Lilie fordert Abschaffung legaler Ausbeutung
Branchenübergreifend, nicht nur in der aktuell massiv kritisierten Fleischindustrie, werden Menschen aus Osteuropa zu inakzeptablen Bedingungen beschäftigt - und das völlig legal. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie fordert ein Ende der legalen Ausbeutung.
Anlässlich der am 1.7. beginnenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands fordert der Präsident des Diakonie Bundesverbands, Ulrich Lilie, eine generelle EU-weite Überarbeitung des Arbeitsrechts. Der aktuelle 'Fall Tönnies' sei ein besonders schlechtes Beispiel, doch gebe es auch in vielen anderen Branchen Regelungen, die Ausbeutungsstrukturen begünstigen. Lilie ist wichtig, dass der Fokus der Aufmerksamkeit nicht allein auf die Fleischindustrie gelegt wird. "Die Ausbeutung von Niedriglohnbeschäftigten in der EU ist ein drängendes Problem in vielen Branchen, in der Landwirtschaft, der Logistik, im Hotel-, Bau- und Gaststättengewerbe und bei der sogenannten 'Live-in care'- Betreuung im privaten Bereich."
Wie auch andere Verbände und Organisationen sieht die Diakonie einen dringenden Reformbedarf im europäischen Arbeitsrecht. Alle Branchen müssten auf legale Arbeitsausbeutungsmöglichkeiten "überprüft werden, wie Leiharbeit und missbräuchliche Entsendung - und das nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit", so Lilie. Eine Chance biete die 2019 neu geschaffene europäische Arbeitsbehörde European Labour Authority (ELA). Sie müsse mehr Kompetenzen erhalten als ursprünglich vorgesehen, damit die Rechte der Arbeitnehmer*innen und allgemeine Standards durchgesetzt werden könnten.
Lilie betont zudem, dass die Diakonie schon seit langem nicht nur die Bedingungen in den Betrieben kritisiere, sondern auch die Wohn- und Lebensverhältnisse, denen die Arbeiter*innen ausgesetzt sind. Bezeichnend sei allein schon, dass die Firma Tönnies nicht einmal darüber Bescheid gewusst habe, wo ihre Arbeiter*innen untergebracht sind.