Zeit für Bilanz: 500 NRW-Projekte mit jungen Geflüchteten unter der Lupe

Beim Fachtag „Junge Geflüchtete in Jugendverbänden" zog der Landesjugendring NRW Bilanz aus über 500 umgesetzten Projekten seit 2016. Zur Diskussion standen die Perspektiven junger Geflüchteter in NRW. Jugendliche und Jürgen Schattmann vom Jugendministerium kamen dazu ins Gespräch. 

2016 gab es für junge Geflüchtete vor allem Projekte der ersten Orientierung, informiert der Landesjugendring NRW. 2017 seien jedoch aus diesen Angeboten viele Projekte entstanden, die junge Geflüchtete selbst organisieren. Gab es anfangs viele kurzfristige Angebote wie Fußballspiele oder Zoobesuche – Aktionen, bei denen die Jugendlichen die neue Umgebung und lokale Jugendverbände kennenlernen konnten, sei  2017 hingegen geprägt gewesen von dem Ansatz des Empowerments junger Geflüchteter, also der Unterstützung beim Entwickeln eigener Ideen und Projekte.

Felix Becker und Kawa Eibesh von der BUNDjugend NRW berichteten hierzu von der "Multischulung Flucht". Hier werden geflüchtete und nicht geflüchtete Menschen ausgebildet, um selbst Workshops zu leiten, zum Beispiel Antirassismus-Workshops. Für Kawa Eibesh aus Syrien war die Weiterbildung eine wichtige Erfahrung: "Es wird viel über uns geredet, aber wir haben wenige Möglichkeiten zur Teilhabe. Wenn ich neue Menschen getroffen habe, war ich oft nur Kawa aus Syrien und dann haben die Leute gesagt: ‚Ah, ich kenne auch einen Flüchtling, mein Nachbar, oder der aus meinem Fußballclub', aber ich war gar kein Individuum mehr. Das ist jetzt anders."

Felix Becker erlebte das Projekt als sehr bereichernd für einen Perspektivwechsel: "Empowerment-Arbeit ist wichtig. Geflüchtete müssen in Rollen kommen, in denen sie selbst leiten, nicht nur annehmen müssen."

Auch Jürgen Schattmann, Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, lobte das Engagement der Verbände als wichtigen Beitrag zur Integration junger Geflüchteter und dankte den Verbänden für ihr Engagement. In der Diskussion mit der Politik wurden aber auch kritische Stimmen laut: Maya Yoken von der djo-Deutsche Jugend in Europa (djoNRW) mahnte: „Viele dieser Jugendlichen, die bei uns stark engagiert sind, leben in Angst. Wenn diese Jugendlichen abgeschoben werden, gehen uns die Motoren der lokalen Gruppen verloren."

Das kulturelle Rahmenprogramm des Fachtags gestalteten die Projekte mit traditionellen Tänzen, Choreinlagen und einem 20-köpfigen Spielmannszug. Außerdem begleitete Dr. Mohammad Heidari, Trainer, Coach und Berater für interkulturelle Thematiken, die Veranstaltung aus wissenschaftlich-empirischer Perspektive. Er hält eine abschließende Evaluation der Projekte mit jungen Geflüchteten für verfrüht: „Wir haben seit zwei Millionen Jahren Migration, nach zwei Jahren können Sie nicht evaluieren. Aber nach etwa fünf Jahren können Sie sehen, ob sich ein junger Mensch selbst versorgen kann." Auch Sarah Primus, Vorsitzende des Landesjugendrings NRW, richtete den Blick auf die Zukunft: „Es darf nicht sein, dass wir unsere Arbeit jetzt nach zwei Jahren einstellen und denken, es kämen ja eh nicht mehr so viele. Die Verbände haben immer noch große Herausforderungen zu bewältigen, darum freut es mich, zu sehen und zu hören, dass wir als Landesjugendring NRW diese Herausforderungen weiterhin gemeinsam anpacken wollen." Außerdem kritisierte sie, dass in Bezug auf die Umsetzung von Kinderrechten politisch noch nicht viel erreicht worden sei.

Einen Überblick über die umgesetzten Projekte bietet eine Broschüre des Landesjugendringes NRW. Hier gibt es viele Beispiele mit Gelingensfaktoren und Stolpersteinen in der Arbeit mit jungen Geflüchteten. Auf einer NRW-Karte gibt es im Internet die Möglichkeit, Projekte in Ihrer Region zu finden unter auf www.ljr.nrw/JuGe-Projektkarte/


Quelle: Presseinformation des Landesjugendringes NRW vom 21. November 2017