Viel zu feiern am runden Geburtstag?
Die UN-Behindertenrechtskonvention, kurz UN-BRK, ist gestern vor 10 Jahren in Kraft getreten. Vernehmbar ist, dass mehr über Inklusion gesprochen wird als noch vor einem Jahrzehnt. Doch ist das Land auch 'inklusiver' geworden?
10 Jahre UN-BRK. Sozial.de hat Stimmungen und Meinungen zum Jubiläum gesammelt. Große Freude kommt leider nicht auf.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte, die offiziell zuständige Organisation für das Monitoring der Umsetzung der UN-BRK in Deutschland, äußert sich vor allem in Bezug auf die schulische Dimension von Inklusion kritisch. Der Leiter der Monitoring-Stelle, Valentin Aichele, erklärte: "Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention ist der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderungen in Deutschland immer noch nicht die Regel. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen, die in Sonder- und Förderschulen unterrichtet werden, ist in den letzten Jahren nur geringfügig gesunken."
Maria Loheide, für Sozialpolitik verantwortliche Vorständin der Diakonie Deutschland, geht auf das Bundesteilhabegesetz ein, eines der wesentlichen neuen Gesetze, die auf die Ratifizierung der UN-BRK zurückgehen: "Das Bundesteilhabegesetz muss sich daran messen lassen, dass das selbstbestimmte Leben und die gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderung verbessert wird." Auch für Loheide sind das langsame Vorankommen inklusiver Bemühungen in den Bereichen Schule und Kinder- und Jugendhilfe unbefriedigend. Hier bestehe "großer Nachholbedarf".
An ein sehr aktuelles Thema knüpft Brigitte Döcker, Vorstandsmitglied der AWO Deutschand, an. Es stimme sie nachdenklich, dass die als verfassungswidrig bewerteten Wahlrechtsausschlüsse für Menschen mit Betreuung in allen Angelegenheiten und für Menschen, die schuldunfähig eine rechtswidrige Tat begangen und in einer Psychiatrie untergebracht sind, nicht rechtzeitig vor der Europawahl aufgehoben wurden. Auch beim Thema Barrierefreiheit stehe man allenfalls am Anfang. Döcker: "Die AWO fordert, dass die Vorschriften für Barrierefreiheit auch für Private gelten müssen, die öffentlich zugängliche Einrichtungen unterhalten oder Dienstleistungen für die Öffentlichkeit anbieten."
Wheelmap.org, eine Serviceseite für Rollstuhlfahrer*innen, stellt indes pünktlich zum Jahrestag eine Karte mit leicht postiven Tendenzen zum Thema Barrierefreieheit ins Netz. Hier können Interessierte einsehen, in welchem Maße die Anzahl rollstuhlgerechter Orte in den einzelnen Bundesländern gestiegen bzw. gesunken ist. Ergebnis: Überall außer in Sachsen-Anhalt ist der Trend positiv.
Zum zehnjährigen Jubiläum veranstaltet die Fürst-Donnersmarck-Stiftung gemeinsam mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung eine spannende Diskussionsreihe zu wesentlichen Aspekten der Inklusion. Eine Übersicht über die Veranstaltungen und kurze Podcasts zu den Veranstaltungen finden Sie hier.
Hier finden Sie zudem die vollständige Fassung der UN-Behindertenrechtskonvention.