Offenburger Forscher entwickeln interaktive Lernformen für Arbeitsalltag
„incluMOVE" heißt das Bildungs- und Forschungsprojekt an der Hochschule Offenburg, das Menschen mit einer Leistungsminderung bei der Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen soll. Die geplante interaktive Lern- und Arbeitsumgebung dient vor allem dem Neuerwerb und der Optimierung von Bewegungen im Arbeitsalltag, etwa bei der Montage oder der industriellen Fertigung.
„incluMOVE" soll in Kombination mit jeweils firmenspezifischen theoretischen Ausbildungsteilen auch als ein von der IHK zertifizierter Qualifizierungsbaustein in der Aus- und Weiterbildung anerkannt werden und damit überregional gültig sein. Die Arbeitgeber könnten so auf die Qualifizierung dieser Menschen vertrauen und entsprechende Stellen in ihren Firmen anbieten, während die leistungsgeminderten Menschen mit Selbstsicherheit und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten eine solche Stelle antreten können.Neben den Offenburger Forschern sind das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung aus Stuttgart, die IEF Werner GmbH, die Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen sowie die Audi AG und die IHK Region Stuttgart an dem Projekt beteiligt. Koordiniert wird es von der gemeinnützigen Femos GmbH.
Basis ist das Bewegungslernen
Durch einen unbewussten, passiven Lernvorgang werden Bewegungen im Laufe der Zeit verinnerlicht, wenn diese immer und immer wieder ausgeführt werden. Das jüngst vorgestellte Projekt läuft bis einschließlich September 2020, dessen Fördervolumen beträgt 2,2 Millionen Euro.
Im Bereich der Aus- und Weiterbildung könnte ein System wie incluMOVE, so die Hoffnung der Forscher, den Zugang von Menschen mit Behinderung zum allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern. Dies wäre nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen eine große Errungenschaft, wie es in der Projektbeschreibung heißt: Vor allem den Betroffenen selbst gäbe es ein wichtiges Gefühl der gesellschaftlichen Zugehörigkeit. Sie wären in der Lage ihr eigenes Geld zu verdienen und würden vollständig in die Gesellschaft integriert werden.
„Unser Ziel ist es, ein kontextbewusstes, interaktives und spielerisches System zu entwickeln, das durch Projektionen und eine Bewegungshilfe Hilfestellungen im Arbeitsalltag anbietet und es Menschen mit Leistungsminderung erlaubt, komplexere Tätigkeiten zu erlernen", wie Prof. Dr. Oliver Korn, Leiter des Affective-Lab an der Hochschule Offenburg, erklärt.
So könne am Arbeitsplatz der Teilnehmenden etwa ein projiziertes Video den Ablauf eines Montagevorgangs im Detail zeigen. Mit Hilfe von Lichtprojektionen sei es beispielsweise möglich, die exakte Stelle eines Werkstücks hervorzuheben, an die das nächste Teil montiert werden soll. Ebenso sei eine zusätzliche auditive Unterstützung denkbar. Um Montagevorgänge zu erlernen oder selbstständig durchzuführen werde auch ein haptisches Gerät entwickelt, das die Hand eines Nutzers leiten und damit das Erlernen der Bewegung ansprechen soll. Fünf Grundfertigkeiten sollen geübt werden: Montieren/Fügen, Greifen/Platzieren, Messen/Inspizieren, Einstellen und Hilfsfunktionen.
Spielerische Lernerfahrungen und mehr Freude an der Arbeit
Die von Korn geleitete Arbeitsgruppe befasst sich speziell damit, wie spielerische Elemente in diese interaktiven Lern- und Arbeitsumgebungen eingebaut werden können. „Mindestens ebenso wichtig wie ein optimaler, auf die spezifischen Fähigkeiten der Menschen abgestimmter Arbeitsplatz ist ja auch die Freude an der Arbeit. Die Leitfrage ist, wie wir den arbeitenden Menschen spielerische Lernerfahrungen und damit mehr Spaß bei der Arbeit ermöglichen können."
So arbeite man an der Entwicklung von spielerischen Elementen wie etwa eines Punktesystems, einer Fortschrittsanzeige, welche die Schnelligkeit oder Richtigkeit der durchgeführten Aufgabe anzeige, oder eines komparativen Spielmodus, der einen spielerischen Wettbewerb anstoßen soll.„Natürlich können alle Elemente individuell auf den entsprechenden Nutzer bzw. Spieltypen angepasst und ein- oder ausgeschaltet werden, um den maximalen Spaß zu fördern und keinen Druck zu erzeugen", betont Korn.
Die Entwicklung von geeigneten Gamification-Elementen für Menschen mit Leistungsminderung stelle eine große Herausforderung dar. „Ob ein Element brauchbar ist, muss in einem agilen und nutzerzentrierten Entwicklungsprozess erarbeitet werden", erklärt Korn. „In Interviews und Fokusgruppen ermitteln wir Nutzerbedürfnisse und -wünsche, setzen diese in Prototypen um, deren Usability immer wieder mit Nutzern getestet und verbessert wird."
Quelle: Pressemitteilung der Hochschule Offenburg, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien vom 15. März 2018