Neue Auswertung des „Pflege-TÜV“ bescheinigt weniger Qualität
Vergleichsportal „Weiße Liste" verspricht verbraucherfreundliche Transparenz - DBfK wehrt sich gegen „Aufwärmung alter Probleme“ - DEVP sieht im Vergleichsportal eine Übergangslösung
Die so genannten Pflegenoten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) in Deutschland stehen schon lange in der Kritik. Ihre Berechnungsmethodik erlaube, Mängel in einem relevanten Bereich durch ein anderes – vielleicht weniger relevantes – Kriterium auszugleichen Das führe dazu, dass die Pflegeanbieter fast durchweg „sehr gut“ abschneiden, obwohl ihre Prüfergebnisse sich teils deutlich unterscheiden. Das teilt die private Bertelsmann-Stiftung, Betreiberin des Vergleichsportals "Weiße Liste", anlässlich der Vorstellung ihres neuen Verbraucherservice mit. Mit einer neuen Auswertungsmethodik der Ergebnisse aus dem „Pflege-TÜV“ möchte sie erklärtermaßen für mehr Transparenz und Orientierung in der Wahl von Pflegedienstleistungen sorgen. Für jede der rund 26.000 Einrichtungen in Deutschland will nun das Portal anzeigen, inwieweit diese die fachlichen Mindestanforderungen an die Qualität der Pflege erfüllt. Die Weisse Liste wertet dazu nach eigenen Angaben die Ergebnisse aus dem sogenannten „Pflege-TÜV“ neu aus. Die Methode mache Unterschiede sichtbar, die bei der Entscheidung eines Nutzers für die Auswahl einer Einrichtung in seiner Region relevant sein können. Für jede Pflegeeinrichtung wird dabei in Form eines Prozentwerts für „Pflegequalität“ angegeben, wie viele der überprüften Kriterien voll erfüllt werden. Zudem wird der Wert immer ins Verhältnis zum Bundesdurchschnitt gesetzt. Die neuen Ergebnisse zeigen den Verbrauchern somit Unterschiede und negative Ausreißer zwischen den Pflegeheimen und Pflegediensten, die aus den Pflegenoten bislang nicht hervorgehen, heißt es von den Betreibern des Portals. Diese neue Auswertung der Prüfergebnisse könne zwar die grundsätzlichen Schwächen des Bewertungssystems nicht kurieren, sie biete aber mehr Transparenz und Orientierung für Verbraucher, differenziert Uwe Schwenk, Programmleiter bei der Bertelsmann Stiftung.* Anlass für pointierte öffentliche Berichterstattung und Aufregung in Fach- und Berufsverbänden gaben die Ergebnisse dieser Neubewertung durch die Weiße Liste: Während in der Auswertung in Form von Pflegenoten 26 Prozent der Heime und 40 Prozent der Dienste eine glatte 1,0 erhalten, erfüllen nach der Auswertungsmethode der Weissen Liste nur 11 Prozent der Heime beziehungsweise 29 Prozent der Dienste die bei ihnen geprüften Kriterien zu 100 Prozent. Rund zwei Prozent der Pflegeheime (rund 180 bei 11.600 Einrichtungen) und vier Prozent der Pflegedienste (rund 530 bei 14.000) haben lediglich ein Drittel oder weniger der bewerteten Kriterien bei allen überprüften Pflegebedürftigen in der Stichprobe voll erfüllt. Das teilt die Weiße Liste mit. Sie rechnet damit, dass dennoch die Pflegenoten bis mindestens 2019 weiter in der bisherigen Form veröffentlicht werden, auch wenn von der Politik gerade ein Qualitätsausschuss ins Leben gerufen wurde, der ein neues Qualitätsprüfungs- und Veröffentlichungssystem für Pflegeeinrichtungen entwickeln soll. Die Weiße Liste empfiehlt daher Verbraucherinnen und Verbrauchern, sich bei der Suche nach dem passenden Pflegeanbieter vor allem ein eigenes Bild über die Unterschiede und die Qualität der Einrichtungen zu machen und mit den Fachkräften vor Ort zu sprechen. Das Vergleichsportal biete dafür auf seiner Website Checklisten an, anhand derer sich Verbraucher orientieren können. Zudem zeige die Weiße Liste an, welche Pflegeberatungsstelle sich in der Nähe des jeweiligen Nutzers befindet.DBfK: „Mehr Pflegefachpersonen finanzieren statt bekannte Probleme aufwärmen!"
