in Relation zu seiner Finanzierung überprüfen“, sagt Ludger Prinz, Geschäftsführer des Johannes-Hospizes in Münster. „Mit den Ergebnissen können wir zeigen, dass die menschliche Zuwendung und professionelle Begleitung im Hospiz die beabsichtigte Wirkung zeigt und finanzierbar ist“. Die Studie des Institutes xit aus Nürnberg über die Wirkungen des Johannes-Hospizes unterstreicht die Bedeutung des neuen Gesetzes zur Verbesserung der Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland, das am 5. November im Bundestag verabschiedet wurde. Ziel des Gesetzes ist es, dass die Versorgung sterbender Menschen verbessert und ausgebaut wird. Im Parlament bestand dafür großes Einvernehmen. Zur Stärkung der Hospizkultur und Palliativversorgung wird Sterbebegleitung ausdrücklicher Bestandteil des Versorgungsauftrags der sozialen Pflegeversicherung. Wirkungsforschung mit Hilfe der Methode des Social Return on InvestmentDas Johannes-Hospiz hat zur Wirkungsmessung die Methode des Social Return on Investment (SROI) gewählt. Die Wissenschaftler analysieren, wie das Geld wirkt, das die öffentliche Hand investiert. Die Wirkungen des Hospizes werden aus drei verschiedenen Perspektiven betrachtet. Zentral ist die Perspektive der schwerkranken und sterbenden Menschen und ihrer Angehörigen: Welche Lebensqualität ermöglicht das Hospiz in der letzen Lebensphase? Die zweite Perspektive betrachtet die Finanzierung: Welche Mittel sind für einen Hospizplatz notwendig? Und woher kommen sie? Die dritte Perspektive stellt die Frage: Was wäre, wenn es das Johannes-Hospiz nicht gäbe? Hier werden die gesellschaftlichen Kosten für die Sterbe-begleitung zu Hause, im Pflegeheim und im Hospiz verglichen. Ergebnisse aus der Perspektive der Hospizbewohner und ihrer Angehörigen:
„Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“, beschreibt Cicely Saunders, Gründerin der modernen Hospizbewegung, die Aufgabe der Hospizarbeit. Sterbende sollen die letzte Lebensphase selbstbestimmt und möglichst angst- und schmerzfrei erleben können und ihre Angehörigen bestmöglich unterstützt werden. Die Studie bestätigt den Erfolg: Die Bewohner im Johannes-Hospiz haben eine hohe subjektive Lebensqualität, welche im Zeitverlauf stabil bleibt – selbst im Angesicht des nahen Todes. Für 80 Prozent der Bewohner ist das Hospiz ein Ort, an dem auch freudige Momente erlebt werden. Für die Angehörigen ist das Hospiz eine unersetzliche Stütze - auch bei ihnen erleben 80 Prozent auch vor dem Hintergrund des endgültigen Abschieds neben der Trauer auch intensive Momente der Freude. Ergebnisse aus der Perspektive der Geldgeber: Welche Mittel sind notwendig?
Von 100 Euro, die die öffentliche Hand in Form von Beiträgen der Kranken- und Pflegekassen an das Johannes-Hospiz zahlt, fließen 64 Euro unter anderen in Form von Steuern, Sozial-versicherungs- und Solidaritätsbeiträgen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt wieder zurück an in die Staatskasse. Dieser im Vergleich zu anderen Sozialunternehmen über-durchschnittlich hohe Rückfluss ist durch das hohe Spendenaufkommen und durch die ehrenamtliche Arbeit möglich. Hospizversorgung günstiger als Palliativversorgung zu Hause oder im Pflegeheim
Auf den ersten Blick scheinen die Kosten für eine Sterbebegleitung im Hospiz mit 229 Euro pro Tag am höchsten zu sein. Durch die hohen Rückflüsse sind die Nettokosten der sozialen Dienstleistung des stationären Johannes-Hospizes aber niedriger als bei der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung zu Hause oder im Pflegeheim: Die Nettokosten für die spezialisierte ambulante Palliativversorgung zu Hause oder im Pflegeheim liegen bei 96 Euro pro Tag. Die Nettokosten nach Abzug der Rückflüsse betragen im stationären Hospiz 86 Euro pro Tag. Die Kosten für die Sterbebegleitung im Hospiz sind damit zehn Euro günstiger. Fazit:
