„Es reicht noch nicht"
Studienergebnisse der Bertelsmann-Stiftung belegen aufs Neue, dass die Qualität der Bildungsangebote für KiTa-Kinder im bundesweiten Vergleich stark variiert. Deutlich wird anhand der aktuellen Zahlen vor allem eines: Die Politik hat das Problem des Fachkräftemangels noch immer nicht im Griff.
Frühkindliche Bildung gilt als einer der wichtigsten Faktoren im Kampf gegen die sich weiter vergrößernde Bildungs- und Einkommensungleichheit. Expert*innen erklären schon seit langem, dass kein Weg an einer strukturellen Aufwertung von Krippen und KiTas vorbeiführt, damit der Bildungsauftrag auch für die Kleinsten erfüllt werden kann. Doch neueste Daten, die gemeinsam von der Bertelsmann Stiftung und der Fernuni Hagen ausgewertet wurden, deuten darauf hin, dass sich in den vergangenen Jahren nur sehr wenig getan hat. Sorge bereitet unter anderem, dass die Verhältnisse regional höchst unterschiedlich sind.
Personalschlüssel als wichtigstes Bewertungskriterium
Um die Qualität in KiTas einschätzen zu können, bedarf es vor allem genauer Zahlen über den Personalschlüssel in den Einrichtungen. Das ist naheliegend, denn das beste Konzept ist nicht umzusetzen, wenn Personalmangel herrscht und Erzieher*innen ständig in unterschiedlichen Gruppen 'aushelfen' müssen. Schaut man auf die aktuellen Zahlen (Stichtag war der 1.3.2019), zeigen sich hinsichtlich der quantitativen Ausstattung der KiTas und Krippen immer noch dramatische Unterschiede. Während z.B. in Baden-Württemberg durchschnittlich eine Fachkraft auf etwa 7 Kinder trifft, liegt dieser Wert in Mecklenburg-Vorpommern bei ca. 1 zu 13. Nach Empfehlungen von Fachleuten sollte der Personalschlüssel in KiTas bei maximal 1 zu 7,5 liegen, damit qualitativ hochwertige Bildungsarbeit stattfinden kann. Im Bundesschnitt ergab sich ein Wert von 1 zu 8,8. Da verwundert es nicht, dass im Bundesschnitt 54% aller KiTa-Gruppen größer sind als empfohlen. Die Gruppengröße ist mit Blick auf das Lärm- und Stressniveau und mögliche gesundheitliche Beeinträchtigungen für Kinder und Fachkräfte entscheidend.
Bei den Krippen ergibt sich ein ähnliches Bild: Die Empfehlung lautet für die Allerkleinsten, dass eine Fachkraft maximal drei Kinder betreuen sollte. In der Realität liegt der Wert im Bundesschnitt bei 4,2. Doch auch hier verstören vor allem die riesigen regionalen Unterschiede. Schlusslicht ist erneut Mecklenburg-Vorpommern, wo auf eine Fachkraft im Schnitt sechs Kleinkinder kommen. Spitzenreiter Bremen erreicht exakt die Empfehlung von 3,0 Kindern auf eine Betreuunsperson.
Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, erkennt an, dass es in den letzten Jahren erste Fortschritte gegeben hat. Doch mit Blick auf den in vielen KiTas immer noch grassierenden Personalmangel fordert er weitere gemeinsame Anstrengungen: „Dem Personalmangel müssen wir mit Bündnissen von Bund, Ländern, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften begegnen. Gemeinsam müssen sie attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen schaffen, eine angemessene Bezahlung durchsetzen und berufsbegleitend Unterstützungs- und Beratungsstrukturen anbieten.“
Unterschiedliche Qualifikationsniveaus verhindern qualitativ hochwertige Arbeit
Auch die Frage nach der Qualifikation des eingesetzten Personals beschäftigte die Forscher*innen. Hierbei ist vor allem die Frage entscheidend, wie viele der eingesetzten Fachkräfte eine vollwertige Erzieher*innen-Ausbildung durchlaufen haben. Während in Ostdeutschland der Anteil an fertig ausgebildeten Erzieher*innen bei über 82 % liegt, erreichen die westdeutschen Bundesländer nur einen Wert von 66%. Hier ist der Anteil an Assistent*innen und Hilfskräften somit deutlich höher als im Osten. Gerade wenn in KiTas Personalmangel herrscht, ist das niedrigere Qualifikationsniveau problematisch, weil weniger gut ausgebildetes Personal zwangsläufig Aufgaben übernehmen muss, für die sie nicht ausreichend qualifiziert sind.
Dräger fordert vor allem mehr finanzielle Mittel für das System. So müsse dauerhaft sichergestellt werden, dass genügend Geld in die frühkindliche Bildung fließe. Dräger: „Auch wenn in den vergangenen Jahren schon viel für die Kitas gemacht wurde: es reicht noch nicht! Gute pädagogische Arbeit für die Kleinsten geht nur mit zusätzlichen Mitteln und braucht auch die angemessene und dauerhafte Finanzierungsbeteiligung des Bundes.“
Paritätischer wünscht sich bessere Anreizmöglichkeiten für angehende Erzieher*innen
Der Paritätische Gesamtverband, gleichermaßen Interessenvertreter von KiTas in ihrer Rolle als Arbeitgeber wie auch sozialpolitisch relevanter Wohlfahrtverband, setzt sich für eine ganzheitliche Betrachtung des Systems Kindertagesbetreuung ein. Es fehle schlicht an „attraktiven Rahmenbedingungen", so Marion von zur Gathen, Leiterin der Abteilung Soziale Arbeit im Paritätischen Gesamtverband. Hierfür seien neben der Bezahlung die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen entscheidend. Und zu diesen gehöre auch der Personalschlüssel. Zudem müsse sich der Bund „an der Ausweitung der Ausbildungskapazitäten für pädagogische Berufe beteiligen." Hierbei sei zu berücksichtigen, dass den Einrichtungen genügend zeitliche Ressourcen für die Anleitung der angehenden Erzieher*innen eingeräumt werden.
Die Studienergebnisse der Bertelsmann Stiftung sowie viele weitere Zahlen und Daten finden Sie unter https://www.laendermonitor.de. Zu den Ergebnissen des 'Gute-Kita-Berichts 2020' des Paritätischen Gesamtverbandes, der zu ähnlichen Befunden kommt, gelangen Sie hier.
Sebastian Hempel