Personen gehen gemeinsam spazieren
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Caritas erprobt neuen Ansatz in der ambulanten Pflege

Unter anderem im Westerwald erprobt die Caritas ein neues Arbeitsmodell in der ambulanten Pflege, das gleichzeitig vorteilhaft für Pflegebedürftige ist, Pflegekräfte entlasten, und für mehr Attraktivität des Berufs sorgen soll.

Das Projekt „Pflege ganz aktiv“ des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn ist angelehnt an den in den Niederlanden vom Pflegeanbieter Buurtzorg (übersetzt „Pflege in der Nachbarschaft“) schon länger praktizierten Ansatz.

Spaziergang im Garten statt Haarewaschen

Die Kernidee dabei: Kundinnen und Kunden des ambulanten Pflegedienstes buchen vorab keine Leistung (etwa das Anziehen von Kompressionsstrümpfen oder Waschen und Anziehen), sondern ein Zeitkontingent. Wenn im Gespräch mit der oder dem Pflegebedürftigen klar wird, dass die ihr oder ihm zur Verfügung stehenden 20 Minuten besser für ein Mobilitätstraining (z. B. einen Spaziergang durch den Garten) genutzt werden sollten als für das Haarewaschen, wird die Zeit so genutzt. Im rigiden Abrechnungsmodell der ambulanten Pflege wäre das nicht möglich. Die Pflegebedürftigen selbst oder Bezugspersonen werden zur eigenen Erledigung der anderen Aufgaben (etwa das Haarewaschen) in die Lage versetzt. Das Konzept funktioniert mit Unterstützung und Aktivierung eines informellen Netzwerkes.

Alle Seiten haben was davon

„Alle Seiten gewinnen mit dieser Flexibilität,“ erläutert Stefanie Krones, Direktorin des Caritasverbandes Westerwald-Rhein-Lahn. „Pflegebedürftige erleben sich als selbstwirksam und sie bekommen das Angebot, das sie tatsächlich in dem Moment brauchen. Im Ergebnis profitieren auch Angehörige. Für Pflegefachkräfte ist die Arbeitszufriedenheit viel höher: Es muss nicht ein ‚Leistungskomplex‘ erfüllt werden, sie können aus dem gesamten Repertoire ihrer Fachlichkeit schöpfen und erleben die Wertschätzung ihrer Fähigkeiten.“
Das Projekt wurde als Modellvorhaben mit den Pflegekassen in Rheinland-Pfalz aufgesetzt, denn natürlich stellen sich Fragen der Abrechnung laut Sozialgesetzbüchern.

„Rennpflege“ schickt Jobzufriedenheit in der ambulanten Pflege in den Keller

„‚Pflege ganz aktiv‘ ist ein gutes Beispiel dafür, dass die pflegebedürftigen Menschen von Zeitkontingenten, die sie ganz nach Tagesform und Bedarf gemeinsam mit den Pflegekräften gestalten, nachhaltig profitieren können. Zufriedene Kundinnen und Kunden machen zufriedene Pflegekräfte und tragen somit erheblich zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs bei,“ so Elisabeth Fix, Co-Leiterin der Kontaktstelle Politik des Deutschen Caritasverbandes und Pflege-Expertin.

„Die Jobzufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen in den Sozialstationen ist durch die ‚Rennpflege‘ im Keller: Schnell rein, Strümpfe anziehen, wieder raus ins Auto – dafür sind sie alle nicht angetreten. Da muss sich dringend etwas tun, denn es ist klar, dass die meisten der immer mehr werdenden Pflegebedürftigen weiterhin zu Hause werden betreut sein müssen“.


Quelle: Pressemitteilung der Caritas vom 05.05.2023