Die mit der Berichterstattung zur jüngsten Initiative der Weißen Liste der Bertelsmann-Stiftung einhergehende mediale Aufmerksamkeit ist nach Auffassung des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe e.V. (DBfK) nicht gerechtfertigt. Es gäbe keine neuen Erkenntnisse, darüber, dass die Qualität in deutschen Pflegeheimen deutlich schlechter sei, als bislang angenommen, heißt es aus dem Berufsverband. Und weiter: Die Methodik des so genannten Pflege-TÜV ist bekanntermaßen ungeeignet, Ergebnisqualität zu erfassen und darzustellen. Diese Kritik wird in der Fachöffentlichkeit weithin geteilt“, so DBfK-Bundesgeschäftsführer Franz Wagner. Schon seit Jahren fordere der DBfK die Einführung eines neuen Prüfsystems, in dem die Ergebnisqualität und nicht die Dokumentationsqualität im Vordergrund steht. Der Verband erneuert aus gegebenem Anlass seine Forderung nach besserer Personalausstattung! Nur so könne eine ausreichende, zweckmäßige und an den Klienten ausgerichtete Pflegequalität erbracht werden, die dann auch geprüft werden kann.DEVAP: Pflege in ein schlechtes Licht zu rücken, ist völlig fehl am Platze
Auch der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) wehrt sich gegen die aktuelle Berichterstattung. „Sehr enttäuschend für jede Pflegekraft ist allerdings, dass einzelne Medien die Vorstellung des neuen Serviceangebots als Anlass nutzen, um die Pflege in ein schlechtes Licht zu rücken. Das ist völlig fehl am Platz, weckt Ängste bei den Lesern und demotiviert die Mitarbeitenden. () Diakonische Einrichtungen öffnen gerne ihre Türen für Verbraucher, die sich vor Ort umschauen möchten, heißt es. Das neue Vergleichsportal „Weiße Liste“ der Bertelsmann Stiftung sieht der Verband als einen Schritt in Richtung grundsätzlicher Reform des Bewertungssystems. „Allerdings weisen wir deutlich darauf hin, dass es sich um eine Übergangslösung handelt, da die Datengrundlage weiterhin kritisch einzuordnen ist“, so Bernhard Schneider, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege (DEVAP). () Aber eine effektivere Darstellung sei immerhin verbraucherfreundlicher. Der Gesetzgeber hat offensichtlich das Problem erkannt und ein neues Bewertungssystem in Angriff genommen. Wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, darüber gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Eines scheint jedoch klar: Bis es soweit ist, haben sich Verbraucher wie auch Pflegende mit den vorhandenen Instrumenten zu behelfen. Die Zeit drängt daher, damit sich Verunsicherung unter allen Beteiligten nicht noch stärker ausbreitet. Weitere Informationen unter www.weisse-liste.de/pflege *Hinweise der Bertelsmann-Stiftung zur Berechnungsmethode: Die zugrundliegenden Daten für die neue Berechnungsmethode beruhen auf Prüfungen des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) der Pflegedienste und Pflegeheime. Die Prüfungen erfolgen unangemeldet (Pflegeheime) beziehungsweise mit einer Anmeldung einen Tag vorher (Pflegedienste). Die aus den Prüfungen veröffentlichten Informationen beziehen sich vor allem auf die Dokumentation der erbrachten Leistungen. Geprüft wird streng genommen die „Dokumentationsqualität“, weniger das, was die Arbeit der Pflegekräfte bewirkt (also die „Ergebnisqualität“). Diese Schwäche kann die neue Auswertungsmethode der Weissen Liste nicht „kurieren“, sie greift an der zweiten zentralen Schwäche an: den Durchschnittswerten. Jedoch kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Qualität und Sorgfalt der Dokumentation Rückschlüsse auf die tatsächliche Pflegequalität zulässt. Und: Geprüft werden auch „harte“ Kriterien wie die Korrektheit der Medikamentengabe und das Vorliegen von Genehmigungen für freiheitseinschränkende Maßnahmen. Bei der Auswertung der Weissen Liste werden nur pflegerische Kriterien herangezogen, die an den Pflegebedürftigen überprüft werden. Andere Prüfkriterien, etwa die durchweg sehr gut bewerten Kriterien zur Organisation, Einrichtungsmerkmale oder Befragungsergebnisse werden nicht in die Auswertung einbezogen.Quelle: Weiße Liste - Presseinformation vom 24. Mai 2016, Presseinformation des DBfK vom 25. Mai 2016 und Presseinformation des DEVP vom 26. Mai 2016