RWI: Pflegende Angehörige haben es auf dem Arbeitsmarkt schwerer

22.08.2017 | Altenhilfe, Forschung | Nachrichten

Pflegen über 50-Jährige ihre Eltern, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass sie gleichzeitig berufstätig sind – bei Frauen um durchschnittlich bis zu 7,2 Prozentpunkte, bei Männern sogar um bis zu 11,8 Prozentpunkte. Frauen reduzieren zudem ihre Arbeitszeit um durchschnittlich 12,4 Prozent. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle RWI-Studie zu den längerfristigen Folgen für die Arbeitsmarktsituation von Pflegenden. Sie basiert auf dem SHARE-Datensatz, der die Lebensverhältnisse von über 50-Jährigen in Europa und Israel erfasst.

Kümmern sich ältere Erwerbstätige um ihre pflegebedürftigen Eltern, geht das häufig zu Lasten ihrer Berufstätigkeit. So sinkt für Frauen, die ihre Eltern im vergangenen Jahr erstmals pflegten, die Beschäftigungswahrscheinlichkeit um 7,2 Prozentpunkte. Pflegen Frauen über einen längeren Zeitraum ihre Eltern, reduziert sich ihre Beschäftigungswahrscheinlichkeit nur noch um 4,5 Prozent. Bleiben diese Frauen in der Zeit jedoch weiterhin berufstätig, reduzieren sie ihre Arbeitszeit um durchschnittlich 12,4 Prozent. Für Männer sind die Auswirkungen auf die Beschäftigungswahrscheinlichkeit sogar noch größer. Wenn sie über einen längeren Zeitraum pflegen, dann sinkt ihre Beschäftigungswahrscheinlichkeit um 11,8 Prozentpunkte. Diejenigen, die weiterhin berufstätig sind, reduzieren allerdings ihre Arbeitszeit in der Regel nicht. Zu diesen Ergebnissen kommt eine aktuelle Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung auf europäischer Ebene. Bisher haben sich nur wenige Untersuchungen mit den längerfristigen Folgen für die Arbeitsmarktsituation der Pflegenden befasst.

Für die stärkeren längerfristigen Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation pflegender Männer gibt es aus wissenschaftlicher Sicht zwei mögliche Erklärungen. „Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und schaffen nach einer Pflegephase dort leichter wieder den Einstieg" erläutert Dr. Dörte Heger, Wissenschaftlerin im RWI-Kompetenzbereich „Gesundheit" und Mitautorin der Studie. Eine zweite mögliche Erklärung ist, dass das pflegerische Engagement von Frauen von Arbeitgebern als „normal" wahrgenommen wird. Bei Männern gilt es hingegen unter Umständen als Beweis für schwächer ausgeprägtes berufliches Engagement.

Pflege wird mit demographischem Wandel an Bedeutung gewinnen

Grundlage der Studie sind Daten aus dem „Survey for Health, Ageing and Retirement in Europe (SHARE)" aus dem Zeitraum der Jahre 2004 bis 2015. Der Datensatz umfasst die Bevölkerung ab einem Lebensalter von 50 Jahren in Europa und Israel. Er ist der erste mit umfassenden gesundheitlichen und sozio-demografischen Informationen von über 50-Jährigen auf europäischer Ebene. Für die Studie umfasste die Stichprobe knapp 8.000 Frauen und gut 6.500 Männer im Alter zwischen 50 und 70 Jahren.

Durch die häufig als „demographischer Wandel" umschriebene Alterung der Gesellschaft wird das Thema Pflege in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Um die bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege zu ermöglichen und die negativen Folgen für Pflegende abzumildern, sind in zahlreichen Ländern bereits Möglichkeiten für „Pflege-Auszeiten" geschaffen worden. So auch in Deutschland. 


Quelle: Presseinformation des RWI-Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung vom 15. August 2017