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Nicht mehr minderjährig, immer noch unbegleitet

Aufgrund der gesunkenen Anzahl Geflüchteter gibt es auch weniger unbegleitete Minderjährige. Das Gefühl des Unbegleitet-seins bleibt bleibt für die meisten, auch nach ihrem Eintritt in die Volljährigkeit.

Wenn unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Deutschland einreisen, werden sie von den Jugendämtern in Obhut genommen. Die Behörden kümmern sich um Unterbringung und Betreuung. Denn die jungen Menschen brauchen besondere Unterstützung – nicht nur, weil sie keine Familie in Deutschland haben. Viele von ihnen sind durch traumatische Erfahrungen stark vorbelastet: Mehr als 80 Prozent der befragten Jugendhilfeeinrichtungen haben in einer Umfrage des Bundesfachverbands unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) angegeben, dass sie im Jahr 2017 traumatisierte Flüchtlinge betreut haben.

Jugendämter beenden oft vorschnell Hilfen

Viele Probleme der unbegleiteten Minderjährigen spitzen sich abemals zu, wenn sie volljährig werden. Denn zum einen können die Jugendämter die jungen Menschen zwar betreuenbis sie 21 Jahre alt sind. Doch viele Ämter entlassen aus finanziellen Gründen die Jugendlichen aus der Obhut, sobald sie 18 Jahre alt werden. Zum anderen droht vielen jungen Geflüchteten die Abschiebung, sobald sie volljährig werden.

Für die Jugendlichen sei der 18. Geburtstag oft kein Grund zum Feiern, sagt BumF-Experte Tobias Klaus: "Viel zu früh werden an einigen Orten Unterstützung und Hilfen beendet. Integrationserfolge werden so massiv gefährdet.“ Einige Jugendämter stellen die Jugendhilfe wenige Monate nach dem 18. Geburtstag ein, während Städte wie Mannheim sich dafür einsetzen, dass sie die Hilfe bis zum Ende des 21. Lebensjahres fortsetzen können, so Klaus.

Ob ein Heranwachsender weiter Jugendhilfe erhält, kann Auswirkungen auf seine Bleibechancen haben. Wer betreut wird, hat bessere Chancen die Schule erfolgreich abzuschließen und eine Ausbildung zu absolvieren, oder gar zu studieren. Das Aufenthaltsgesetz  sieht etwa vor, dass junge Menschen, die vier Jahre in Deutschland leben und einen Schulabschluss erwerben, eine Aufenthaltserlaubnis beantragen können. Gelingt ihnen das nicht, müssen sie darauf hoffen, dass ihr Asylantrag angenommen wird. Doch das ist inzwischen schwieriger geworden: Die Gesamtschutzquote für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist von rund 90 Prozent im Jahr 2015 auf etwa 55 Prozent im zweiten Quartal 2018 gesunken.

Warum seltener Schutz gewährt wird, ist nicht ganz klar. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verweist in einer Antwort auf eine Anfrage des Mediendienst Integration darauf, dass in der Vergangenheit ein Großteil der jungen Flüchtlinge aus Ländern mit hoher Schutzquote wie Syrien, dem Irak und Eritrea kam. Doch auch die Schutzquote für einzelne Herkunftsländer ist gesunken, bei Afghanen zum Beispiel von 88 Prozent auf 61 Prozent. "Der Rückgang der Schutzquoten ist etwa bei Afghanen und Somaliern inhaltlich nicht zu begründen", sagt Tobias Klaus. Er vermutet, dass die negative Berichterstattung über junge kriminelle Geflüchtete vielerorts zu einem strengeren Umgang mit unbegleiteten Minderjährigen geführt habe.

Oftmals droht Abschiebung

Während unbegleitete minderjährige Geflüchtete in der Regel nicht aus Deutschland abgeschoben werden, kann das nach dem Erreichen der Volljährigkeit  durchaus passieren. "Junge Geflüchtete, deren Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde, haben mit dem Erreichen des 18. Lebensjahrs das Risiko, abgeschoben zu werden – in einigen Fällen geschieht dies sogar aus Einrichtungen der Jugendhilfe", sagt Bernd Holthusen vom Deutschen Jugendinstitut (DJI). Das verunsichere andere Jugendliche, die sich in einer ähnlichen Situation befänden.

Prekäre Lebensverhältnisse und ein Mangel an Perspektiven können für junge Geflüchtete fatal sein, sagt der DJI-Experte: "Das aktuelle System unterscheidet – wie bei erwachsenen Flüchtlingen – zwischen Kindern und Jugendlichen mit guter und schlechter Bleibeperspektive. Davon hängt vielerorts etwa der Zugang zu Bildung und Arbeit ab. Dabei wird vergessen, dass Kinder und Jugendliche deutlich mehr Unterstützung als erwachsene Flüchtlinge benötigen, um in Deutschland Fuß zu fassen." Haben junge Geflüchtete keine Perspektive, bestehe das Risiko, dass sie abtauchen und damit in die Illegalität abrutschen.

 


Quelle: Homepage des Mediendienst Integration / Fabio Ghelli