Die Studie bestätigt erstmals mit Hilfe einer systematischen Lebensqualitätsmessung: Das Johannes-Hospiz stabilisiert die Lebensqualität sowohl der Sterbenden als auch ihrer Angehörigen. Und das in einer Phase, in der sich der körperliche Zustand unaufhaltsam verschlechtert. Durch die Analyse der Investitionen und der Rückflüsse wird deutlich, dass die Investitionen in Hospizplätze für die Gesellschaft nicht so teuer sind wie angenommen. Die öffentliche Hand erhält vom Johannes-Hospiz sogar 64 Prozent der Pflegesätze in Form von Steuern und Sozialabgaben zurück. „Spender können sich sicher sein, dass ihre Spenden eine Wirkung haben, für den einzelnen Menschen und wie die aktuelle Studie zeigt, auch für die gesamte Gesellschaft“, kommentiert Ludger Prinz, Geschäftsführer des Johannes-Hospizes, die Studienergebnisse. Karin Reismann, Bürgermeisterin der Stadt Münster, bekräftigt. „Die Zahlen belegen, was bereits spürbar war. Wir müssen über das Sterben reden, um Angebote gestalten zu können, die eine hohe Lebensqualität in der letzte Lebensphase ermöglichen. Die Studienergebnisse geben uns Anlass dazu.“ Hintergrundinformationen zur Studie Über die Studie: Die zentrale Fragestellung des Projektes lautetet: Wie wirkt Hospizarbeit – individuell und volkswirtschaftlich? Das Johannes-Hospiz möchte die Wirkung der geleisteten Arbeit für Spender, Ehrenamtliche, Kostenträger sowie für politische Entscheider transparent machen. Der in der Studie vorgestellte SROI-Ansatz wurde in Kooperation der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (Prof. Dr. Bernd Halfar), der Evangelische Hochschule Nürnberg (Prof. Dr. Klaus Schellberg) und dem xit-Institut aus Nürnberg entwickelt. Das Johannes-Hospiz wurde 1999 für Sterbende und ihre Angehörigen gegründet. Das stationäre Hospiz verfügt über zehn Plätze für Hospiz-Bewohner. Um sie kümmern sich 24 hauptamtliche und zwölf nebenamtliche Mitarbeiter sowie 60 Ehrenamtliche. Im ambulanten Hospiz arbeiten zwei Koordinatorinnen und 45 ehrenamtlich tätige Sterbebegleiter. Sie begleiteten bisher 1.377 Sterbende und deren Angehörige und Freunde. Die Arbeit der Ehrenamtlichen erzielt einen jährlichen Wert von rund 66.000 Euro. Jährlich werden Spenden von rund 350.000 Euro benötigt. Informationen zum Hintergrund der Hospizarbeit Die Hospizbewegung ist eine Bürgerbewegung: Die deutsche Hospizbewegung ist jung. 1986 wurde das erste stationäre Hospiz in Aachen gegründet. Die Hospizbewegung hat sich den Wünschen und Bedürfnissen der Sterbenden angenommen und die Verbesserung der Sterbebegleitung erkämpft. Im Hospiz werden die Bewohner intensiv begleitet. Vier bis sechs Hospizbewohner werden von einer Pflegekraft betreut. Im Krankenhaus ist eine Pflegkraft für rund 30 Personen zuständig. Sterbebegleitung soll eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleiben. Deshalb werden mindestens zehn Prozent der Mittel, durch Spenden eingeworben. Diese gesetzliche Regelung entspricht dem Wunsch der Hospizbewegung. Hospize in Deutschland: Bundesweit gibt es rund 230 stationäre Hospize mit durchschnittlich zehn und maximal 16 Plätzen. Die Bedürfnisse und Wünsche der Sterbenden stehen im Hospiz im Mittelpunkt. Dafür arbeiten Teams aus Krankenpflegern, Schmerzmedizinern, Seelsorgern, Therapeuten und Ehrenamtlichen zusammen. Im Jahr 2013 beliefen sich die Ausgaben der Krankenkassen für stationäre Hospizplätze auf 84,7 Millionen Euro. Der Pflegesatz im stationären Hospiz wird aktuell zu 90 Prozent von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen. Was darüber hinaus geht, wird aus Spenden finanziert. Auf gesetzlich versicherte Patienten oder deren Angehörige kommen keine Kosten zu. Konzept des „Total Pain“: Laut einer Studie der Evangelische Kirche Deutschland vom April 2015 haben 61 Prozent der Befragten (befragt wurden 2.052 Menschen) Angst vor Schmerzen und Atemnot und 38 Prozent haben Angst, im Sterben ganz allein zu sein. Auch psychische und soziale Belastungen schmerzen. Schmerz ist, so die Gründerin der Hospizbewegung Cicely Saunders, nicht auf körperliche Schmerzen zu reduzieren. Für Menschen in der letzten Lebensphase hat Schmerz auch eine psychische, eine spirituelle und eine soziale Dimension, wie beispielsweise der Abschiedsschmerz. Dieses mehr-dimensionale Schmerzverständnis liegt der Hospizarbeit zugrunde.
Quelle: Pressemitteilung des Johannes-Hospizes Münster vom 09.11.2015