Amtliche Zahlen zum Mangel an Pflegepersonal - Nur Spitze des Eisberges?
Die Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), Prof. Christel Bienstein, ist davon überzeugt, dass die jetzt über eine Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage im Deutschen Bundestag bekannt gewordenen aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nur die Spitze des Eisbergs beim Pflegepersonalmangel darstellt.
Wir wissen, so Bienstein, "dass die meisten Arbeitgeber ihre freien Stellen gar nicht mehr bei der Bundesagentur melden, da diese nicht mit Arbeitssuchenden helfen können.“ Hinzu käme, dass die nicht besetzten Stellen auf der Basis viel zu niedriger Stellenpläne berechnet werden. Nach Bienstein braucht die Pflege insgesamt mindestens 100.000 Stellen mehr, um gute Versorgungsqualität in der Pflege sicherstellen zu können.
Die amtlichen Zahlen sprachen von mindestens 36.000 nicht zu besetzenden Stellen in der Pflege, davon 26.000 Stellen für Pflegefachpersonen, also dreijährig ausgebildetes Pflegepersonal. Dem stehen deutlich weniger arbeitssuchende Fachkräfte gegenüber.
Bienstein dazu: "In der Summe sprechen wir also von einem Mangel von deutlich über 126.000 Stellen in der professionellen Pflege.“
Mangel verschäft Ausbeutung
Der DBfK kritisiert: Der Mangel verschärft die Ausbeutung der Pflegenden mit der Folge chronischer Überlastung, des Ausbrennens und letztendlich des Ausstiegs aus dem Beruf. Entstanden sei er durch Rahmenbedingungen, die pflegerische Qualität nur schwer möglich und deshalb den Beruf insgesamt unattraktiv gemacht haben. Verursacht worden sei er durch eine verfehlte Personal- und Ausbildungspolitik, die eine notwendige Ausbildungsreform viel zu lange verzögert hat und auch Ausbildungskapazitäten, die nicht ausreichend geplant wurden.
Eine Entschärfung der Situation sei nur zu erreichen durch ein umfassendes Gegensteuern. Dies muss nach Ansicht des DBfK beinhalten:
- Bessere Rahmenbedingungen pflegerischer Arbeit
- Vor allem durch eine bessere Personalausstattung
- eine qualitative und quantitative Investition in die Ausbildung
- eine bessere und gerechte Vergütung pflegerischer Arbeit.
Mangel als Folge fehlender Wertschätzung
Der Mangel ist auch Folge der fehlenden Wertschätzung des Beitrages pflegerischer Fachkompetenz zur Versorgungs- und Lebensqualität von Pflegebedürftigen und kranken Menschen, kritisiert der DBfK: Pflege sei weit mehr ist als Rücken waschen, Essen reichen und nett sein. Professionelle Pflege unterstützt die Betroffenen dabei, in Krankheit oder bei Pflegebedürftigkeit Lebensqualität und Selbständigkeit zu bewahren bzw. wieder zu erlangen. Sie berät und leitet an. Sie erkennt frühzeitig Risiken für Gesundheit. Der Berufsverband wehrt sich gegen den Vorwurf mancher Arbeitgeber, man strebe die "Medizin light" in der Pflegeausbildung an. Pflege gehöre zwar zu den Heilberufen wie die Medizin, sei aber etwas anderes als Medizin. Sie betreue Menschen mit medizinischen Problemen, seiaber keine Arztassistenz. Medizinisches Wissen sei dann nicht „Medizin light“ sondern Grundlagenwissen im Krankenhaus ebenso wie im Pflegeheim und zu Hause. Insofern seien die Anforderungen in der neuen Ausbildung adäquat und keinesfalls zu hoch. Fast überall auf der Welt verlangt eine pflegerische Berufstätigkeit ein Hochschulstudium. Deutschland sei hier in der EU Schlusslicht!
Quelle: DBfK-Pressemitteilung am 25. April 2018