Wie werden Hilfen zur Erziehung organisiert?
Die Kinder- und Jugendhilfe sieht eine Reihe von „Hilfen zur Erziehung“ vor, um Kinder, Jugendliche und Eltern zu unterstützen. Diese Hilfen reichen von der Beratung, über die sozialpädagogische Familienhilfe bis hin zur Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie oder Wohngruppe. Ein Forscherteam untersucht im Jugendamt, wie „Hilfen zur Erziehung“ organisiert werden und wie Kinder, Jugendliche und Eltern sie erleben.
Verschlossen ist das Jugendamt des Landkreises Hildesheim nicht. Im Gegenteil, es öffnet die Türen für die Forschung, sucht Kooperation. Man muss nur Ulrich Wöhler, Dezernent für Jugend und Soziales, begegnen und ahnt, dass dieses Bild einer Behörde – verriegelt, intransparent – so nicht der Realität entspricht. Zumindest nicht in Hildesheim. Wöhler leitet einen Bereich mit über 300 Mitarbeitern. Herzstück seiner Arbeit sind die Hilfen zur Erziehung und deren Planung. Die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe sieht eine Reihe von Hilfen vor, „wenn eine Familie nicht in der Lage ist, dem Erziehungsauftrag nachzukommen“. „Die intensivste Form der Hilfe ist die Unterbringung in einer Pflegefamilie oder Wohngruppe, was wir möglichst vermeiden.“ Wenn Jugendliche und deren Familien Unterstützung brauchen, dann werden sie, um den Vorgang zu organisieren, in Jugendämtern zu einem Fall. Wie solche Hilfen geplant werden, untersuchen Sozialpädagogen der Universität Hildesheim nun gemeinsam mit dem Jugendamt des Landkreises Hildesheim. „Wir schauen uns an, wie Hilfen für Kinder und Jugendliche bearbeitet werden. Wir untersuchen vor Ort in der Fallbearbeitung, wie diese Prozesse ablaufen, wie Diagnosen getroffen und wie Kinder und Jugendliche beteiligt werden. Wir wissen aus der Fachdebatte, dass die Beteiligung der Jugendlichen entscheidend ist für das Gelingen der Hilfen“, sagt Professor Gunther Graßhoff. Florian Hinken ist Jugendhilfeplaner im Landkreis, er erfasst, welche Jugendhilfeeinrichtungen es gibt, wie der Bedarf ist und wie die Zusammenarbeit mit freien Trägern erfolgt, die die Hilfen durchführen, etwa Wohlfahrtverbände. In der Hilfeplanung sei viel Abstimmung erforderlich. Das Verfahren ist „partizipativ“, so Hinken, „es soll nicht über Jugendliche entschieden werden, sondern mit ihnen gemeinsam“. Jugendliche bearbeiten „ihren Fall“ also auch selber. Die Hilfen zur Erziehung basieren zu etwa 85 Prozent auf Freiwilligkeit. Mit den Hilfen soll zum Beispiel erreicht werden, dass ein Kind den Schulbesuch positiv erleben kann. In manchen Familien geht es auch um die Grundversorgung, morgens ein Frühstück, mittags eine warme Mahlzeit. Manchmal leiden Jugendliche unter Trennungsstreitigkeiten der Eltern und Sozialpädagogen unterstützen die Familie dabei, damit umzugehen. Mitunter müssen in den Hilfen auch Gewalterfahrungen von Kindern und Jugendlichen bewältigt werden. Bisher ist wenig erforscht, wie die Hilfen zur Erziehung im Verlaufe der Zeit gesteuert und überprüft werden. Es liegen kaum Erkenntnisse darüber vor, wie die Empfänger der Hilfen, also Kinder, Jugendliche und Eltern, diese einschätzen, sagt Professor Wolfgang Schröer. Sind sie mit der Fallbearbeitung zufrieden? Was passiert mit Beschwerden? In dem zweijährigen Projekt „Hilfeplanung in den Hilfen zur Erziehung“ erfasst das Forscherteam seit 2015, wie Hilfeplanung in den einzelnen Schritten konkret umgesetzt und dokumentiert wird. Dabei sichten sie Akten, arbeiten eng mit den Fachkräften des Landkreises zusammen, diese schildern Fallbeispiele („good case“, „bad case“) und erfassen, wie Familien die Hilfen selbst einschätzen. Außerdem erarbeiten sie Kriterien für die zukünftige Fallbearbeitung. Landrat Reiner Wegner weist anlässlich der Unterzeichnung einer Kooperationsvereinbarung auf die bisherige jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen der Jugendhilfe im Landkreis Hildesheim und der Universität hin. Universitätspräsident Professor Wolfgang-Uwe Friedrich bezeichnet die Zusammenarbeit „als unsere gesellschaftliche Verpflichtung“. Das Hildesheimer Forscherteam arbeitet seit über zehn Jahren in der Kinder- und Jugendhilfe mit Einrichtungen und Behörden in Hildesheim zusammen und tauscht sich zum Beispiel in regionalen Kinder- und Jugendfachtagen aus. „Diese Nähe ist wichtig für unsere Studierenden“, so Schröer. Das Institut für Sozial- und Organisationspädagogik bildet in Bachelor- und Masterstudiengängen etwa 500 Fachkräfte aus.
Quelle: Pressemitteilung der Universität Hildesheim vom 24.06.2015
www.uni-hildesheim.de