Ab 1. Oktober werden Schwerbehindertenvertretungen gewählt – aber längst nicht in allen Betrieben
Ab dem 1. Oktober werden, wie alle vier Jahre, die Schwerbehindertenvertretungen neu gewählt. Allerdings längst nicht in allen Betrieben, wie eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Denn zum einen beschäftigen viele Unternehmen keine Schwerbehinderten oder ihnen rechtlich gleichgestellte Personen – oder weniger, als die gesetzliche Quote vorsieht. Dabei zeigen die vom WSI ausgewerteten Daten der repräsentativen Betriebs- und Personalrätebefragung, dass – verglichen mit Daten der Bundesagentur für Arbeit zu allen Arbeitgebern in Deutschland – Arbeitgeber in mitbestimmten Betrieben ihre Pflichten eher erfüllen. Mitbestimmung scheint damit zu einer besseren Inklusion von Schwerbehinderten beizutragen. Zum anderen wird der Anspruch auf die Einrichtung einer Schwerbehindertenvertretung, die Menschen mit Behinderung unterstützt und als ihr Sprachrohr wirken soll, auch dort nicht überall eingelöst, wo genügend Wahlberechtigte arbeiten, so die Untersuchung von Dr. Florian Blank und Dr. Wolfram Brehmer.
Arbeitgeber mit mehr als 20 Beschäftigten sind in der Regel verpflichtet, fünf Prozent ihrer Stellen mit Menschen zu besetzen, denen das Versorgungsamt einen Grad der Behinderung von mindestens 50 auf einer bis 100 reichenden Skala attestiert. Auch Menschen mit geringerem Behinderungsgrad können diesen Schwerbehinderten gleichgestellt werden; darüber entscheidet die Arbeitsagentur. Wer die Vorgaben als Arbeitgeber nicht erfüllt, muss eine Ausgleichsabgabe zahlen.
Dennoch haben es schwerbehinderte Menschen – in Deutschland etwa 7,8 Millionen – auf dem Arbeitsmarkt schwer. Die Erwerbstätigkeit Behinderter bleibt deutlich hinter der nicht-behinderter Menschen zurück. Nach Daten der Bundesagentur für Arbeit erfüllen 62 Prozent der Arbeitgeber in der Privatwirtschaft die Quote nicht oder nicht vollständig und zahlen stattdessen die Ausgleichsabgabe. Bei den öffentlichen Arbeitgebern sind es laut BA 39 Prozent.
Besser mit Mitbestimmung
Die WSI-Untersuchung auf Basis einer repräsentativen Befragung von mehr als 3.200 Betriebs- und Personalräten ergibt, dass mitbestimmte Betriebe dabei im Vergleich zur Gesamtheit der von der Bundesagentur für Arbeit registrierten Arbeitgeber spürbar besser abschneiden. Betriebsräte in der nicht-gemeinnützigen Privatwirtschaft sagen zu 59 Prozent, dass ihr Arbeitgeber die Fünf-Prozent-Vorgabe erfüllt, unter den befragten Personalräten konstatieren das knapp 82 Prozent. „Offensichtlich sind mitbestimmte Betriebe besser darin, schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen in Arbeit zu integrieren“, so Brehmer und Blank.
Dennoch besteht hier ebenfalls Nachholbedarf. Das macht auch eine weitere Auswertungsebene der Befragung deutlich: Im Durchschnitt kommen lediglich der öffentliche Dienst und gemeinnützige Betriebe auf Beschäftigungsquoten von gut fünf Prozent. In den mitbestimmten Betrieben der gewinnorientierten Privatwirtschaft hingegen machen Schwerbehinderte oder ihnen Gleichgestellte nur 3,9 Prozent der Beschäftigten aus. Hier finden sich mit 11,6 Prozent auch häufiger Betriebe, die gar keine Schwerbehinderten beschäftigen. Besonders häufig kommt dies in kleineren Betrieben vor.
In Betrieben oder Dienststellen mit fünf Schwerbehinderten oder mehr sollen diese gemäß dem Neunten Sozialgesetzbuch eine Schwerbehindertenvertretung wählen. Laut WSI-Erhebung geschieht dies immerhin in drei Viertel der betreffenden kommerziellen, mitbestimmten Betriebe. Je mehr Schwerbehinderte es im Betrieb gibt, desto eher existiert eine Vertretung. „Umgekehrt könnte eine Schwerbehindertenvertretung auch zu einem höheren Anteil schwerbehinderter Beschäftigter beitragen“, schreiben Brehmer und Blank. In jedem Fall bestehe für Betriebs- und Personalräte dort, wo Menschen mit Behinderung bislang nicht repräsentiert sind, „ein klarer Handlungsauftrag“. So will es auch das Sozialgesetzbuch: Betriebs- und Personalräte „wirken auf die Wahl der Schwerbehindertenvertretung hin“.
Quelle: Pressemitteilung der Hans-Böckler-Stiftung vom 26.09.2022