Aktuelle Studienergebnisse zur Situation der „Familienbildung und Familienberatung in Deutschland" erschienen
Familienbildung und Familienberatung leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Stärkung von Familien in Deutschland. Das ist eines der zentralen Ergebnisse der von der Prognos AG durchgeführten Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums.
Auf der Datenbasis von insgesamt 2.188 Einrichtungen aus allen 16 Bundesländern liegt nun eine aktuelle und umfassende Bestandsaufnahme der Strukturen, Themen und Angebote der Familienbildung und Familienberatung in Deutschland vor. Familienbildung und Familienberatung in Deutschland zeichnen sich durch eine große Reichweite und ein breites Spektrum an Unterstützungsangeboten aus. Laut der Studie werden insgesamt rund 1,6 Mio. Menschen im Jahr 2019 von den befragten Einrichtungen durch familienbezogene Angebote erreicht. Beratungsleistungen werden zudem in 630.000 Fällen angeboten.
Der thematische Schwerpunkt der Familienbildung liegt bei den bewährten familienbezogenen Präventionsangeboten zur Stärkung der Erziehungs- und Alltagskompetenzen von Eltern. Aktuelle familienpolitische Themen haben ebenfalls Relevanz: Integration, partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Medienbildung sowie finanzielle Fragen der Familien stellen weitere bedeutsame Inhalte in der Familienbildung dar.
Rund 70.000 familienbezogene Präventionsangebote werden von den befragten Einrichtungen im Jahr 2019 realisiert, mehrheitlich in der Familienbildung. Zudem werden zahlreiche niedrigschwellige offene und aufsuchende Angebote umgesetzt: Rund drei Viertel der Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung bietet offene Angebote an (z.B. Elterncafés oder Elterntreffs), jede fünfte Einrichtung arbeitet aufsuchend. Dies führt durch die Reduzierung von Zugangsbarrieren zu einer besseren Erreichbarkeit von Familien, die bislang wenig oder gar keine Angebote aus der Familienbildung in Anspruch genommen haben.
88% der befragten Einrichtungen, überwiegend in der Familienberatung, führen im Jahr 2019 individuelle Beratungsangebote durch. Beratungen zu Trennung und Scheidung, zu Belastungen von Kindern und Jugendlichen durch familiäre Konflikte und/oder zu Problemlagen der Eltern werden dabei am stärksten in Anspruch genommen.
Bildungsbegleitung etabliert sich als neues Tätigkeitsfeld
Angebote der Bildungsbegleitung werden von 43 Prozent der befragten Einrichtungen umgesetzt und jede zehnte Einrichtung ohne solche Angebotsformen plant eine Umsetzung in den nächsten fünf Jahren. Besonders aktiv in der Bildungsbegleitung sind die Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung. Sie stehen Eltern in Bildungsfragen der Kinder mit konkreten Hilfestellungen zur Seite und wirken ungleichen Bildungschancen von Anfang an entgegen.
Die Einrichtungen der Familienbildung und Familienberatung erreichen eine Vielfalt von Familien
Die Angebote der Familienbildung und Familienberatung knüpfen an die unterschiedlichen Lebenslagen und entsprechend vielfältigen Bedarfe der Familien vor Ort an. Somit werden verschiedene Familienformen und Familientypen erreicht. Familien in besonderen familiären Belastungssituationen (z.B. Familien in/nach Trennung und Scheidung) finden ebenso Zugang zu den Unterstützungsangeboten wie Familien in benachteiligen Lebenslagen. Sie erhalten durch niedrigschwellige Kontakt- und Informationsangebote leichter Zugang zur familienbezogenen Infrastruktur. So werden in den befragten Einrichtungen Angebote mehrheitlich von Teilnehmenden mit niedrigem (42 Prozent) oder mittlerem (42 Prozent) sozialem Status genutzt. Der Anteil von Vätern in den Bildungs- und Beratungsangeboten liegt hingegen nur bei 22 Prozent und ist seit der letzten Bestandsaufnahme von 2006 (mit 17 Prozent Väteranteil) nur langsam angestiegen. Für die Zukunft gilt es, zum einen Väter, zum anderen aber auch Familien mit Migrationshintergrund und geflüchtete Familien noch besser zu erreichen.
