Photo by Mike Tinnion on Unsplash
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Rote Schuhe

Ich trage rote Schuhe. Sie sind weich und bequem. Am liebsten mag ich dazu die schwarze Hose, die neongrüne Jacke und den gelben Schal.
Dass rote Schuhe auch ein Symbol gegen Frauenmorde sind, wusste ich bisher nicht. Dabei finden schon seit über 20 Jahren Veranstaltungen statt, in denen rote Schuhe eine Rolle spielen. Es war Elina Chauvert, eine mexikanische Künstlerin, die 2009 zum ersten Mal rote Schuhe auf einem öffentlichen Platz installierte. Sie reagierte damit auf die Ermordung ihrer Schwester, die von ihrem Partner getötet worden war.

Rote Schuhe

Der 25. November ist der Tag gegen Gewalt gegen Frauen und viele Städte und Gemeinden beteiligten sich auch in diesem Jahr wieder mit einer „rote Schuhe Aktion“. Ungefähr 360 Paare müssten es sein, wenn auf einem öffentlichen Platz für jede Frau, die im Laufe eines Jahres in Deutschland getötet wird, ein Paar Schuhe aufgestellt werden. Dass in Deutschland fast jeden Tag eine Frau getötet wird, habe ich im November in mehreren Nachrichten gehört und gelesen. Jeden dritten Tag endet die Partnerschaftsgewalt für eine Frau tödlich, hieß es bisher, in diesem Jahr lese ich, dass die Zahlen steigen und dass etwa zwei Drittel der Tötungen dem Bereich der häuslichen Gewalt zugeordnet werden. Das wären etwa 250 Frauen oder an 2 von 3 Tagen stirbt eine Frau infolge der Partnerschaftsgewalt.
Auch da, wo ich wohne, nur eine Querstraße weiter, wurde vor 3 Jahren eine Frau von ihrem Mann erstochen, am helllichten Tag, vor den Augen ihrer beiden Kinder. Sie hatte ihrem Ehemann am Vortag mitgeteilt, dass sie sich trennen möchte und bei einer Freundin übernachtet. Am nächsten Tag war sie auf dem Weg zur Frauenhausberatungsstelle, er kam auf sie zu und stach mit einem Messer auf sie ein.

Die Nachbarn haben eine Initiative gegründet und einen Erinnerungsort gestaltet. Es gibt ein Hochbeet mit Blumen, eine Gedenktafel, und in diesem Jahr wurden rote Schuhe und Kerzen aufgestellt, und es fand eine Lesung statt. Ich habe mich der Nachbarschaftsinitiative auch angeschlossen, und wenn ich im Rahmen einer sozialpädagogischen Familienhilfe von häuslicher Gewalt erfahre, sage ich den Frauen immer, dass sie zuerst an die eigene Sicherheit denken und nicht in einer Streitsituation mit der Trennung drohen sollen. Denn in der Trennungsphase steigt die Gefahr, dass der Partner mit noch mehr Gewalt reagiert.

Ich denke an Frau Albert, die sich auch wegen der Gewalt des Partners getrennt hatte und schließlich mit den Kindern in eine andere Stadt umgezogen ist. Und ich denke auch an Familie S. Das ist nun schon einige Jahre her, dass ich da eine sozialpädagogische Familienhilfe nach Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt übernommen hatte. Und der Fall war deshalb so besonders, weil Herr S die Verantwortung für seine Gewalt übernahm und sich bei der Beratungsstelle gegen Männergewalt Hilfe suchte. Nun habe ich gehört, dass er mit einem Berater zusammen Workshops für Jungendliche plant und die beiden damit in die Oberschulen gehen wollen. Ich finde, es sollte viel mehr niedrigschwellige Täterarbeit geben, vielmehr Prävention, vielmehr Arbeit mit Jugendlichen.

Ich soll aufhören zu träumen und mich der politischen Realität stellen, sagt eine Stimme in mir, und die andere sagt: „Gib die Hoffnung nicht auf“.
Morgen treffe ich Arian, und ich werde ihm das mal vorschlagen, mit der Gewaltprävention. Sein Träger scheint sich zu stabilisieren, und er überlegt, wo er perspektivisch Schwerpunkte setzen könnte. Ich finde, die Investition in Täterarbeit ist auch ein Beitrag zum Kinderschutz, und in seinem Team gibt es 50% Männer, die überwiegend mit männlichen Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Ihre Katja Änderlich*


*Pseudonym der Autorin