LWL-Jugenddezernentin Birgit Westers nimmt Stellung zur "Koblenzer Jugendamtstudie"
Eine aktuelle Studie der Hochschule Koblenz verursachte in jüngster Vergangenheit für einigen Wirbel in der Kinder- und Jugendhilfe. Sie kommt zu dem Schluss, dass bundesweit die Jugendämter mit dem Schutz von Kindern überlastet sind. Nach der Studie, die auf einer Befragung von 650 Mitarbeitern aus 175 Jugendämtern basiert, gibt es in den Jugendämtern zu wenig Personal, das sich um zu viele Fälle kümmern muss. Jetzt meldet sich der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Hauptaufgabe des LWL-Landesjugendamtes ist nach eigenen Angaben Jugendämter und freie Träger der Jugendhilfe fachlich und finanziell zu unterstützen. Zu drei Fragen nimmt LWL-Jugenddezernentin Birgit Westers Stellung und bezieht sich auf die Situation in den westfälischen Jugendämtern.
Frau Westers, die Koblenzer Studie zeichnet ein düsteres Bild der Jugendhilfe, die empfohlene Obergrenze von 35 Betreuungsfällen pro Mitarbeiter werde bei einem Drittel der Jugendämter nicht eingehalten; einige Mitarbeiter würden bis zu 100 Fälle betreuen. Wie ist die Situation in Westfalen?
Westers: Hier liegt die Fallzahlrelation, bezogen auf alle NRW-Jugendämter, nach der jüngsten Erhebung Ende 2014 im Durchschnitt bei 1 zu 34. Wir wissen allerdings auch, dass die Personalausstattung in den einzelnen Jugendämtern sehr unterschiedlich ist. Insgesamt kann man feststellen, dass die Kreise und Städte gerade im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), insbesondere auch in Personal und damit in Kinderschutz investiert haben. Für die Qualität der Arbeit sind neben der bloßen Fallzahlrelation aber auch andere Faktoren, wie z.B. die örtliche Infrastruktur oder die Arbeitsorganisation von Bedeutung.
Die Studie spricht die hohe Fluktuation gerade bei den Berufseinsteigern an. Wie sehen Sie hier die Perspektive?
Westers: Die Arbeit in einem Sozialen Dienst im Jugendamt ist höchst anspruchsvoll und zum Teil sicher auch belastend. Berufseinsteiger verlassen die Fachhochschulen heute nach drei Jahren und beginnen die Arbeit im sozialen Dienst ohne das früher obligatorische Anerkennungsjahr. Hier bietet das LWL-Landesjugendamt Unterstützung in Form von Fachberatung und vor allem speziellen Fortbildungen an. Der Kursus "Neu im ASD" wird in diesem Jahr zum 43. Mal durchgeführt. Dabei legen wir besonderen Wert auf das Modul "Kinderschutz". Außerdem haben wir gemeinsam mit den Jugendämtern Empfehlungen und Schutzpläne entwickelt, die nicht nur den Berufseinsteigern Sicherheit bei ihrer Arbeit vermitteln und so letztlich vor allem Kindern in schwierigen Familiensituationen helfen.
Der Fachkräftemangel ist in vielen Bereichen ein Problem. Wie sieht es in den Jugendämtern vor allem im ländlichen Raum weit entfernt von den Fachschulorten aus?
Westers: Der Fachkräftemangel ist auch in den Jugendämtern spürbar. In einzelnen Regionen ist es zunehmend problematisch, freie Stellen zu besetzen. Für die Fachkräftegewinnung spielt dabei auch die Attraktivität des Arbeitsfeldes eine wesentliche Rolle. Zum verbesserten Image unter Bewerberinnen hat in den vergangenen Jahren eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit erheblich beigetragen. In diesem Zusammenhang hat es 2017 erstmalig in Münster ein bundesweites Forum zur Fachkräftegewinnung und -entwicklung im ASD gegeben. Das Format soll in andere Bundesländer "exportiert" werden.
Quelle: LWL, 16. Mai 2018