Komm-Strukturen werden weiterhin vorrangig genutzt, zukünftig jedoch verstärkt durch Geh-Strukturen und digitale Zugänge ergänzt. Familien werden weiterhin vorrangig durch räumlich gebundene Angebote in den Einrichtungen (sog. Komm-Strukturen) erreicht. Für die nächsten fünf Jahren erwarten die befragten Einrichtungen jedoch einen höheren Stellenwert alternativer Zugangsmöglichkeiten: Angebote an Orten, an denen sich Familien im Alltag aufhalten (sog. Geh-Strukturen) sowie digital geprägte Angebote werden bereits genutzt und nehmen nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Digitalisierungsschub in der Corona-Pandemie an Bedeutung zu. Durch vielfältige Zugangswege können Familienbildung und Familienberatung somit ihren Adressat*innenkreis vergrößern.
Enge Kooperationen vor Ort spielen eine wichtige Rolle für Familienbildung und Familienberatung
Die Einrichtungen von Familienbildung und Familienberatung sind Teil einer vernetzten familienbezogenen Infrastruktur in den Kommunen. Die Angebote der Familienbildung werden immer häufiger auch an den Bildungs- und Betreuungseinrichtungen der Kinder angesiedelt. Zudem hat sich eine Öffnung in den Sozialraum vollzogen: Das Jugendamt gilt dabei als wichtigster Kooperationspartner, gefolgt von Orten und Einrichtungen, mit denen Familien im alltäglichen Kontakt stehen, wie beispielsweise Frühe Hilfen, Kitas oder Schulen. Auf diese Weise können Einrichtungen der Familienbildung und Familienberatung koordiniert handeln und Familien besser erreichen.
Die Corona-Pandemie führt zur Schaffung neuer, insbesondere digitaler Angebote
Durch die Einschränkungen in der Arbeit der Familienbildung und Familienberatung während der Corona-Pandemie konnten im Jahr 2020 viele Angebote nicht mehr in der bisherigen Form durchgeführt werden. Dennoch haben zwei Drittel der befragten Einrichtungen diese besondere Herausforderung erfolgreich genutzt, um bestehende Angebote auszubauen und darüber hinaus neue digitale Angebote zu schaffen. Auch aufsuchende Angebote wurden im Bereich der Familienbildung verstärkt durchgeführt. Der Kontakt zu vielen Familien konnte somit aufrechterhalten werden. Eine eingeschränkte Erreichbarkeit wurde von einem Drittel der Einrichtungen für Familien mit Migrationshintergrund und für Familien mit wenig Internetkenntnissen festgestellt.
Familienbildung und Familienberatung haben sich in den letzten 15 Jahren deutlich gewandelt
Im Vergleich zur letzten Bestandaufnahme der Familienbildung in Deutschland von 2006 können abschließend folgende Entwicklungstrends bilanziert werden:
- Es dominieren bei den Angeboten der Familienbildung weiterhin Kurse bzw. Gruppen (v.a. Eltern-Kind-Gruppen für junge Familien). Das Angebotsspektrum der Familienbildung ist jedoch deutlich gewachsen: Drei Viertel der Einrichtungen bieten offene Angebote an und verstärkten im Vergleich zu 2006 die aufsuchenden Angebote.
- Digitale Zugangswege finden in Folge gesellschaftlicher Veränderungen in der Familienbildung und Familienberatung vermehrt Anwendung und werden zukünftig zur Ergänzung bestehender Angebote genutzt.
- Eine Öffnung zu bislang eher wenig erreichten Zielgruppen ist insgesamt festzustellen. So werden sozial benachteiligte Familien inzwischen deutlich besser angesprochen. Ihr Anteil wuchs zwischen den Jahren 2006 und 2019 um insgesamt 27 Prozentpunkte (von 15 auf 42 Prozent). Zudem lässt sich ein Zuwachs bei den Vätern feststellen, allerdings auf niedrigem Niveau (von 17 auf 22 Prozent).
- Ein Mehrbedarf an Angeboten besteht weiterhin. Neben sensumotorischen Angeboten sowie Angeboten rund um die Geburt betrifft dies Angebote der Bildungsbegleitung. Insbesondere der Bedarf an niedrigschwelligen offenen und aufsuchenden Angeboten ist noch nicht gedeckt.
Der Abschlussbericht der Bestandsaufnahme steht Interessierten online auf der Website des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (www.bmfsfj.de/) sowie auf der Website der Prognos AG (www.prognos.com/de) zur Verfügung.