Das Klima und die soziale Frage
Hunderttausende Menschen aller Generationen gingen am vergangenen Freitag auf die Straße, um für echten Klimaschutz zu demonstrieren. Kompliziert bleibt in diesem Zusammenhang die soziale Frage, denn für mehr Klimaschutz protestiert überwiegend die Mittelschicht.
Steuert man die Energiewende über die Verbrauchspreise, liegt es auf der Hand, dass Haushalte mit geringerem Einkommen prozentual höher belastet werden als einkommensstarke. Deutlich wird dies z.B. am CO2-Preis, den die Bundesregierung am vergangenen Freitag beschlossen hat. Während für Wohlhabende steigende Benzin- und Heizkosten allenfalls ein Ärgernis darstellen, können sie für weniger gut Verdienende eine echte Belastung sein. Die Wohlfahrtsverbände, traditionell Verteidiger der ökonomisch Benachteiligten, stehen hier zwischen den Stühlen.
Einerseits sehen sie sich in der Verantwortung, ihr Klientel vor Entwicklungen zu schützen, die die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgehen lassen. Andererseits stehen sich Wohlfahrts- und Umweltverbände politisch mittlerweile recht nah. In einem Statement der Arbeiterwohlfahrt (AWO) heißt es wörtlich: "Wir brauchen eine ökologische und soziale Wende, hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die verantwortungsvoll handelt und nicht auf Kosten unserer Kinder lebt." Große Worte, doch sehr allgemein gehalten. Wie genau soll eine "nachhaltige Gesellschaft" aussehen? Was passiert mit der klassischen Arbeiterschaft? Wie lässt sich verhindern, dass immer Menschen sich von links nach rechts bewegen, weil von dort aus proklamiert wird, es sei ein "Weiter so" ohne einschneidende Veränderungen möglich?
Wie Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung am Samstag eindrücklich verdeutlicht hat, ist die Frage, welche Rolle die erodierenden Gewerkschaften zukünftig spielen werden, von elementarer Bedeutung. Ähnlich kann dies jedoch auch für die Sozialverbände konstatiert werden. Noch sind sie sind nah dran an den Menschen, die das Klimaproblem möglicherweise immer noch als Luxusproblem einer verwöhnten Mittelschicht-Jugend ansehen. Diese Expertise sollten die Wohlfahrtsverbände einsetzen, damit die Klimafrage nach der Flüchtlingsfrage nicht zum zweiten großen "Gewinnerthema" der Rechtspopulisten wird.