Die Crux mit den Tests
Pflegeverbände sind empört, dass Politiker einen Wiederbeginn der Fußball-Bundesliga in Aussicht stellen. Der Grund: Solange Pflegekräfte nicht flächendeckend gescreent werden können, ist die Organisation von bis zu 25.000 Corona-Tests für Profifußballer, Trainer und Funktionsteams moralisch nicht zu vertreten.
„Mich macht diese Diskussion fassungslos. Es kann nicht sein, dass wir jeden testen, der sich laut genug überall beschwert, aber die Pflegekräfte und die Pflegebedürftigen bestenfalls dann, wenn es einen bestätigten Fall gibt", bringt es Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) auf den Punkt. Hintergrund: Die Ministerpräsidenten der beiden größten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern, Armin Laschet und Markus Söder, hatten in der vergangenen Woche gegenüber der Bild mehr oder weniger deutlich erklärt, sie könnten sich auf Grundlage des Hygienekonzepts der Deutschen Fußballliga (DFL) eine Wiederaufnahme der Saison mit sogenannten Geisterspielen vorstellen. Als Datum für den Wiedereinstieg in die Saison ist der 9.Mai im Gespräch. Das Konzept der DFL sieht unter anderem vor, dass Spieler, Trainer sowie Mitglieder der umfangreichen Funktionsteams einen Tag vor dem jeweils nächsten Spiel auf das Coronavirus getestet werden sollen, so dass keine positiv getesteten Spieler auf dem Platz stehen und es nicht zu Ansteckungen kommt.
Regelmäßige Tests für Fußballer, aber nicht für Pflegekräfte?
Bernd Meurer sieht hierin eine völlig falsche Prioritätensetzung: In der Pflege gehe es um „die Verhinderung schwerer Krankheitsverläufe. Fußball ist ein Spiel, nicht mehr und nicht weniger.“ Der bpa weist darauf hin, dass es für Pflegeeinrichtungen häufig immer noch schwierig ist überhaupt an Tests zu kommen. In der Mitteilung des Verbandes heißt es: „Selbst bei Verdachtsfällen ist ein Test aller Mitarbeiter und Bewohner nicht überall gewährleistet. Wir brauchen regelhafte und wiederholende Tests." Was die Bundesligavereine offenbar aufgrund ihrer finanziellen Potenz innerhalb kurzer Zeit organisieren konnten, bleibt professionell Pflegenden und Pflegebedürftigen häufig verwehrt: Regelmäßige Tests zur Vermeidung von Infektionsketten in Pflegeeinrichtungen.
Andere Profiligen haben die Saison bereits abgebrochen
Es würde sich also ein denkbar schräges Bild ergeben: Während der Ball wieder rollt, damit die Vereine ihre benötigten TV-Einnahmen kassieren können, müssen diejenigen, die für die Versorgung alter und kranker Menschen verantwortlich sind, um eine Erhöhung der Testkapzitäten betteln. Für die Vereine würde der Neustart übrigens allenfalls eine kurzfristige finanzielle Entlastung bringen. Sportlich interessant sind die Spiele selbst für die treuesten Anhänger der Clubs, die sogenannten Ultras, nicht mehr. Und weshalb andere beliebte Profiligen, z.B. die Eishockey- und Hanballbundesliga ihre Saison abbrechen konnten, der Fußball hierzu jedoch nicht in der Lage sein soll, ist mehr als fragwürdig. Schließlich kann auch in diesen Sportarten aktuell kein Geld verdient werden. Bernd Meurers Fazit ist eindeutig: „Brot und Spiele? Aus unserer Sicht braucht die Situation in den Pflegeeinrichtungen einen deutlichen und erkennbaren Vorrang."