Querschnittmodell eines Gehirns
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Ohne Diagnose – ein schwieriges Rechtsfeld!

Seltene neurologische Erkrankungen sind oft komplex. Sie verlaufen meistens chronisch und sind vor allem schwer zu diagnostizieren. Auch sozialrechtlich befindet man sich häufiger auf einem schwierigen Feld.

Viele betroffene Menschen wissen oft jahrelang nicht, was ihnen fehlt. Die Deutsche Akademie für seltene neurologische Erkrankungen spricht davon, dass gegenwärtig für nur etwa der Hälfte der Patienten mit seltenen neurologischen Erkrankungen eine klare Zuordnung zu definierten neurologischen Erkrankungen gelingt bzw. für die Hälfte keine klare Diagnose gefunden werden kann. Ihrer Einschätzung nach erkranken in Deutschland jährlich neu an seltenen neurologischen Erkrankungen bis zu 8.000 Menschen.

Auch bei der jungen Aachener Medizinstudentin Nadine hat es sechs Jahre vom Auftauchen erster ernsthafter Symptome bis zur gesicherten Diagnose gedauert. Sie durchlief bis dahin viele Diagnosen, bis endlich eine Reihe genetischer Tests bei ihr 2019 eine Friedreich-Ataxie feststellten, eine seltene Form von fortschreitender Abbauerkrankung des zentralen Nervensystems. Sie hatte damals kaum noch Hoffnung, jemals Sicherheit über ihre Erkrankung zu bekommen. Als sie ihre Diagnose dann doch erfuhr, war sie darüber sogar froh. Endlich bekam die Ursache ihrer Behinderung einen Namen.

Nicht nur die Behandlung und die Therapie sind ohne eine Diagnosestellung mitunter besonders schwierig. Das Fehlen einer konkreten Ursache bzw. einer Diagnose kann auch zu unterschiedlichsten sozialrechtlichen Problemen führen, weiß die BDH-Sozialrechtsberaterin Ass. jur. Julia Köhler. So kann es schwierig sein, Leistungsansprüche gegenüber Krankenkassen und gesetzlicher Unfallversicherung zu verdeutlichen.

Ist man aufgrund der Symptome fortbestehend arbeitsunfähig und bezieht Krankengeld, kann der Medizinische Dienst diese Arbeitsunfähigkeit anzweifeln, wenn den ärztlichen Berichten keine klare Ursache zu entnehmen ist.

Für bestimmte Heil- und Hilfsmittel werden bestimmte sogenannte Indikationen, das heißt entsprechende Diagnosen, gefordert. Werden diese nicht bestätigt oder liegen sie gar nicht vor, können die notwendige Heil- und Hilfsmittel leichter abgelehnt werden.

Kommt es gar nach einem Arbeitsunfall zu einer seltenen und unklaren Erkrankung, so wird diese häufig von der Unfallversicherung nicht anerkannt, weil kein Ursachenzusammenhang hergestellt werden kann.

Aber auch in Schwerbehindertenangelegenheiten können betroffene Menschen in Erklärungsnöte geraten, trotz offensichtlicher Behinderung. Die versorgungsmedizinischen Grundsätze zur Bewertung eines Grades der Behinderung zielen zwar in erster Linie auf die sozialen Einschränkungen der Teilhabe und die aus den Erkrankungen resultierenden Funktionsdefizite. Die Praxis stellt sich aber so dar, berichtet Julia Köhler, dass solche weitaus seltener anerkannt werden, wenn den beigezogenen Berichten keine eindeutige Diagnose zu entnehmen ist.

Die Menschen mit seltenen Erkrankungen und ihre Angehörigen brauchen in diesen Situationen verlässliche Anlaufstellen und Informationen zu ihren Rechten. In vielen, besonders in ländlichen Regionen, fehlen solche Angebote. Der BDH fordert in seiner Sozialagenda deshalb flächendeckend niederschwellige (Sozial-)Erstberatungsangebote. Die orientierende Erstberatung muss für alle Menschen – unabhängig von ihrem finanziellen Vermögen – möglich sein und deshalb kostenlos zur Verfügung gestellt werden.n


Quelle: Pressemitteilung des BDH Bundesverband Rehabilitation vom 25.02.2022