Asyl und Kinderrechte: EU muss Humanität beweisen
In einem eindringlichen Appell fordern zahlreiche Verbände die Bundesregierung auf, im Zuge der anstehenden EU-Ratspräsidentschaft ein Zeichen für ein humanitäres Europa zu setzen. An der bevorstehenden Neuausrichtung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems (GEAS) wird sich zeigen, wie ernst die EU den Schutz von Kinderrechten nimmt.
Die sogenannte Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union ist in den vergangenen Jahren zu dem europapolitischen Reizthema geworden. Während linke und zum Teil auch liberale Kräfte eine harte Grenzpolitik mit Verweis auf die Wahrung von Menschenrechten ablehnen, nutzen konservative, vor allem aber auch rechtspopulistische Parteien das Thema, um sich vor der eigenen Wählerschaft mit einer radikalen Anti-Migrationspolitik zu profilieren: In zahlreichen EU-Staaten können Letzgenannte mit viel Applaus und Zustimmung rechnen, und das trotz der schrecklichen Bilder von Ertrinkenden, überfüllten Flüchtligslagern und Berichten über Folter und andere Grausamkeiten, zum Beispiel in Libyen.
EU-Ratspräsidentschaft als Chance
Da Deutschland im Sommer die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, ist der auf der Bundesregierung lastende Druck groß. Sie möchte mit einer Neuausrichtung der Asylregeln eine EU-weite Lösung für Schutzsuchende erarbeiten, um Zustände, wie sie derzeit auf den griechischen Inseln herrschen, zukünftig zu vermeiden. Nun haben insgesamt 42 Verbände und Organisationen einen gemeinsamen Aufruf gestartet, um die Bundesregierung daran zu erinnern, dass es sich bei ca. einem Drittel der Geflüchteten, die eine Einreise in die EU anstreben, um Minderjährige handelt, also Menschen, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Die unterzeichnenden Organisationen machen deutlich, dass Deutschland während seiner EU-Ratspräsidentschaft die Chance habe, auf Grundlage humanitärer Werte "ihre Verpflichtung gegenüber Kindern in der Asylpolitik der Europäischen Union voranzubringen".
Hierzu zähle auch, an den Außengrenzen dafür zu sorgen, dass es nicht weiter zu sogenannten 'Push-backs' kommt, einer Praxis, mit der Menschen, die die Außengrenzen (vornehmlich an der bosnisch-kroatischen Grenze) passieren konnten, gewaltsam zurückgedrängt werden, obwohl sie einen Asylantrag stellen möchten. Hiervon seien oftmals Kinder und Jugendliche betroffen: Berichtet wird von Schlägen, Hundebissen und Demütigungen.
Die Sicherung des Kindeswohls steht über anderen Normen
Die Organisationen fordern, dass für alle Kinder und Jugendlichen individuell geprüft werden muss, welche Lösung ihrem Schutz am besten dient. Es dürfe keinesfalls weiter dazu kommen, dass Jugendlichen ihre Grundrechte verwehrt würden. Auch müsse dafür gesorgt werden, dass Minderjährige nicht allein aufgrund ihres Einreiseersuchens inhaftiert werden. Haft führe gerade bei jungen Menschen zu nachhaltigen psychischen und gesundheitlichen Schäden, die sich dramatisch auf die Entwicklungsperspektiven der Betroffenen auswirke. Unbegleitete Kinder und Jugendlichen müssten vielmehr unmittelbar in das Land gebracht werden, das sich aufgrund individueller Bedingungen am besten eigne: Leben Verwandte des Kindes in den Niederlanden, macht es normalerweise keinen Sinn, es nach Frankreich oder Deutschland zu verteilen. Allerdings kann es auch gute Gründe dafür geben, das Kind nicht zu Verwandten zu bringen, das muss - wie in Kindesschutzverfahren üblich - individuell geprüft werden. Nicht zuletzt fordern die Unterzeichner Schulungsmaßnahmen für Grenzschutzbeamt*innen. Dies "müssen erkennen können, wenn Anzeichen für Menschenhandel und andere Kinderrechtsverletzungen vorliegen."
Mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen sollen die EU-Mitgliedsstaaten also zu einer Abkehr von ihrer in weiten Teilen inhumanen Migrationspoliitk bewegt werden. Ob dies gelingen wird, auch und gerade in Zeiten Corona-bedingter Grenzschließungen, muss leider bezweifelt werden.
Zu den unterzeichnenden Organisationen zählen u.a.der AWO Bundesverband, der Deutsche Caritasverband, der Kindeschutzbund und Pro Asyl. Das komplette Forderungspapier finden Sie hier.