Abschaffung des Paragraf 219a: Bundesjustizminister plant neuen Gesetzesentwurf schon im Januar
Seit der Veröffentlichung des Koalitionsvertrages am 25.11.2021 ist klar, dass die neue Bundesregierung den umstrittenen Paragrafen 219a zur "Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft" streichen möchte. Bundesjustizminister Marco Buschmann äußerte sich nun gegenüber der Funke Mediengruppe, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf bereits im Januar 2022 vorgelegt werden soll.
Zum Hintergrund des Paragrafen
§219a StGB, der die öffentliche Aufklärung über Schwangerschaftsabbrüche als Werbung für Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, soll abgeschafft werden. Nicht nur für Frauenrechtsaktivist:innen ist dies eine gute Nachricht: Er verunsichert viele Ärzt:innen, greift sie an und verhindert, dass Frauen ausreichend Informationen erhalten. Im Jahr 2017 wurde die Ärztin und Aktivistin Kristina Hänel zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie auf ihrer Website darüber informierte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Neben ihr macht sich auch die Organisation "Doctors for Choice" für die Abschaffung des Paragrafen stark.
Politiker:innen der CDU und AfD kritisieren die Pläne der Regierung. Sie weisen darauf hin, dass Ärzt:innen, die einen Abbruch durchführen bereits jetzt über die Beratungsstellen und die Liste der Bundesärztekammer erhalten und befürchten mit der Abschaffung eine Vermischung von Informationen und Geschäftsinteressen.
Neufassung des Paragrafen im Jahr 2019
Im Februar 2019 stimmte der Bundestag bereits für eine Neufassung des Paragrafen. Zuvor setzten sich Die Linke, FDP und Grünen mit jeweiligen Anträgen und Gesetzesentwürfen für eine ersatzlose Streichung des Paragrafen ein. Die Mehrheit aus SPD, CDU/CSU und der AfD verhinderten diese Vorhaben.
Die Neufassung des Paragrafen macht es Ärzt:innen nun zumindest möglich öffentlich darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ohne dass sie sich dem Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung aussetzen. Welche Methoden sie dabei anbieten, dürfen sie aber nicht angeben. Stattdessen sollen sie auf neutrale Stellen (die im Gesetz deutlich benannt werden) verweisen, die über Schwangerschaftsabbrüche informieren. Zusätzlich soll eine zentral geführte Liste der Bundesärztekammer aufführen, welcher Arzt oder welche Ärztin mit welchen Methoden Schwangerschaftsabbrüche nach §218 Absatz 1 bis 3 vornimmt. Die Eintragung in diese Liste ist freiwillig und daher unvollständig. Vermutlich verzichten eingige Ärzt:innen auch aus Schutz vor Abtreibungsgenger:innen darauf.
Auswirkungen für Schwangere
Diese derzeitigen Regelungen machen es Frauen mit einem Schwangerschaftskonflikt schwerer wichtige Informationen zu erhalten. Vollständige Listen darüber, welche Ärzt:innen mit welchen Methoden Abbrüche durchführen liegen häufig nur bei Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen vor, wenn sich diese selbstständig darum bemühen. Der Besuch einer solchen ist in den allermeisten Fällen ohnehin obligatorisch, da die Mehrheit der Abbrüche (96,2 Prozent im Jahr 2019) nach der Beratungsregelung vorgnommen werden. Insofern haben Politiker:innen der CDU nicht unrecht, dass die Informationen über die Beratungsstellen bereitgestellt werden können. Bundesjustizminister Buschmann bezeichnet es als absurd, dass es den fachlich kompetesten Personen nicht gestattet ist, über den Abbruch zu informieren. Die Bereitstellung der vollständigen Ärzt:innenlisten liegt darüber hinaus in der Hand einzelner Beratungstellen. Demnach schränkt diese Regelung die eigentständige, transparente Aufklärung und damit eine selbstbestimmte Entscheidung ein. Und sie verstärkt das Tabu rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch.
Weitere Pläne der Ampel-Koalition zur "Reproduktiven Selbstbestimmung"
Neben der Streichung des Paragrafen 219a sollen weitere Maßnahmen zur Förderung des Selbstbestimmungsrechts von Frauen ergriffen werden. Laut Koalitionsvertrag gehören dazu neben der Sicherstellung der flächendeckenden Verfügbarkeit von Beratungsstellen auch, dass Schwangerschaftsabbrüche Teil von ärztlichen Aus- und Weiterbildungen sein soll. Damit soll eine Versorgungssicherheit hergestellt werden, denn die Zahlen von Ärzt:innen, die Abbrüche vornehmen sind rückläufig. Darüber hinaus sollen gestzliche Maßnahmen gegen sogenannte Gehsteigbelästigungen durch Abtreibungsgegner:innen ergriffen werden.
Darüber hinaus sollen weitere Maßnahmen ergriffen werden, die die Zahlen der ungewollten Schwangerschaften beeinflussen können. Verhütungsmittel kosten viel Geld - laut Statistiken des BZgA nutzen geringverdienende Frauen deutlich häufiger unsicherere Verhütungsmittel wie Kondome, nicht verwunderlich ist, dass die Zahl ungewollter Schwangerschaften bei Geringverdienerinnen deutlich höher ist.
Für einige Frauen gibt es bereits die Option zur Kostenübernahme von Verhütungsmitteln. Dies ist allerdings meist an einen Leistungsbezug gebunden. Im Koaltionsvertrag heißt es dazu: "Wir wollen Krankenkassen ermöglichen, Verhütungsmittel als Satzungsleistung zu erstatten. Bei Geringverdienenden werden die Kosten übernommen."