23 Cent sind nicht genug
Das Bundessozialgericht hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass die im SGB II-Regelsatz festgelegten Mittel für den Schulbedarf von Jugendlichen zu niedrig ausfallen. Mit 23 Cent pro Tag komme man nachweislich nicht aus. Eine rückwirkende Geltendmachung ist möglich.
Die Regelsätze des SGB II enthalten pauschale Ausgaben für Bildung, aktuell 74 Cent für Kinder bis 6 Jahren, 54 Cent für 6 bis 14 jährige und 23 Cent für Jugendliche über 14. Obwohl das Bundesverfassungsgericht bereits 2014 die Politik aufgefordert hatte, die Sätze anzuheben, ist bis heute keine Anpassung erfolgt. Entscheidend war für das Gericht, dass zwar Regelsätze vorgesehen sind, diese aber nicht den tatsächlich anfallenden Kosten entsprechen. Aus diesem Grund haben Gerichte in der Vergangenheit Anträge auf Mehrbedarf bereits eher großzügig gehandhabt.
Ausschlaggebend war im konkreten Fall, dass keine Lernmittelfreiheit vorlag, die betroffenen Schüler*innen also dazu gezwungen waren, Schulbücher selbst anzuschaffen. Das Schulbuchurteil des BSG ist in solchen Fällen auch auf andere einmalige Schul- und Bildungsbedarfe übertragbar. Da der in den Regelbedarf eingeflossene Betrag für Schulbücher strukturell zu niedrig ist, muss solchen Sondersituationen, in denen ein höherer, überdurchschnittlicher Bedarf auftritt, und sich der Regelbedarf als unzureichend erweist, Rechnung getragen werden, entschied das Bundessozialgericht vergangene Woche. Diese Argumentation ist natürlich auf weitere einmalige und laufende Schulbedarfe übertragbar. Denn es gibt für diese keine eigenständige gesetzliche Anspruchsgrundlage. Möglicherweise liegt hier eine sogenannte Regelungslücke vor, die nun verfassungskonform durch Auslegung zu füllen ist. Denn die Anschaffung für Bildungsbedarfe, z.B. Schulbücher, muss nur einmal bezahlt werden, erfüllt jedoch einen laufenden Bedarf.
Geklagt hatten zwei Mütter aus Niedersachsen. Dort herrscht in der Oberstufe keine Lernmittelfreiheit. Die Jobcenter hatten die Anträge jeweils mit der Begründung abgelehnt, dass Schulbücher Bildungsausgaben sind, die bereits im Regelsatz enthalten sind.
Quelle: Thomé-Newsletter vom 12.5.2019 / Pressemitteilung des Bundessozialgerichts vom 8.5.2019