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Behandlungen wegen Essstörungen haben deutlich zugenommen

Die Corona-Pandemie ist oft nicht die Ursache, verschärft aber möglicherweise die Gefahr von Essstörungen bei Mädchen und weiblichen Jugendlichen. Laut der LWL-Universitätsklinik Hamm ist eine deutlich höhere Nachfrage nach Beratungen zu verzeichnen, das Angebot der Klinik wurde entsprechend aufgestockt.

Seit Beginn der Pandemie verzeichnen die kinder- und jungendpsychiatrischen Einrichtungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) einen größeren Zulauf an jugendlichen Patientinnen in den Essstörungsambulanzen. Auch der Bedarf nach stationären Behandlungsplätzen ist zum Beispiel an der LWL-Universitätsklinik Hamm für Kinder- und Jugendpsychiatrie inzwischen gestiegen, so dass das Angebot aufgestockt wurde.

"Die Zunahme der Fälle von jugendlichen Patientinnen mit Essstörungen zeigt, wie Coronafaktoren und die typischen Ursachenbündel an der Entwicklung einer psychischen Störung zusammenwirken", erklärt LWL-Krankenhausdezernent Prof. Dr. Meinolf Noeker. "Wenn unter Corona alles andere wegbricht, wird das Kümmern um das eigene Aussehen zur einzig verbliebenen, aber gefährlichen Quelle für Zuwendung, Erfolgserlebnis und Sinn", so Noeker. "Eine solche Verengung und Verzerrung des eigenen Blicks wäre bei vielen Betroffenen vielleicht auch ohne Corona passiert, aber Corona lässt sie schneller in eine solchen Sog hineingeraten und lässt die Spirale dann um so schneller drehen", erläutert Noeker, der auch approbierter psychologischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut ist. 

Kein regelmäßiger Schulbesuch, kein Sport, keine sozialen Kontakte und viel Zeit zuhause - so sieht der Alltag für viele Kinder und Jugendliche derzeit aus. "Für die meisten eine ungewohnte Situation, in der sich die Gedanken häufiger um sich selbst und im Kreis drehen", berichtet auch Kathrin Steinberg, Oberärztin der LWL-Universitätsklinik Hamm und Leiterin der Essstörungsambulanz. In dieser Situation zeigt sich derzeit eine Zunahme an Jugendlichen, die sich hilfesuchend an die Essstörungsambulanz wenden, da sie eine Magersucht entwickelt haben oder eine bestehende Magersucht nicht mehr unter Kontrolle halten können.

Die Anorexia nervosa beginnt oft mit einem harmlos wirkenden Diätverhalten, etwa durch Weglassen von Süßigkeiten, einer vegetarischen Ernährung oder Verringerung der Essensmengen. Die Betroffenen versuchen, ihr Essverhalten stark zu kontrollieren und nehmen immer weiter ab. Sie erleben sich selbst aber als zu dick und leben in ständiger Angst davor, dass sie zunehmen oder die Kontrolle über ihr Essverhalten verlieren könnten. Bei der Magersucht ist das Körpergewicht so niedrig, dass es zu einer körperlichen Gefährdung bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen kommen kann. "Neben der Magersucht behandeln wir auf unserer Essstörungs-Jugendstation auch Kinder und Jugendliche mit Ess-Brechsucht (Bulimie) und Essanfällen (Binge Eating). Im Vordergrund steht, dass die Kinder und Jugendlichen wieder ein normales, ausgewogenes Essverhalten entwickeln und insbesondere bei der Anorexie ein gesundes, altersentsprechendes Gewicht erreichen. Sie werden dabei unterstützt, sich ihre Mahlzeiten zusammenzustellen und Ängste in Bezug auf Essen, Figur und Gewicht abzubauen," sagt Steinberg.

Wichtig ist eine möglichst frühe Behandlung, damit chronische Verläufe vermieden und die Erfolgsaussichten deutlich verbessert werden können. Essstörungen sind schwerwiegende Erkrankungen, die über mehrere Jahre verlaufen können. Wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin, dass eine frühzeitige Diagnose und Behandlung die Aussicht auf Heilung deutlich verbessert. Insbesondere die Forschung spielt auf diesem Gebiet eine große Rolle, mit innovativen Studien werden festgefahrene Essstrukturen erforscht und möglichst früh behandelt.

Die LWL-Universitätsklinik Hamm bietet eine ambulante Essstörungssprechstunde an. Termine können telefonisch unter 02389 893-3000 vereinbart werden. 


Quelle: Pressemitteilung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe vom 8.3.2021