Über 100.000 Menschen ohne Krankenversicherungsschutz: Nationale Armutskonferenz fordert Verlängerung des Schuldenerlasses bei Krankenkassen
Über 100.000 Menschen in Deutschland haben die Möglichkeit zum Schuldenerlass in der Krankenversicherung nicht genutzt und sind nach wie vor nicht krankenversichert. Darauf macht die Nationale Armutskonferenz in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe aufmerksam und fordert ihn auf, die Frist zu verlängern, die Ende 2013 abgelaufen ist. Andernfalls seien die Betroffenen dauerhaft von der Krankenversicherung ausgeschlossen. „Die Frist muss dringend verlängert werden, sonst bleiben die Betroffenen auf ihren Beitragsschulden sitzen“, sagt Werena Rosenke, Stellvertretende Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz (nak). Genauso wichtig sei es, die Bedingungen für den Schuldenerlass zu verbessern. Nur so könne den zumeist einkommensarmen und mittellosen Nicht-Versicherten ein Krankenversicherungsschutz ermöglicht werden. „Ein Problem liegt insbesondere darin, dass Beitragsschulden nur erlassen werden, wenn keine Leistungen der Krankenkassen in Anspruch genommen wurden. Diese Regelung gilt z.B. auch für wohnungslose Männer und Frauen, die ohne Unterkunft auf der Straße leben, und sich im Notfall behandeln lassen mussten“, so Rosenke weiter. Ebenso seien die Mindestbeiträge Selbständiger bzw. ehemals privat Versicherter für viele Menschen mit Niedrigsteinkommen unbezahlbar. So liege der Mindestbeitrag für Selbständige in der gesetzlichen Krankenkasse bei ca. 300 Euro pro Monat. Nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) haben nur rund 5.000 Menschen, die bisher nicht krankenversichert waren, einen Aufnahmeantrag bei einer Krankenversicherung vor Ablauf der Frist gestellt. „Die geringe Beteiligung am Schuldenerlass ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Betroffenen davon gar nichts wussten“, so Werena Rosenke, „viele Betroffene nutzen weder Zeitungen noch Internet und die ansonsten selbstverständlichen Kommunikationswege. Eine dieser Situation angemessene Informationsstrategie wäre hilfreich und wichtig.“ Hintergrund des Schreibens an Minister Gröhe ist die zum 31.12.2013 ausgelaufene Frist zum Beitragsschuldenerlass für Nichtversicherte. Seit 2007 besteht eine Krankenversicherungspflicht in Deutschland. Menschen, die bisher ohne Versicherungsschutz waren, müssen in der Regel alle seit Einführung der Versicherungspflicht aufgelaufenen Beiträge inkl. Säumniszuschlägen bzw. Prämienzuschlägen in der Privaten Krankenversicherung nachbezahlen, selbst wenn sie keine Leistungen in Anspruch genommen haben. So haben sich bei über 100.000 Menschen hohe Beitragsschulden angehäuft, die sie aufgrund ihres geringen Einkommens nicht bezahlen konnten. Mit dem so genannten Beitragsschuldengesetz, das zum 1. August 2013 in Kraft getreten ist, wurde eine befristete Regelung zum Erlass dieser Schulden getroffen. Die Frist lief allerdings zum 31.12.2013 aus und noch immer sind laut Bundesamt für Statistik über 100.000 Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. Die Nationale Armutskonferenz (nak) ist im Herbst 1991 als deutsche Sektion des Europäischen Armutsnetzwerks (European AntiPoverty Network-EAPN) gegründet worden. Ihr Ziel ist, Bedürftigkeit in Deutschland zu minimieren. Mitglieder der nak sind: Arbeiterwohlfahrt Bundesverband, Armutsnetzwerk e.V., Armut und Gesundheit in Deutschland, BAG Schuldnerberatung, BAG Soziale Stadtentwicklung und Gemeinwesenarbeit, BAG Wohnungslosenhilfe, Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen, Bundesverband Die Deutsche Tafel e.V., Der Paritätische Wohlfahrtsverband, Deutscher Bundesjugendring, Deutscher Caritasverband, Deutscher Gewerkschaftsbund, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Deutschland – Evangelischer Bundesverband, Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, BAG der Landesseniorenvertretungen, Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V. Bei Rückfragen:· Werena Rosenke, Stellvertretende Sprecherin, c/o Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe, Tel.: 030/284 45 37-11, werenarosenke@bagw.de
· Christian Böhme, Pressesprecher, c/o Der PARITÄTISCHE Wohlfahrtsverband Hamburg, Tel.: 040/415201-59 | christian.boehme@paritaet-hamburg.de | www.nationale-armutskonferenz.de
Quelle: Pressemitteilung der Nationalen Armutskonferenz vom 26.02.2014