Quereinstieg? Ja, aber gut vorbereitet

In einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) wurden Erfahrungen von KiTas und Pflegeeinrichtungen mit Quereinsteigenden untersucht. Ergebnis: Das Modell kann ein Mittel im Kampf gegen den Fachkräftemangel sein, jedoch nicht unter allen Umständen. Ein Quereinstieg will gut vorbereitet und begleitet sein.

Könnte die Arbeitsagentur nicht einfach möglichst viele Berufswechsler und Arbeitssuchende umschulen? Schließlich geht der Ausbau der Kinderbetreuung viel zu langsam voran: Das DJI rechnet damit, dass bis 2025 mindestens 310.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte in Kitas gebraucht werden. Und in Seniorenheimen sind unterbesetzte Stationen eher die Regel als die Ausnahme. Solche Gedankenspiele greifen zwar zu kurz, erklärt ein Forscherinnen-Team vom DJI. Längst nicht jeder und jede bringe die Voraussetzungen für die fachlich, physisch und psychisch anspruchsvolle Arbeit in der frühkindlichen Bildung und der Altenpflege mit. Diejenigen, die sich im Laufe ihres Berufslebens entschließen, mit einer Ausbildung zum Erzieher oder zur Altenpflegerin noch einmal neu anzufangen, seien für ihre Arbeitgeber jedoch meist eine große Bereicherung. Die Befürchtung, dass durch die Einstellung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern das fachliche Niveau sinken könnte, habe sich bislang als unbegründet erwiesen, so die Wissenschaftlerinnen. 

Erhöhte Abbruchquoten bei unzureichender Vorbereitung

Auch den Arbeitsagenturen fällt eine wichtige Rolle zu. Hier merken die befragten Leiterinnen und Leiter von Kitas und Pflegeheimen teilweise kritisch an, dass die Agenturen die persönliche Eignung der vermittelten Personen zu wenig berücksichtigen würden und die Quereinsteigenden oft ungenügend über die Anforderungen im Tätigkeitsfeld informiert sind. Das führe zu erhöhten Abbruchquoten in der Ausbildung. Eine "Rekrutierungsoffensive" über die Arbeitsagenturen wird aus diesen Gründen eher skeptisch beurteilt. Generell halten es die DJI-Expertinnen für nötig, dass sich die Arbeitsagentur, die ausbildenden Schulen und die Einrichtungen, in denen Quereinsteigende arbeiten sollen, auf gemeinsame Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber verständigen und dann entsprechend umfassend informieren. Das könne Enttäuschungen wegen falscher Erwartungen an die Tätigkeit vorbeugen. Doch wer Motivation und Qualifikationsbereitschaft mitbringt, ist willkommen. Die Befragten berichten meist über positive Erfahrungen mit ihren spätberufenen Auszubildenden beziehungsweise Arbeitskräften. Entscheidend ist aus ihrer Sicht neben der Teamfähigkeit der Anwärter, dass sie bereits "praktische Berührungspunkte" mit ihrem neuen Berufsfeld hatten - sei es im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres, eines Praktikums, in früheren Jobs oder im Privaten. Das kann der Taxifahrer sein, der Freude an der Unterstützung älterer Menschen und dabei das Gefühl hat, etwas Sinnvolles zu tun, oder die Betriebswirtin, die nach einer Familienauszeit lieber mit Kindern arbeiten möchte, als wieder ins Controlling zurückzukehren. 

Quereinsteigende gelten als belastbar und erfahren

Quereinsteigende sind gegenüber jüngeren Auszubildenden in mancher Hinsicht im Vorteil. Lehrkräfte in der theoretischen Ausbildung erleben sie als "sehr reflektiert und engagiert", in der betrieblichen Praxis gelten sie als "strukturiert, zielorientiert und belastbar". Das hat allerdings auch eine Kehrseite: Zuweilen kommt es zu Überforderungen, weil in Vergessenheit gerät, dass es sich bei den Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern trotz reichlicher Lebenserfahrung um Auszubildende handelt. Zudem tun sich jüngere Vorgesetzte sowie Praxisanleiterinnen und -anleiter gelegentlich schwer im Umgang mit älteren Quereinsteigern. Gelungene Quereinstiege setzen insofern auch "neue Personalkonzepte und eine gezielte Teamentwicklung auf Seiten der Kitas und Pflegeheime voraus", konstatieren die Autorinnen. Damit Alten- und Kinderbetreuung auch langfristig von den Quereinsteigern profitieren, müsse natürlich auch deren "Verbleib" in diesem Tätigkeitsfeld sichergestellt werden, heißt es in der Studie. Insbesondere in der Altenpflege sei dies fraglich, weil viele Befragte sich recht kritisch zu den Arbeitsbedingungen äußern und eine weitere Spezialisierung anstreben - womit bei der vom Personalmangel gebeutelten Grundversorgung nichts gewonnen wäre.

Autorinnen der Studie sind Mariana Grgic, Birgit Riedel, Lena Sophie Weihmayer, Nina Weimann-Sandig und Lisa Wirner. Sie ist abruufbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_392.pdf

 


Quelle: Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 02.11.2018