Patientenbeauftragter und Pflegebevollmächtigter berichtet

Staatssekretär Karl-Josef Laumann zieht Zwischenbilanz: Der Patientenbeauftragte und Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung hat seinen Bericht zu den wichtigsten Entwicklungen im Gesundheitswesen in den vergangenen drei Jahren aus Sicht der Patienten und Pflegebedürftigen vorgestellt. Darin lobt er unter anderem die Fortschritte bei der Pflege sowie die Verbesserungen bei der Hilfsmittelversorgung. In einigen Bereichen sieht der Patientenbeauftragte und Pflegebevollmächtigte jedoch weiteren Handlungsbedarf.  Der Deutsche Evangelische Verband für Altenarbeit und Pflege sieht Klärungsbedarf, insbesondere bei der Entbürokratisierung der Pflege.

Laumann fordert beispielsweise eine Erleichterung der Beweislast für die Versicherten, wenn diese von einem Behandlungsfehler betroffen sind. „Bisher müssen die Patienten nachweisen, dass der Behandlungsfehler zweifelsfrei Ursache für einen erlittenen Schaden war. Das ist in der Praxis sehr schwierig, manchmal sogar unmöglich. Ein solcher Nachweis ist in der Medizin k aum zu führen – insbesondere wenn Patienten mehrere Arzneimittel einnehmen oder Vorerkrankungen haben. Deshalb muss es künftig ausreichen, wenn der Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden überwiegend wahrscheinlich ist. Darüber hinaus müssen wir die Krankenkassen noch stärker in die Pflicht nehmen, Patienten bei dem Nachweis eines Behandlungsfehlers zu unterstützen. Bisher heißt es gesetzlich, dass sie das sollen. Ich halte es für richtig, daraus eine Muss-Regelung zu machen."

Darüber hinaus spricht sich Laumann für einen noch größeren Patientennutzen der Digitalisierung im Gesundheitswesen aus. Mit dem E-Health-Gesetz seien die Telematik und die elektronische Gesundheitskarte auf den richtigen Weg gebracht worden. Der praktische Mehrwert für die Patienten müsse aber noch weiter verbessert werden: „Es kann nicht sein, dass mündige Bürger nur unter Beaufsichtigung durch den Arzt Einsicht in ihre eigenen Daten nehmen können. Sie müssen – ähnlich wie beim Online-Banking – immer und überall, aber natürlich sicher auf ihre Behandlungsdaten selbst zugreifen können. Damit könnten sie beispielsweise jederzeit ihre Patientenakte einsehen – ein Thema, das trotz Patientenrechtegesetz nach wie vor immer wieder zu Streitigkeiten führt und auf diese Weise gelöst werden kann."

Eine weitere Forderung des Patientenbeauftragten ist die Neuorganisation des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). „Viele Patienten und Pflegebedürftigen empfinden den MDK als verlängerten Arm der Kranken- und Pflegekassen – etwa bei der Erstellung von Gutachten zur Arbeitsunfähigkeit oder zur Einstufung der Pflegebedürftigkeit. Laut Gesetz können bis zu einem Viertel der Verwaltungsratsmitglieder des MDK ganz legal hauptamtlich bei den Kranken- und Pflegekassen angestellt sein. Zudem erlässt der GKV-Spitzenverband Richtlinien für den MDK. Ich sehe hier einen klaren Handlungsbedarf. Patienten und Pflegebedürftige müssen ohne jeden Zweifel darauf vertrauen können, dass der MDK grundsätzlich unabhängig und neutral aufgestellt ist. Daher muss er personell wie inhaltlich neu organisiert und von den Kranken- und Pflegekassen gelöst werden", sagt Laumann.

Im Bereich der Pflege spricht sich Laumann v. a. für die Errichtung einer Bundespflegekammer aus. Damit müsse die Mitbestimmung der Pflege in der Selbstverwaltung ausgebaut werden: „Wenn in der Selbstverwaltung über Pflegethemen entschieden wird, sitzt die Pflege selbst nicht mit am Tisch. Das muss sich ändern. Wenn es um Qualitätsstandards zur Wundversorgung, Vorgaben zur Personalausstattung oder Ausbildungsinhalte geht, kann es nicht sein, dass die Pflege bei den Entscheidungen außen vor bleibt. Die Bundespflegekammer sollte die Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss vertreten – und zwar mit vollem Stimmrecht bei allen Fragen, die sie betreffen. Auch im Pflege-Qualitätsausschuss muss sie die zentrale Stimme der Pflege sein.

Nicht alles unter Dach und Fach 

Ein Zwischenruf zu dieser Bilanz kommt unter anderem aus dem Deutschen Evangelischen Verbands für Altenarbeit und Pflege (DEVAP). Thomas Eisenreich, Geschäftsführung des Verbandes, erklärt dazu, es sei noch nicht alles unter Dach und Fach, was Herr Laumann  als Erfolgsbilanz vermeldet. Natürlich sei seine abgearbeitete Agenda beeindruckend: Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, tarifliche Bezahlung ins SGB XI, Verbesserung in der Heilmittelversorgung. Gerade bei der reduzierten Pflegedokumentation und den noch bevorstehenden Projekten, wie beispielsweise der Einführung der Qualitätsindikatoren, sieht der Verband bisherige Erfolge bereits wieder in Gefahr. Er nimmt an, dass die Erhebung von Qualitätsindikatoren wieder neue Dokumentationserfordernisse mit sich bringen. Was eingespart wurde, wird wieder obenauf gesetzt. Da bleibe von der Erfolgsbilanz dann nicht mehr viel übrig.

Bei jeder neuen Pflegegesetzgebung beim Erfüllungsaufwand sollte auch die damit einhergehenden Bürokratiekosten in den Einrichtungen detailliert abgebildet werden. Zudem müsse ersichtlich sein, inwieweit die Erfolge der Entbürokratisierung durch eine Neuerung gefährdet sind. Der DEVAP sieht das  Thema noch lange, lange nicht abgeschlossen – da die Pflegedoku nur ein Teil auf der riesigen Baustelle ‚Entbürokratisierung‘ sei.

Auch die weiteren Probleme, die Herr Laumann aufgeworfen habe, wie die tarifliche Entlohnung der Pflegekräfte auch im SGB V analog zum SGB XI zu verankern und die Schaffung der Unabhängigkeit des MDK zeigten aus DEVAP-Sicht:, dass auch  in den nächsten Jahren weitere Strukturreformen erfolgen müssen. Gebraucht werde eine echte Pflegeteilkasko, die gegen Altersarmut wirksam ist. Damit die Sektorengrenzen überwindbar werden, müsse die Behandlungspflege im stationären Bereich endlich über die Krankenversicherung finanziert werden. Es dürfe nicht vom Wohnort des Betroffenen abhängen, welche Leistungen er in Anspruch nehmen kann.

Der ausführliche Bericht von Staatssekretär Laumann sowie mehr Informationen zur Bilanz auf der Internetseite des Patientenbeauftragten und Pflegebevollmächtigten unter www.patientenbeauftragter.de

 


Quelle: BMG-Presseinformationen vom 9. Mai 2017/ DEVAP-Pressemitteilung vom 10. Mai 2017