Schutz ja, Paternalismus nein!
Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) warnt davor, das Selbstbestimmungsrecht pflegebedürftgier Menschen in der Krise zu stark zu beschneiden. Es darf nicht weiter zu Isolationsmaßnahmen gegen den Willen der Menschen kommen, mahnt die Fachgesellschaft an.
Die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) fordert, dass Selbstbestimmung, Partizipation und soziale Teilhabe für ältere Menschen trotz der Corona-Pandemie gewährleistet werden müssen. Denn restriktive Maßnahmen der sozialen Isolation seien gerade für die ältere Bevölkerung nicht nur schützend, sondern würden die erhebliche Gefahr bergen, sich schädigend auszuwirken – körperlich, sozial, kognitiv, emotional und versorgungsbezogen. Insbesondere werde sich die Situation älterer Menschen, die bereits vor der Corona-Pandemie von Einsamkeit, psychischen und sozioökonomischen Notlagen oder Gebrechlichkeit betroffen waren, verschärfen, wenn nicht in der gebotenen Eile gezielte Unterstützungs- und Begleitmaßnahmen ergriffen würden. Dies müsse, unter der Beachtung der speziellen Schutzbedingungen z. B. in Gemeinschaftsunterkünften (Heimen), vor allem durch Maßnahmen realisiert werden, die den Bedürfnissen und den zur individuellen Lebenssituation passenden Formen der sozialen Eingebundenheit entsprechen.
„Unbedingt abzulehnen ist die pauschalisierende und fremdbestimmte Isolierung älterer Menschen. Um deren soziale Teilhabe zu sichern, muss Altersdiskriminierung bewusstgemacht und entschieden entgegengetreten werden, etwa durch Vermeidung des kalendarischen Alters als Kriterium für Teilhabe und durch strikten Erhalt von Inklusion und Selbstbestimmung bei Beachtung der Heterogenität älterer Menschen“, fasst Prof.in Dr. Eva-Marie Kessler, aus dem Präsidium der DGGG, stellvertretend für ihre Fachkolleg*innen zusammen. Auf dieser Grundlage empfiehlt die DGGG unter anderem:
- Neben dem raschen Ausbau der Digitalisierung in Pflegeheimen müssen speziell geschützte Bereiche für Besuche ermöglicht werden und die Belegungskapazitäten kurzfristig verringert werden. Eine generell angeordnete vollständige Isolation von Pflegeheimbewohner*innen, auch durch Verbote, das Zimmer oder das Pflegeheimgelände zu verlassen, ist abzulehnen.
- Das kalendarische Alter darf auch weiterhin kein Argument für die Vorenthaltung von sozialen Teilhabemöglichkeiten sein, auch nicht in der Arbeitswelt.
- In den öffentlichen Medien müssen ältere Menschen selbst eine Stimme erhalten und als aktive, entscheidungs- und handlungsfähige Individuen angesprochen werden. Unterstützende Medienformate sind zu begrüßen.
- Angebote der Versorgungslandschaft, die ältere Menschen aufgrund ihrer aktuellen psychischen, körperlichen oder sozioökonomischen Situation in Anspruch nehmen (wollen), müssen für sie schutzmaßnahmenkonform auch während der Corona-Pandemie zugänglich gemacht werden.
Die DGGG ist eine wissenschaftliche Fachgesellschaft mit derzeit ca. 1200 Mitgliedern.Sie äußert sich regelmäßig zur Covid-19 Pandemie. Hier geht es zum vollständigen Statement der DGGG.
Quelle: Pressemitteilung der DGGG vom 24.4.2020