Symbolbild: Silhouette von Jugendlichen
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Partizipation ist mehr, als Jugendlichen nur zuzuhören

Auf ihrer 160. Vollversammlung – dem höchsten beschlussfassenden Gremium der Jugendarbeit in Bayern – haben die Delegierten des Bayerischen Jugendrings (BJR) einen Beschluss zum Schwerpunktthema Partizipation verabschiedet. In der Debatte zum Thema ging es nicht nur darum, den Stand gesellschaftlicher Teilhabe von Kindern und Jugendlichen nach zwei Jahren Corona-Pandemie auszuloten und neu zu justieren. Die Delegierten erörterten auch die Frage, wie Teilhabe ganzheitlich gedacht und in Zukunft besser gewährleistet werden kann; vor allem auf kommunaler Ebene, der unmittelbaren Lebenswelt junger Menschen.

Hierzu stellte BJR-Präsident Matthias Fack fest: „Partizipation ist ein Wesensmerkmal von Jugendarbeit. Kinder und Jugendliche wollen mitwirken und mitbestimmen, wenn es um Planungen und Entscheidungen geht, die sie betreffen. Das gilt umso mehr für ihren Wohnort, wo Veränderungswünsche vergleichsweise schnell umgesetzt werden können. Als Ort der gelebten Jugendbeteiligung begrüßt der BJR Formate und Angebote, die Partizipation auf kommunaler Ebene ermöglichen.“

Auch BJR-Vizepräsidentin Ilona Schuhmacher unterstrich die Relevanz des Themas und sagte: „Partizipation ist der Kern von Jugendarbeit. Trotzdem ist es gut, sich immer wieder mit dem Thema zu beschäftigen. Dabei müssen wir neben der Frage nach den passenden Methoden auch immer wieder die Frage nach dem Warum reflektieren. Eine starke demokratische Gesellschaft braucht mündige Demokrat:innen, dies ist unser Auftrag und unsere Vision.“

In einem Vortrag über gesellschaftliche Teilhabe und Gesellschaftskritik hatte Prof. Dr. Alexander Wohnig von der Universität Siegen den Stand der wissenschaftlichen Debatte vorgestellt. Dabei war er auf Ansätze eingegangen, die Formen von Pseudo-Partizipation im Sinne vorgeblicher oder nur simulierter Teilhabe kritisieren oder die solche Bevölkerungsgruppen ansprechen, die ohnehin sehr artikulationsfähig und -willens sind und die der Soziologe Pierre Bourdieu mit dem Begriff „Partizipationsaristokratie“ belegt hat.

Selbstbestimmung anerkennen - Macht abgeben - Mittel bereitstellen

BJR-Präsident Matthias Fack warnte außerdem davor, Partizipation zu eng zu denken und jungen Menschen „nur“ zuzuhören. Vielmehr sei ein Begriff der Teilhabe relevant, der konzeptionell Kindern und Jugendlichen eine reale Gestaltungsmacht übertragen müsse:. „Ernst gemeinte Jugendbeteiligung ist lebensweltbezogen, gibt Macht ab und stellt ausreichende Ressourcen zur Verfügung. Sie geht von den Interessen der Jugendlichen aus und verfolgt das Ziel größtmöglicher Selbstbestimmung.“ Jugendbeteiligung dürfe nicht von der Politik und Verwaltung instrumentalisiert werden, etwa indem vorgegeben wird, wie die Beteiligungsstrukturen gestaltet werden und mit welchen Themen sich die jungen Menschen befassen sollen.

Die Delegierten der BJR-Vollversammlung erkannten an, dass vielfältige Jugendbeteiligungsformate auf kommunaler Ebene ein Baustein sind, um Partizipation zu verwirklichen. Jugendräte, Jugendparlamente oder andere Vertretungsformen stellen aber nur ein mögliches Instrument der kommunalen Jugendbeteiligung dar. Insgesamt muss diese vielfältig gestaltet sein, um durch Diversität und unterschiedlich geartete Zugänge viele junge Menschen anzusprechen und den örtlichen Rahmenbedingungen gerecht zu werden. Hier sind vor allem projektbezogene Beteiligungsformate zu nennen, aber auch offenere Formen dauerhafter Beteiligung, zum Beispiel Jugendforen oder regelmäßig stattfindende Kinder- und Jugendkongresse.

Die Delegierten machten außerdem deutlich, dass die Neuschaffung von Partizipationsstrukturen gewachsene und bestehende Strukturen weder behindern noch deren Förderung einschränken dürfe. Dazu stellte Matthias Fack klar: „Aktuell wird die Frage nach Partizipation junger Menschen mit der Förderung von Jugendparlamenten beaantwortet; gemäß unserem Auftrag, Jugendarbeit weiterzuentwickeln, wollen wir diese konstruktiv begleiten. Die Einrichtung von institutionalisierten repräsentativen Jugendgremien auf höherer Ebene, beispielsweise einem Landesjugendparlament, erachtet der BJR für Bayern auf Landesebene als nicht sinnvoll. Die demokratisch legitimierte jugendpolitische Vertretung auf Landesebne ist die Vollversammlung des Bayerischen Jugendrings.“


Quelle: Pressemitteilung des BJR vom 20.03.2022