Studie: „Generation Y": individualistisch, aber nicht unsolidarisch

Die sogenannte „Generation Y", also die zwischen 1980 und 1999 Geborenen, sei vor allem an Selbstverwirklichung und Freizeit interessiert, lautet ein gängiges Vorurteil. Doch das stimmt so nicht, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung des Deutschen Gerkschaftsbundes geförderte Studie von Dr. Sarah Nies und Dr. Knut Tullius.

Die wissenschaftliche Team vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF München) und vom Soziologischen Forschungsinstitut (SOFI) an der Universität Göttingen hat die Interessen und Beteiligungsansprüche jüngerer Beschäftigter untersucht. Dazu werteten sie ausführliche Interviews mit insgesamt 34 abhängig Beschäftigten unter 35 Jahren in verschiedenen Branchen aus, die zu einem größeren Forschungsprojekt gehören. Laut Auswertung zeigte sich: Die jungen Arbeitnehmer verfügen über einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Solidarität. Sie wollen am Arbeitsplatz mitentscheiden, vor allem im Team oder in ihrer Abteilung. Und sie halten betriebliche oder gewerkschaftliche Interessenvertretungen für notwendig.

In vielen Punkten unterschieden sich die jüngeren gar nicht wesentlich von älteren Beschäftigten – ein grundlegender Wertewandel sei bezogen auf Arbeit und Betrieb nicht erkennbar, schreiben das Forschungsteam. Eine Besonderheit stellen sie aber doch fest: Die unter 35-Jährigen berichten fast durchweg von einem holprigen, durch Krisen geprägten Einstieg in die Arbeitswelt. In ihren wenigen Berufsjahren haben sie mehrere (Wirtschafts-)Krisen erlebt, verbunden mit Entlassungen und Umbrüchen in den Betrieben. Viele von ihnen mussten von Beginn an mit prekären oder befristeten Beschäftigungsverhältnissen umgehen.

Gewisse Anspannung trotz Anpassungsfähigkeit

Diese weit verbreitete Erfahrung hätte Spuren hinterlassen: Die Wissenschaftler stellen eine „gewisse Anspannung" unter den jungen Beschäftigten fest. Bei vielen habe sich – trotz großer Anpassungsfähigkeit – ein Gefühl der Unsicherheit festgesetzt, das selbst dann noch anhält, wenn sie eine unbefristete Vollzeitstelle gefunden haben. Die Folge: Aus Angst um den Arbeitsplatz trauten sich viele nicht, gerechtfertigte Forderungen zu stellen oder Grenzen zu setzen, so die Forscher. Die älteren Beschäftigten leiden zwar genauso unter den Krisen der jüngsten Zeit, aber sie können häufig Selbstbewusstsein aus früheren, „besseren" Zeiten ihres Berufslebens ziehen.

Auffällig sei auch, dass die Jüngeren eher bereit sind, Entscheidungen der Unternehmensführung zu akzeptieren, die mit „Sachzwängen" oder „Anforderungen des Marktes" begründet werden.

Kollektive Interessenvertrung bleibt unbemerkt

Auch wenn die unter 35-Jährigen überwiegend individualistisch denken, zeigen sie sich der Studie zufolge nicht unsolidarisch oder ausgrenzend. Sie bewerten Gewerkschaften und Betriebsräte grundsätzlich positiv – und sehen darin eine „wichtige Gegenmacht" zum Management. Das Modell der sozialpartnerschaftlichen „Stellvertreterpolitik" stellen die Befragten nicht infrage. Stimmen nach einer grundsätzlichen Demokratisierung des Unternehmens werden unter den jüngeren Beschäftigten nicht laut. „Weder erweisen sich die Ansprüche an Mitbestimmung und direkte Beteiligung als grundsätzlich weitreichender als diejenigen der älteren Generation, noch ist die Distanz zum Prinzip interessenpolitischer Stellvertretung so ausgeprägt, wie es der Generationenzuschreibung entsprechend zu erwarten wäre", schreiben Nies und Tullius. Allerdings: Die Existenz kollektiver Interessenvertretungen gilt als so selbstverständlich, dass deren Arbeit häufig gar nicht bemerkt werde.

Sarah Nies und Knut Tullius: Zwischen Übergang und Etablierung. Beteiligungsansprüche und Interessenorientierungen jüngerer Erwerbstätiger, Study der Hans-Böckler-Stiftung Nr. 357, Juli 2017. Download der Studie (PDF) 


Quelle: Presseinformation der Hans-Böckler-Stiftung vom 26. Juli 2017