NeONBRAND / Unsplash

Droht eine Ausbildungskrise?

Gewerkschaften und Verbände schlagen Alarm: Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise werden dazu führen, dass weniger Betriebe ausbilden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) fordert daher Extra-Mittel für die betriebliche und außerbetriebliche Ausbildung junger Menschen.

Anlässlich der Veröffentlichung des Berufsbildungsbericht 2020 macht die BAG EJSA auf weitere mögliche schwerwiegende Folgen der Corona-Krise aufmerksam: „Mit großer Sorge nehmen wir zur Kenntnis, dass Maßnahmen zur Eingrenzung der Covid-19-Pandemie die berufliche Bildung im Kern treffen. Ausbildungseinrichtungen sind eng mit der der Wirtschaft verbunden, besonders kleine und mittlere Unternehmen ringen um ihre Existenz. Gerade sie sind es aber, die junge Menschen mit besonderen Unterstützungsbedarfen Ausbildung und Einstieg in den Arbeitsmarkt ermöglichen“, so Petra Densborn, Vorständin der BAG EJSA und Regionalvorständin des CJD Deutschland, einem der größten Anbieter von Maßnahmen beruflicher Bildung für benachteiligte junge Menschen.

Ein Viertel der Betriebe denkt über Streichung von Azubi-Stellen nach

Einig sind sich die Expert*innen, dass die Wirtschaftsleistung im Land zumindest kurzfristig deutlich sinken wird. Die Folgen der Pandemie werden aller Voraussicht nach in Deutschland zu einer schweren Rezession führen. Wie groß das Ausmaß der Krise ist, verdeutlichen zwei Zahlen: Insgesamt bilden nur noch knapp 430.000 Betriebe in Deutschland aus – schon Mitte April haben rund 725.000 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Aufgrund von massiver Kurzarbeit, Betriebsschließungen und wirtschaftlichen Einbußen als Folge der Pandemie ist zu befürchten, dass Betriebe ihr Ausbildungsengagement radikal einschränken. Die Ergebnisse einer aktuellen bundesweiten Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks belegen, dass ein Viertel aller Handwerksbetriebe trotz des Fachkräftemangels für das kommende Ausbildungsjahr weniger Lehrstellen besetzen will. Einmal gestrichene Ausbildungsplätze sind erfahrungsgemäß oft auf Dauer verloren. Dieser zu erwartende drastische Rückgang beim Abschluss von Ausbildungsverträgen wird zu einer verstärkten Selektion bei der Auswahl Auszubildender führen. Junge Menschen mit Beeinträchtigungen, die mit Haupt- und Förderschulabschluss oder ohne eine formale Qualifikation in die berufliche Bildung gehen wollen, werden die Verlierer*innen sein. Das darf nicht zugelassen werden.

Es fehlt an digitaler Ausstattung

In der aktuellen Krise haben die Träger der beruflichen Bildung große Anstrengungen unternommen, um alternative Lernformen zu entwickeln. Dabei zeigte sich erneut, dass viele junge Menschen nicht über die nötige digitale Ausstattung verfügen. Junge Menschen aus sozial benachteiligten und bildungsfernen Elternhäusern sind auch hier besonders betroffen. Auch die Bildungseinrichtungen haben großen Bedarf an moderner technischer Infrastruktur für guten, digitalen Fernunterricht. „Wir brauchen einen Digitalpakt für berufliche Bildung. Mit oder ohne Corona-Krise: Digitalisierung ist eine weiter wachsende Herausforderung, insbesondere für die überwiegend öffentlich finanzierten Bildungsträger“, betont Petra Densborn. Die Bereitstellung der notwendigen Hard- und Software, stabiler Netzverbindungen und adäquater Sicherheitstechnik sei oft mit Kosten verbunden, die nicht refinanziert werden. Um eine gute Ausbildung für alle jungen Menschen sichern zu können bedürfe es hier mehr Unterstützung für die Einrichtungen und Dienste der Jugendsozialarbeit.

Mehr außerbetriebliche Ausbildungsplätze erforderlich

Die BAG EJSA unterstützt die Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) mit seiner Forderung nach einem Schutzschirm für Ausbildung – gemeinsam mit Bund, Ländern und Arbeitgebern. Dazu müssen zumindest in den kommenden beiden Jahren neben der betrieblichen Ausbildung verstärkt auch außerbetriebliche Plätze angeboten werden. Dafür sind staatliche Mittel notwendig. Ohne geeignete Schutzschirm-Maßnahmen ist zu befürchten, dass sich die bestehende soziale Ungleichheit auf dem Ausbildungsmarkt weiter drastisch verschärft. Dies wäre ein Armutszeugnis für eines der reichsten Länder der Welt – und eine gesellschaftliche Katastrophe, deren Ausmaß nicht abschätzbar ist.


Quelle: Pressemitteilung der BAG EJSA vom 15.5.2020