Soziale Arbeit mit Flüchtlingen – ein Konfliktfeld
In der Sozialen Arbeit mit Flüchtlingen wird die Aufrechterhaltung fachlicher Standards und ethischer Grundorientierungen immer schwieriger. Insbesondere ungünstige Rahmenbedingungen wie das rigide ausgelegte Asylrecht und ökonomische Interessen machen es Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern vielfach schwer, die Entfaltung und gesellschaftliche Eingliederung ihrer Klientel so zu unterstützen, wie es einer Menschenrechtsprofession eigentlich anstünde. Zu diesem Ergebnis kamen am 25./26.4.2014 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zur Flüchtlingsarbeit, die den Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) an der Fachhochschule Köln abschloss. Unter dem Titel „Konflikte – theoretische und praktische Herausforderungen für die Soziale Arbeit“ hatten sich rund 500 Kongressteilnehmerinnen und -teilnehmer in verschiedenen Panels und mehr als hundert Vorträgen zwei Tage lang mit den unterschiedlichsten Konfliktfeldern Sozialer Arbeit auseinander gesetzt. Bereits in den Eingangsvorträgen betonten die DGSA-Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Sabine Stövesand (Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg) und Prof. Dr. Herbert Effinger (Evangelische Hochschule Dresden), dass Soziale Arbeit nicht nur mit der Bearbeitung von Konflikten Anderer befasst sei, sondern auch selbst zwischen widersprüchlichen Anforderungen agieren müsse: Sie ist einerseits Anwältin sozial benachteiligter Einzelner und Gruppen, für deren Teilhabe und Entwicklung sie sich einsetzt, soll aber andererseits auch als Agentin ihrer Auftraggebenden deren Normen vertreten.Im Konflikt zwischen Helfen und Kontrollieren
„Auf welcher Seite stehst du denn?“ formulierte Herbert Effinger die Frage, welche Sozialarbeitende im Konflikt zwischen Helfen und Kontrollieren, Fördern und Fordern Nähe und Distanz beinahe notwendig umtreibt. Das heiße aber nicht, dass man Auseinandersetzungen mit der Klientel scheue. „Eine authentische und wirkungsvolle professionelle Hilfebeziehung, die in Konflikten operiert und auch selbst konfliktträchtig ist, erfordert meines Erachtens auch wechselseitige (Heraus-)Forderungen – man könnte auch Zumutungen sagen“. Von der Gefahr, Klientinnen und Klienten direkt zu schaden, sprach Prof. Dr. Notker Schneider von der Fachhochschule Köln, die den Kongress ausrichtete. Der Philosoph und Anthropologe vom Institut für Angewandte Sozialwissenschaften berichtete in der Podiumsdiskussion zur Flüchtlingsarbeit, dass Ausländerämter Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter verpflichten wollten, Informationen etwa zur Herkunft einzelner Asylsuchender weiter zu geben. So könne eine vertrauensvolle Kooperation gar nicht erst entstehen. Schneider regte an, dass die Hochschulen selbst Position beziehen, fachwissenschaftliche Standards an die Akteure in der Flüchtlingshilfe herantragen sowie sich bei der Entstehung von neuen Flüchtlingsunterkünften aktiv einbringen sollten. Dies würde vor dem Hintergrund neuerer Untersuchungsergebnisse, die Prof. Dr. Andreas Zick vom Bielefelder Institut für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung präsentierte. Demnach sind menschenfeindliche Haltungen unvermindert in der Gesellschaft verbreitet.Standards offensiv vertreten
Handlungsspielräume für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter verdeutlichte der Fall der Sozialarbeiterin Nina Schmitz. Dieser war bundesweit durch die Medien gegangen, weil Nina Schmitz aufgrund ihres Engagements für die ihr anvertrauten Flüchtlinge gekündigt worden war. Vom Gericht rehabilitiert, arbeitet sie heute nur noch in Heimen, in denen die Menschenrechte von Flüchtlingen geachtet werden und setzt sich dafür ein, demokratische Verhältnisse in Sammelunterkünften zu etablieren. Viele Standards guter Sozialer Arbeit sind sogar durch Landesgesetze gedeckt, so Schmitz. „Menschenrecht bricht nationales Recht“, betonte Prof. Dr. Nivedita Prasad, Leiterin des Masterstudiengangs „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ an der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin. Sie schlug vor, die Lebensbedingungen von Flüchtlingen dadurch zu humanisieren, dass möglichst viele unabhängige Instanzen in den Sammelunterkünften tätig seien und Flüchtlinge auch außerhalb der Heime stärkten: Etwa durch Psychotherapien für traumatisierte Menschen und Rechtsberatungen. Ihr Wunsch: Eine unabhängige Soziale Arbeit, die ganz ihren fachlichen Zielen und Mitteln verpflichtet ist und auf Interessen von Heimträgern keine Rücksicht nehmen muss. Um dies zu erreichen, sind politische Bündnisse wichtig, sagte die DGSA-Vorstandsvorsitzende Sabine Stövesand, die die Diskussion mit Prof. Dr. Gerd Sadowski von der Fachhochschule Köln moderierte. Statt problematische Arbeitsbereiche zu meiden, solle man sich mit anderen zusammen tun und die eigene Veränderungsmacht durch Bündnisse wie etwa mit Sozialen Bewegungen oder Gewerkschaften stärken. „Menschen nicht allein lassen, Hilfe stark machen, Kontrolle thematisieren und sich nach außen vernetzen“ könnten Schlüssel zum Umgang mit den gegenwärtigen Bedingungen in der Flüchtlingshilfe sein, so Sabine Stövesand.Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA)
Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Arbeit (DGSA) wurde im Jahre 1989 gegründet. Sie widmet sich der Förderung der Disziplin und Profession Sozialer Arbeit und entfaltet dafür eine Reihe von Aktivitäten in Forschung, Theorie und Lehre. Neben dem Fachdiskurs innerhalb der Sektionen und Fachgruppen gehören dazu auch die Veröffentlichung und Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie curriculare Weiterentwicklungen und die Förderung des wissenschaftlichen und professionellen Nachwuchses. Ebenso begreift die DGSA es als ihre Aufgabe, sich mit fachlichen Beiträgen aktiv in gesellschaftspolitische Debatten einzubringen. Die DGSA ist dem internationalen Fachdiskurs verpflichtet. Sie widmet sich der internationalen Zusammenarbeit und stärkt so die Identität und Wirksamkeit der Profession und Disziplin. Konferenzen, Symposien und Kolloquien ermöglichen Austausch im Sinne politischer, weltanschaulicher und fachlicher Pluralität. Die Gesellschaft ist dabei offen für das Zusammenwirken mit anderen Gremien und Fachvereinigungen, die ein Interesse an der Sache und am Gebiet der Sozialen Arbeit habeQuelle: Pressemitteilung der DGSA vom 02.05.2014