Kompromiss zum Pflegeberufegesetz: Gemischte Reaktionen

Kommt sie oder kommt sie nicht? Das war die große Zukunftsfrage der vergangenen Monate für eine einheitliche Pflegeausbildung in Deutschland. Lange hat sich politisch nichts bewegt, jetzt wird sie nach einem Kompromiss im Koalitionsausschuss scheibchenweise serviert. So urteilt zumindest der Deutsche Pflegerat (DPR) in einer ersten Reaktion. Befürworter wie Gegner der Generalisitk bleiben auch nach diesem Kompromiss skeptisch.

Ab 2019 soll es entsprechend der Einigung in der Koalition an allen Pflegeschulen in den ersten beiden Jahren für die Pflegegberufe einen gemeinsame Ausbildung geben. Neu gegenüber dem bisherigen Gesetzesvorschlag ist, dass sich die Auszubildenden im dritten Ausbildungsjahr künftig entscheiden können, ob sie den generalistischen Berufsabschluss anstreben oder aber weiterhin die Spezialisierung in der Alten- oder Kinderkrankenpflege wählen. Dabei werden in den ersten beiden Jahren der Ausbildung auch die Alten- und Kinderkrankenpfleger gemeinsam unterrichtet. Die Wahlmöglichkeit soll nach sechs Jahren evaluiert werden.

Der Deutsche Caritasverband bezeichnete den Kompromiss als Schritt in die richtige Richtung. „Der Kompromiss der Koalition zur Pflegeausbildung macht endlich den Weg für die Generalistik frei", sagt Caritas-Präsident Peter Neher. „Jetzt müssen die weiteren gesetzgeberischen Schritte zügig erfolgen, damit eine zukunftsfeste Pflegeausbildung noch in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht wird."

Auch der Deutsche Pflegerat trägt den Kompromiss der Koalitionsfraktionen erklärtermaßen konstruktiv mit, hätte sich jedoch mutigere Schritte gewünscht. Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerats (DPR) äußerte sich in diesen Tagen enttäuscht: „Der Deutsche Pflegerat bedauert das Scheitern der großen Reform der Pflegeausbildung. Den zwischen den Koalitionsfraktionen jetzt gefundenen Kompromiss zum Pflegeberufereformgesetz sieht der DPR als ersten Schritt einer Reform an, auch wenn die drei Berufsabschlüsse erhalten bleiben. Für die Krankenpflege ist es ein größerer, für die Alten- und Kinderkrankenpflege leider aber nur ein kleiner Schritt, um die Pflegeberufe zukunftssicherer zu machen und damit die Patientensicherheit zu gewährleisten. Die generalistische Pflegeausbildung kommt nun zumindest scheibchenweise."

In der Krankenpflge generalistisch, bei Altenpflege und Kinderkrankenpflege weit hinter Ziel geblieben?

Nach Ansicht des Deutschen Pflegerates werden in der die Ausbildung zur Krankenpflege ablösenden generalistischen Pflegeausbildung künftig die Stärken und Besonderheiten der drei bisherigen Pflegeberufe gebündelt. Das sei der weiterhin richtige Ansatz und gewährleistet, dass unabhängig davon, an welchem Ort der Patient behandelt wird, das nötige pflegerische und medizinisch orientierte Wissen umfassend vorhanden ist. Die hochschulische Ausbildung als zweiter Zugang zum Beruf und die vorbehaltenen Aufgaben werden als wichtige Meilensteine bezeichnet. Das werde für eine enorme Attraktivitätssteigerung dieses Berufsbildes führen.

Mit Blick auf die Alten- und Kinderkrankenpflege bleibt nach Ansicht des DPR der Kompromiss weit hinter dem zurück, was Zielsetzung des Pflegeberufereformgesetzes sei. Es wird befürchtet, dass es vor allem für die stationäre Altenpflege perspektivisch zu einem Absinken der Ausbildungszahlen kommen wird und die Auszubildenden in der Altenpflege zu den Verlierern des neuen Pflegeberufereformgesetzes zählen, weil ihre beruflichen Einsatzmöglichkeiten im Gesundheitswesen begrenzt bleiben.

Nicht verhandelbar sind für den DPR jedoch zum einen, dass gesetzlich endlich anerkannt wird, dass die professionell Pflegenden einen ureigensten Bereich haben, der als sogenannte vorbehaltene Aufgaben definiert wird. Das umfasse die Erhebung des Pflegebedarfs, die Planung der pflegerischen Versorgung sowie die Überprüfung der Pflegequalität. Zum anderen muss es eine hochschulische Ausbildung als zweiten Zugang zum Beruf geben. Für fachlich, berufspädagogisch und verfassungsrechtlich fragwürdig hält der DPR die geplante Regelung zur Pflegeassistenz.

Der Kompromiss der Koalitionsfraktionen zum Pflegeberufereformgesetz lässt noch zahlreiche Detailfragen offen. Der DPR ist jedoch davon überzeugt, dass die generalistische Pflegeausbildung sich mittelfristig als das zukunftsfähigere Modell durchsetzen wird.

Ebenso wie der Deutsche Caritasverband mit seinen Fachverbänden hat der DPR zu den weiteren Schritten seine konstruktive Zusammenarbeit angekündigt.

Anders bewertert das Bündnis für Altenpflege den Pflegeberufereform-Kompromiss. Die Bündnispartner hatten sich in der Diskussion um eine einheitliche Pflegeausbildung für den Erhalt des Altenpflegeberufes stark gemacht haben. Der Sprecher des Bündnisses für Altenpflege, Peter Dürrman, sagt zum Ergebnis im Koalitionsausschuss: „Der jetzt ausgehandelte Kompromiss lässt der Altenpflege vorerst eine Chance." Es sei aber eine Lösung auf dem Papier, die in der Praxis noch viele Fragen offenlässt. Dürrmann gibt sich kämpferisch: Wir werden die Konkretisierung des politischen Kompromisses aufmerksam begleiten und an der Linie messen, ob der Altenpflegeberuf erhalten bleibt und weiterentwickelt wird. Dazu muss das vom Parlament geforderte Curriculum von den beteiligten Bundesministerien vor der Verabschiedung des Gesetzentwurfes vorgelegt werden. Auch die diversen Fragen zu den Ausbildungsinhalten, -abläufen und der Finanzierung müssen vor einer endgültigen Entscheidung im Bundestag geklärt sein."

Auch in der Kinderkrankenpflege trifft man auf gegenteilige Einschätzungen.  Für die Gesellschaft der Kinderkrankenhäuser und Kinderabteilungen in Deutschland (GKinD) bleibt es nach wie vor fraglich, ob diese Reform wirklich geeignet ist, die in den kommenden Jahren wachsende Lücke in der Pflege zu schließen. Sie betont auch nach dem Kompromiss: Um die Kinderkrankenpflege noch attraktiver zu machen, bedarf es gerade nicht einer generalistischen Ausbildung, sondern einer noch besseren Spezialisierung und vor allem guter Arbeitsbedingungen in den Kliniken.


Quelle: Pressemitteilungen des bpa – Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, des Deutschen Pflegerates, des Deutschen Caritasverbandes und GKinD vom 7. April 2017